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2003-06-29 | SWR Saab 2000 | Olbia | «Bruchlandung»


mds

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http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/swiss_piloten_bruchlandung_bundesstrafgericht_1.6119327.html:

Bruchpiloten kommen mit blauem Auge davon

 

Bundesstrafgericht erlässt zwei ehemaligen Piloten der Swiss eine Strafe

 

Das Bundesstrafgericht hat zwei ehemalige Piloten der Swiss wegen einer missglückten Landung verurteilt. Es sprach sie der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig. Auf eine Strafe verzichtete das Gericht jedoch.

 

Die beiden Verurteilten Piloten werden für ihre Bruchlandung auf dem Flughafen Olbia in Italien zwar nicht bestraft, müssen aber die Ermittlungs- und Gerichtskosten in der Höhe von 16'000 Franken übernehmen. Dies geht aus dem am Mittwoch verkündeten Urteil des Bundesstrafgerichtes hervor. Beide Piloten arbeiten nicht mehr auf ihrem Beruf.

 

Martin

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Verstehe zwar kein italienisch, aber gehe ich richtig davon aus, dass er mit 136 Sachen auf dem Bugfahrwerk aufgesetzt hat? :009:

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Tja,

 

in einer Zeit, wo unsere Aufsichtsbehörden und Arbeitgeber gross die Vorzüge eines 'non punitive reporting system' usw. propagieren, entwickelt sich das Rechtssystem - und auch unsere Gesellschaft - in die Gegenrichtung.

 

Für alles muss ein Schuldiger her - die Ursachen, die dazu geführt haben, werden dabei aber nie eliminiert. Und auch der Wiederholungfall wird durch Bestrafen - oder auch aus dem Verkehr ziehen - der 'Schuldigen' in keinem Fall verhindert. :004:

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Tja,

 

in einer Zeit, wo unsere Aufsichtsbehörden und Arbeitgeber gross die Vorzüge eines 'non punitive reporting system' usw. propagieren, entwickelt sich das Rechtssystem - und auch unsere Gesellschaft - in die Gegenrichtung.

 

Für alles muss ein Schuldiger her - die Ursachen, die dazu geführt haben, werden dabei aber nie eliminiert. Und auch der Wiederholungfall wird durch Bestrafen - oder auch aus dem Verkehr ziehen - der 'Schuldigen' in keinem Fall verhindert. :004:

 

Die werden ja nicht mal bestraft. Die sollen die Gerichtskosten tragen! Ein Unding in meinen Augen!

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Crossair, leider immer wieder! Bern, Pristina, Argentinien, Werneuchen, Olbia Nassenwil, Bassersdorf. Zum Glueck wurde dieser Betrieb endlich gestoppt, AD endlich weg, leider wurden sie nicht bestraft, AD, MS etc.

 

Kenne den armen Kerl, sollte eigentlich nie in einem Cockpit arbeiten, wie viele Andere. Frage wo war das BAZL?

 

Flug Bananenrepublik Schweiz 1980-2001 :004:

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In einer Zeit, wo unsere Aufsichtsbehörden und Arbeitgeber gross die Vorzüge eines 'non punitive reporting system' usw. propagieren, entwickelt sich das Rechtssystem - und auch unsere Gesellschaft - in die Gegenrichtung.

 

Grundsätzlich bin ich ja geneigt, dir zuzustimmen, auch ich habe meine Mühe mit der heutigen Tendenz, alles zu „verjuristerieren“.

 

Aber in diesem konkreten Fall eines Unstabilisierten Anfluges liegen die Dinge doch etwas anders.

 

Die Kriterien für einen stabilisierten Anflug unter VMC sind allgemein bekannt, unter anderem sollte man spätestens auf 500ft mit der Anfluggeschwindigkeit fliegen und die Klappen müssen in Landeposition sein.

Die Jungs hier waren aber auf dieser Höhe noch mit mehr als 80kts (!!!) über Vref -193 vs.111kts- unterwegs und mit dem Ausfahren der Klappen wurde eben erst begonnen....

Und da trotzdem eine Landung erzwungen wurde, darf man sich nicht wundern, wenn sich der Staatsanwalt dafür interessiert, was denn da war.

 

Jedem Busfahrer, der einen Unfall verursacht, weil er ein Rotlicht überfährt – und hier stand ein Rotlicht bei 500ft – ergeht es gleich; die flotten Streifen am Ärmel schützen den Piloten eben nicht.

 

Das Argument mit dem Non Punitive Reporting System wirkt hier etwas deplatziert, die Piloten behaupteten nämlich zwei Tage lang, die Landung sei völlig normal verlaufen, das Beta-System der TW/Propeller habe dann aber versagt und dadurch seien beim Bremsen halt die Reifen geplatzt….:009:

 

 

Gruss

 

Ruedi

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Ruedi,

 

ich habe zwar den Bericht nicht im Detail gelesen, mag mich aber an die Grundzüge der Sache erinnern.

 

Klar wurden im Cockpit grosse Fehler gemacht. Aber auch da bin ich mir sicher, dass sich die zwei vorne bis zum Unfall nicht über die Konsequenzen bewusst waren - sonst hätten sie's ja nicht gemacht, so blöd ist ja niemand. Dies gilt übrigens für alle Unfälle in unserer Domäne, im Gegenzug vom Busfahrer, der evtl. schon mal bewusst einen Kratzer in Kauf nimmt, um Zeit zu gewinnen.

 

Daher wäre eigentlich interessanter zu wissen, wie Crossair dazumals mit Go-Arounds umging, vorallem wenn der Grund eine schlecht Anflugeinteilung war. Und auch wie sonst die Diskussionskultur war, wenn mal etwas passiert. Wenn die Crew Defekte 'erfinden' musste, um sich herauszureden, so war da evtl. auch ein Problem vorhanden...oder es war Charakterfrage, wie zu Fehlern gestanden wird. Aber auch da hat die Diskussionskultur innerhalb einer Firma einen grossen Einfluss.

 

Ich sage ja nicht, man dürfe in keinem Fall die Piloten vor Gericht bringen. Irgendwo muss man Grenzen ziehen.

Was man aber häufig als Reaktion sieht - auch hier im Forum: 'Die Piloten sind suspendiert/verurteilt, somit ist der Unfallgrund aus dem Weg geschafft'.

Und ich hoffe, wir sind uns einig, dass dies nicht reicht, um den selben (oder einen ähnlichen) Unfall in der Zukunft zu verhindern? Denn der Grund darf nie sein: die Piloten waren unfähig. Wenn sie wirklich unfähig waren, so müsste der Grund sein: Die Firma hat unfähige Piloten ins Cockpit gesetzt....

 

Und was leider Fakt ist: Durch die verjustizierung vom noch so kleinsten Vorfall wird die Erhöhung der Sicherheit ausgebremst. Denn sobald ich Angst haben muss, bestraft zu werden, werde ich meine Fehler wenn möglich nicht melden und auch nicht offen darüber sprechen.

Und da ist das Problem: Nicht, dass man mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat, wenn man einen Riesenbockmist ablässt. Sondern, dass man auch bei kleineren Dingen schon riskiert, an der Pranger gestellt zu werden.

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Klar wurden im Cockpit grosse Fehler gemacht. Aber auch da bin ich mir sicher, dass sich die zwei vorne bis zum Unfall nicht über die Konsequenzen bewusst waren - sonst hätten sie's ja nicht gemacht, so blöd ist ja niemand.

 

80 kts (achtzig) zu schnell auf 500 ft und dann noch eine Landung versuchen ist definitiv mehr als blöd und eine konkrete Gefährdung der ihnen anvertrauten Passagiere. Die Sache ging glimpflich aus und hätte böse enden können.

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Chris,

 

das bestreite ich auch überhaupt nicht.

 

Mir geht es nur um Folgendes: Wenn diese Crew so reagiert hat, so muss man auch davon ausgehen, dass es eine andere Crew in der gleichen Situation auch schaffen wird. Und daher ist es ein Irrglaube, dass durch Bestrafen der Beteiligten irgendein Problem gelöst wird.

 

Dies jetzt ohne darauf einzugehen, ob jetzt in diesem konkreten Fall rechtliche Konsequenzen gerechtfertigt sind.

Wenn man aber schon bei Bagatellen (damit meine ich jetzt nicht diesen Fall!) mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss, so bremst das die offene Kommunikation und somit die Unfallverhütung aus.

 

Mein Beitrag ist eher allgemeiner Natur und meine Kernaussage ist: Durch die Bestraf-Geilheit unserer Gesellschaft und des Rechtssystems wird schlussendlich die Sicherheit vermindert.

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Mein Beitrag ist eher allgemeiner Natur und meine Kernaussage ist: Durch die Bestraf-Geilheit unserer Gesellschaft und des Rechtssystems wird schlussendlich die Sicherheit vermindert.

 

Seh ich allgemein auch so, aber bitte, hier wurde mit dem Leben der Passagiere gespielt. Warum sollte ein böser böser Raser, der auf der (vielleicht noch leeren) Autobahn 200 fährt 'hart bestraft' werden und Piloten, die nur mit Glück niemanden umbringen 'heilig' sein?

Ich finde ehrlich gesagt 200 auf der Autobahn harmlos im Vergleich zu sowas. Und nicht zu vergessen: Ob ich primär mich selbst gefährde (gut - und andere Verkehrsteilnehmer) oder ob ich ein Transportmittel voller Leute habe, die mir ausgeliefert sind sind immer noch zweierlei paar Schuhe.

 

So gesehen spielt es dann auch nur beschränkt eine Rolle, was Firmenpolicy war etc. Ansonsten könnte auch nie ein Carchauffeur oder Lastwagenfahrer gebüsst oder gar vor Gericht gestellt werden. Die stehen schliesslich allesamt unter Druck.

 

Was die Wiederholungsgefahr angeht: Die erscheint mir doch eher kleiner, wenn ein Gericht mal gesagt hat 'einen Anflug fortzuführen, der diese und jene Kriterien nicht erfüllt ist strafbar' als wenn es geheissen hätte 'Helden retten Passagiere'

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@ Urs

 

Ich sehe, wir sind uns einig.

Die eigentliche, von Vielen zu wenig verstandene Problematik liegt aber in einem anderen Punkt.

 

Die Schweiz ist eines der wenigen Ländern, in denen die Justiz direkt auf einem Unfallbericht basierend ein Strafverfahren führen kann, fast überall auf dieser Welt ist das aus guten Gründen strikte tabu.

Auf den ersten Blick erscheint es durchaus plausibel, die Ergebnisse der Untersuchungsbehörden vor Gericht zu verwenden, schliesslich „steht dort ja alles“.

 

Die Crux liegt aber darin, dass eine Flugunfalluntersuchung und eine Strafuntersuchung grundsätzlich unterschiedliche Ziele verfolgen.

Erstere wird durchgeführt, um wertungsfrei festzustellen, welche Fehler zum Unfall geführt haben mit dem Ziel, andern zu ermöglichen, Lehren daraus zu ziehen und damit die Flugsicherheit zu erhöhen. Eine vollumfängliche Aufklärung ist nur möglich, wenn alle Beteiligten schonungslos -vor allem sich selbst gegenüber- aussagen, was Sache war. Schuldzuweisungen werden denn auch keine gemacht.

Bei Strafverfahren hingegen wird, vereinfacht gesagt, untersucht, ob Gesetze verletzt wurden und es kommt sehr wohl zu Schuldzuweisung mit allen Konsequenzen für die Beteiligten. Ein Beschuldigter ist aber nicht verpflichtet, Aussagen zu machen, die ihn selbst belasten könnten.

 

Wenn nun ein Unglücksrabe aber von Anfang an befürchten muss, dass jede Aussage, die er einem BFU-Beamten gegenüber macht, dereinst vor Gericht gegen ihn verwendet werden kann, kann das für die Erstellung von aussagekräftigen Unfallberichten verheerende Folgen haben. Vor allem auch, weil ein vermeintlich harmloses Statement in Juristenohren eine ganz andere Bedeutung haben kann.

 

Wie erwähnt, in den meisten Ländern ist dieser Zielkonflikt längst erkannt. Was allerdings nicht heisst, dass die Sache überall besser gelöst wird. In einigen Ländern kommt es z.B. vor, dass nach einem Unfall die Staatsanwaltschaft sofort das Wrack zur Beweissicherung beschlagnahmen lässt und die eigentlichen Untersuchungsbehörden ihre Arbeit gar nicht erst aufnehmen können.

 

Es wäre aber an der Zeit, hier einen Mittelweg zu finden, der eine saubere Trennung von Unfall- und Strafuntersuchung möglich macht. Im Konfliktfall aber muss ein sauberer Unfallbericht immer Vorrang haben, da dadurch Menschenleben gerettet werden können.

 

 

Und noch was ganz anderes, @ Flydawg.

 

Du hast in deiner Aufzählung diesen hier vergessen:

 

http://www.bfu-web.de/cln_005/nn_223970/DE/Publikationen/Untersuchungsberichte/2000/Bericht__EX007-0.00,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Bericht_EX007-0.pdf

 

Man weiss bei diesem Bericht nicht so recht, ob man lachen oder heulen soll; er wurde in der Schweiz kaum je zur Kenntnis genommen und beweist immer noch das Talent der besagten Firma, Peinliches unter den Teppich kehren zu können.

 

 

Gruss

 

Ruedi

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Lieber Ruedi

 

Du schreibst etwas sehr merkwürdiges:

 

 

Die eigentliche, von Vielen zu wenig verstandene Problematik liegt aber in einem anderen Punkt.

Die Schweiz ist eines der wenigen Ländern, in denen die Justiz direkt auf einem Unfallbericht basierend ein Strafverfahren führen kann, fast überall auf dieser Welt ist das aus guten Gründen strikte tabu.

Auf den ersten Blick erscheint es durchaus plausibel, die Ergebnisse der Untersuchungsbehörden vor Gericht zu verwenden, schliesslich „steht dort ja alles“.

 

Nach meinem Wissensstand ist es eben gerade NICHT so, dass der Unfalluntersuchungsbericht als Grundlage verwendet werden darf. Nur die Fakten, die in der Unfalluntersuchung erhoben, müssen den Gerichten zur Verfügung gestellt werden (so steht es im Gesetz). Könntest Du mir a) zeigen, wo steht, dass der Untersuchungsbericht verwendet werden kann und b) ein paar Beispiele aus den letzten Jahren aufführen, wo jemand aufgrund des Unfallberichts (nicht aufgrund der Fakten, die sind ja für beide Verfahren (BFU und Justiz) die gleichen) verurteilt wurde.

 

Weiter würde mich interessieren, welche Länder dieses Problem besser gelöst haben wollen als die Schweiz: Auch in den angelsächsischen Ländern, welche den Vorbehalt zum Annex 13 bezüglich disclosure of records nicht machen, läuft der Faktenaustausch, den die ICAO eigentlich nicht möchte, trotzdem (z.B. über den freedom of information act). Nach meinem Wissenstand hat bezüglich non punitive culture nur Dänemark einigermassen gute gesetztliche Grundlagen - das betrifft aber v.a. das Meldewesen in den Fluggesellschaften und im ANSP - die Unfalluntersuchung ist nicht mit einbezogen.

 

 

Es wäre aber an der Zeit, hier einen Mittelweg zu finden, der eine saubere Trennung von Unfall- und Strafuntersuchung möglich macht. Im Konfliktfall aber muss ein sauberer Unfallbericht immer Vorrang haben, da dadurch Menschenleben gerettet werden können.

 

Das ist doch aber in der Schweiz der Fall: Vorbehältlich Deiner Beispiele bezüglich aufgrund des BFU-Berichts verurteilter Piloten oder Flugverkehrsleiter kenne ich keine Vermischung dieser Prozesse in der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft ist für die Behandlung der juristischen Seite zuständig. Sie untersucht parallel zum BFU die strafrechtlichen Aspekte. Und bezüglich der Flugverkehrsleiter bei denen ja der Boden der "Erfolgsort" ist und von daher der Kanton zuständig ist, haben doch einzelne Kantone bereits Fachgruppen von Staatsanwälten gegründet, welche die Untersuchung von Unfällen vom ersten Moment an an die Hand nehmen (parallel zur Unfalluntersuchung).

 

Ich lasse mich gerne belehren, aber ich habe den Eindruck, da machen wir wieder mal ein Problem, das so gar nicht exisitiert.

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Hallo Henry

 

Besten Dank für deinen Beitrag!

Es geht hier anhand eines Schuldspruches des Bundesstrafgerichts darum, wie sich Flugunfalluntersuchung und Strafuntersuchung/allfälliger Gerichtsfall gegenseitig beeinflussen.

Die ICAO hat natürlich nichts dagegen, wenn die reinen Fakten, die im Rahmen der Flugunfalluntersuchung erhoben werden, den Strafuntersuchungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, da sonst einfach alles doppelt gemacht werden müsste.

 

Aber aus gutem Grund gibt’s im Annex 13 die von dir erwähnte Einschränkung:

 

Paragragraph 5.12 Non-disclosure of records.

 

.... that the following records should not be made available for any purpose other than accident prevention:

a) All statements taken from persons by the investigation authorities in the course of their investigation.

b) All communications between persons having been involved in the operation of the aircraft

c) Medical or private information regarding persons involved in the accident or incident

d) Cockpit voice recordings and transcripts of such recordings

e) Opinions expressed in the analysis of information including flight recorder information.

 

Die Schweiz ist eben eines der wenigen Länder, die gegen diesen Paragraphen Widerspruch eingelegt haben, was gemäss Präambel möglich ist, und wendet ihn somit nicht an.

Innerhalb des letzten Jahres kommen mir 2 Bundesgerichtsprozesse - Pristina und eben Olbia- in den Sinn, in denen Piloten schuldig gesprochen wurden.

Auch wenn ich die genauen Faktoren und deren Gewichtung nicht kenne, die zu diesen Urteilen geführt haben, bleibt anzunehmen, dass diese Exemption des Para. 5.12 eine Rolle gespielt haben dürfte.

 

Natürlich muss sich auch ein Pilot der Justiz stellen, wenn z.B. grobe Fahrlässigkeit vermutet wird. Aber Vorliegen und Ausschlachten eines Unfallberichtes kann ihn gegenüber einem „normalen“ Angeklagten in eine Rechtsungleichheit versetzen. Der obenerwähnte Busfahrer z.B. kann gemäss StPO die Aussage verweigern, wenn er sich dadurch selbst belasten würde. Allein schon das Vorliegen eines CVR-Transskripts relativiert aber für den Piloten dieses Recht.

 

Soviel zur Beeinflussung der juristischen Abläufe durch den ungehemmten Zugriff auf den Untersuchungsbericht; aber dies ist gar mein Hauptanliegen.

 

Es fällt denn auch auf, dass in beiden erwähnten Fällen die beteiligten Piloten falsche oder zumindest zweifelhafte Angaben zum Ablauf gemacht haben, zudem haben die Piloten in Pristina die CVR-Aufzeichnung nach dem Vorfall NICHT gesichert und sie stand somit für eine lückenlose Aufklärung nicht zur Verfügung.

 

Der Punkt, auf den ich hinaus will, ist eben die umgekehrte Richtung. Dadurch, dass in einem Strafprozess –gegen die Empfehlung der ICAO- alles, was in einem Untersuchungsbericht steht, angewendet werden kann, wird die Bereitschaft Beteiligter stark beeinträchtigt, vorbehaltlos bei der Aufklärung mitzuwirken. Und es liegt auf der Hand, dass dies nicht zur Steigerung der Flugsicherheit –also dem eigentlichen Zweck derartiger Berichte- beiträgt.

 

Übrigens hat auch die niederländische NLR in ihrem Bericht 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die schweizerische Ausnahmeregelung zum oben genannten Paragraphen klar negativ auf die Flugsicherheit auswirkt und zu überdenken sei.

 

Zu guter Letzt hier noch ein kleiner Artikel, der aufzeigt, dass man sich auch andernorts Sorgen macht, dass die vermehrte Einmischung der Justiz in Flugunfälle sich negativ auf die Arbeit der Flugunfalluntersuchungsbehörden und somit auf die Flugsicherheit insgesamt auswirkt.

 

http://www.aviationtoday.com/asw/topstories/Accident-Investigators-Sign-Criminalization-Resolution_65883.html

 

 

Gruss

 

Ruedi

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Spitfire Mk XIX
Die Schweiz ist eben eines der wenigen Länder, die gegen diesen Paragraphen Widerspruch eingelegt haben, was gemäss Präambel möglich ist, und wendet ihn somit nicht an.

 

Dazu ist anzumerken, dass lediglich 19 Staaten weltweit überhaupt Abweichungen vom Annex 13 angemeldet haben. Bezüglich Kapitel 5.12 sind es immerhin Finland, Frankreich, Neuseeland, Portugal, Schweden, Vereinigten Staaten von Amerika, die Cook Islands, Monaco und die Schweiz ;). So sieht es tatsächlich aus, als sei die Schweiz - wie so oft - ein Sonderfall. Aber dem ist nicht so, denn lediglich 62 Staaten haben der ICAO gemeldet, dass sie den Annex 13 vollumfänglich anwenden, wobei darunter Staaten sind, die Kap. 5.12 ganz eindeutig nicht respektieren (Schöne Lippenbekenntnisse sind eben auch etwas...). Der grösste Teil der betroffenen Staaten (108) hat sich gar nie diesbezüglich geäussert und (die ICAO führt sie auf unter "from which no information has been received") - in nicht wenigen dieser Staaten ist das Problem virulent.

 

Schlussfolgerung daraus: Die Spannung zwischen Flugunfalluntersuchung und Justiz besteht in den meisten Staaten - ich bin allerdings bis heute der Überzeugung, dass in der Schweiz diese Problematik transparent und im Vergleich zu den meisten Staaten gut gelöst wurde und wird.

 

Auch wenn ich die genauen Faktoren und deren Gewichtung nicht kenne, die zu diesen Urteilen geführt haben, bleibt anzunehmen, dass diese Exemption des Para. 5.12 eine Rolle gespielt haben dürfte.

 

Aha: alles nur good guess whitout supporting facts...;) Zumindest wenn ich das Urteil des Bundesstrafgerichts bezüglich Pristinafall lese (es ist ja seit längerem publiziert) finde ich keinen Beleg für diese Annahme. Für den Olbia-Fall wird es in Kürze verfügbar sein - dort werden wir ja sehen. Aber bis heute kenne ich keinen Fall, wo jemand aufgrund der in Kap. 5.12 genannten Daten hätte verurteilt werden können.

 

 

Soviel zur Beeinflussung der juristischen Abläufe durch den ungehemmten Zugriff auf den Untersuchungsbericht; aber dies ist gar mein Hauptanliegen.

 

Mir ist kein konkreter Fall bekannt, in dem in der Schweiz jemand mit Hinweis auf den Untersuchungsbericht verurteilt werden konnte. Es gibt nämlich noch einen anderen Umstand, der den Untersuchungsbericht als "Beweismittel" zumindest stark entwertet: Er hat höchstens die Stellung eines "Gutachtens" (aus Sicht der Flugsicherheit), das erst noch explicit keine rechtliche Frage beantworten darf. Ein solches "Gutachten" kann problemlos mit einem "Gegengutachten" angefochten werden. Das ist übrigens in der Praxis schon passiert, z.B. beim Prozess gegen Skyguide bezüglich Überlingen.

 

Der Punkt, auf den ich hinaus will, ist eben die umgekehrte Richtung. Dadurch, dass in einem Strafprozess –gegen die Empfehlung der ICAO- alles, was in einem Untersuchungsbericht steht, angewendet werden kann, wird die Bereitschaft Beteiligter stark beeinträchtigt, vorbehaltlos bei der Aufklärung mitzuwirken. Und es liegt auf der Hand, dass dies nicht zur Steigerung der Flugsicherheit –also dem eigentlichen Zweck derartiger Berichte- beiträgt.

 

Grundsätzlich hast Du recht. Aber die Praxis zeigt, dass - auch wenn man dank besserem Rechtsschutz von unserer Justiz noch weniger zu befürchten hätte, als man es sonst schon muss :D - die Professionalität der Betroffenen oft nicht so weit geht, wie in CRM-Kursen gefordert: Im Zweifelfall erfindet der Betroffene oft lieber einige gute Ausreden, als zur Wahrheit zu stehen, die dann zweifellos der Flugsicherheit nützen würde. Die Tradition, einfach ohne Wenn und Aber zu sagen "Das war mein Hauptfehler, jenes war auch noch falsch und so werde ich es künftig verbessern" habe ich bisher in dieser Klarheit und Offenheit eigentlich nur in der Luftwaffe erlebt. Neben der rechtlichen Situation braucht es für eine solche Haltung auch ein gesundes - nicht ein übertriebenes! - Selbstbewusstsein und Zivilcourage (beides Dinge, die nicht zusammen mit jeder Piloten- oder Flugverkehrsleiterlizenz verteilt werden, wie mir scheint. Ja nicht einmal jeder Manager oder "Posthalter" eines Flugbetriebsunternehmens verfügt nach meiner zweifellos bescheidenen Erfahrung zwangsläufig darüber...;))

 

Übrigens hat auch die niederländische NLR in ihrem Bericht 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die schweizerische Ausnahmeregelung zum oben genannten Paragraphen klar negativ auf die Flugsicherheit auswirkt und zu überdenken sei.

 

Einverstanden, vorbehältlich der oben erwähnten Einschränkungen. Nur, dieser Vorbehalt müsste durch eine Änderung des Strafrechts aufgehoben werden. Und die müsste von einem Parlament beschlossen werden, das zu einem beträchtlichen Teil aus Juristen besteht. Juristen, die möglicherweise befürchten würden, dass sie künftig weniger zu tun haben, weil keine Piloten oder Flugverkehrsleiter mehr vor Gericht gezerrt werden können...:D

 

Gruss Dan

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