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6.6.2013 | Segelflugzeug / Mooney | Schinznach | Zusammenstoss in der Luft


mds

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In der Tat. Aber das ist in der Luftfahrt vergleichsweise üblich, es ist nun mal nicht das Tagesgeschäft der Justiz. Es gibt einen erheblichen Prozentsatz haarsträubender Urteile in der Luftfahrt.

Ich habe auch den Eindruck, der Richter hat nicht genau verstanden was bestimmte Aussagen im Untersuchungsbericht bedeuten. Viele der Aussagen sind unspezifische Antworten auf die Anforderungen der ICAO, und werden routinemäßig gemacht, ohne mit dem Unfall notwendigerweise im Zusammenhang zu stehen. Die 30km Sicht zum Beispiel werden im Rahmen der "Meteorologischen Aspekte" als Fakt aufgeführt, aber gar nicht mit dem spezifischen Unfall in Zusammenhang gesetzt. Der Richter hat diesen Satz als "die hätten sich sehen müssen" verstanden, dabei wollte er wohl nicht viel mehr sagen als "die Flugzeuge waren legal in VMC unterwegs". Sowas passiert, wenn Flugunfalluntersuchung und Justiz vermischt werden.

 

Man kann heute schon froh sein, wenn ein Richter nicht den Segelflieger verurteilt, weil der ja das FLARM hatte und die Kollision damit hätte verhindern können...

 

Ob es in diesem Fall Gutachten gab, weiss ich nicht. (Gutachten sind teuer …)

Dann wären weitere CHF 15000 bei den Kosten aufgeführt...

 

Gruß

Ralf

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Das Urteil ist ein Skandal, das offenbar ohne Verständnis der Zusammenhänge gefällt wurde.

 

Der Vorwurf gilt allerdings ganz klar der Sust und nicht dem Gericht!

 

Wenn im Abschlussbericht steht: 

Der Unfall ist auf eine Kollision zwischen einem Segel- und einem Motorflugzeug zurückzuführen, weil die beiden Besatzungen den Luftraum zu wenig aktiv über- wachten

Dann hat ein Richter eigentlich keine andere Wahl mehr, als solch ein Urteil zu fällen.

 

Florian

Bearbeitet von Chipart
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Nun, jeder Unfall muss einen Grund haben, von daher hat auch die SUST eigentlich keine andere Wahl, als so einen Bericht zu erstellen.

Ziemlich klarer Grund bei einer Kollision in VMC im unkontrollierten Luftraum ist mangelnde Luftraumbeobachtung. Das heisst aber keinesfalls, das hier schuldhaft gehandelt wurde.

 

Das Problem sind die Leute, die den Unterschied zwischen den Systemen nicht verstehen.

 

Gruß

Ralf

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Die meisten Menschen sind Strassenverkehrsteilnehmer - und glauben daher wahrscheinlich, sie würden da etwas vergleichbares zur Luftraumbeobachtung leisten.

 

Tun sie aber nicht:

Im Strassenverkehr klappt see-and-avoid nur, weil die meiste Zeit ein null-dimensionaler Punkt beobachtet werden muss. Der Vorausfahrende, oder ein Punkt in einem bestimmten Abstand vor sich auf der Strasse.

 

An Kreuzungen müssen ein-dimensionale Linien beobachtet werden. Das können die Menschen schon nur noch mit Hilfe von Ampeln oder Vorfahrtsregelungen, die die Linie wieder auf einen zu beobachtenden Punkt reduzieren.

 

Eine zwei-dimensionale Fläche zu beobachten, ist nochmal viel schwieriger. Eine absolut unmenschliche Forderung.

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Dieses Urteil hat nach meiner Ansicht eine starke Signalwirkung.

Setzten wir dieses doch mal vor den Hintergrund der neuen generellen Vorfall-Meldepflicht. Wir sind ja inzwischen vepflichtet jegliche Art von Vorfällen auch der allerkleinsten Art unverzüglich zu melden. Das werde ich mir aber in Zukunft vorher mindestens zwei Mal überlegen. Ich setze mich doch nicht freiwillg einer solchen Behörde aus um am Ende noch dafür eine Strafe zu kassieren!

Die Kultur aus Fehlern zu lernen, so wie sie die Aviatik erwiesenermassen über Jahrzehnte zu einem enormen Fortschritt verholfen hat, wird mit diesem Urteil zu Nichte gemacht.

Kevin

 

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Das sehe ich auch so. Der Geist des ICAO Annex 13 wird damit in der Schweiz abgeschafft. Nicht mehr die Unfallverhinderung aus dem Lernen von Fehlern anderer sondern die Strafe steht im Vordergrund. Piloten werden kriminalisiert.

 

Das ist ein verheerender Rückschritt. Bisher war für sowas richtigerweise Vorsatz oder Grobfahrlässigkeit nötig.

 

Auch im Zusammenhang mit der Strafverfolgung eines Skyguide Lotsen ist das gleiche Signal gesendet. Safety Kultur weicht der Angstkultur.

 

Auch die Arbeit des SUST wird dadurch maßiv erschwert. Sie sind ja auf die Kooperation der Beteiligten angewiesen. Dies wird nun wohl sehr viel schwieriger.

 

Ein schlechter Tag für die Luftfahrt in der Schweiz.

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@Urs: Die SUST ist an dieser Entwicklung leider nicht unschuldig. Was das Urteil betrifft, so wäre eine schriftliche Begründung hilfreich. Wir werden sehen, ob es eine schriftliche Begründung geben wird …

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Auch die Arbeit des SUST wird dadurch maßiv erschwert. 

 

Wobei sie daran selber schuld sind. 

 

Grundlage der Anklage (und damit auch des Urteils) ist nicht, dass ein "Fußgänger" gedacht hat, er wisse was übers Fliegen, sondern dass die Sust beiden Piloten im Unfallbericht schriftlich bescheinigt hat, den Luftraum zu wenig aktiv überwacht zu haben. Wenn diese mutmaßliche Versäumnis der Piloten so offensichtlich im Bericht steht, dann ist es relativ schwer das im Gericht umzukehren - Gerade bei einem Richter, der von Luftfahrt wenig Ahnung hat und deswegen im Zweifel nicht denkt: "Ich weiss es besser als die Experten der Sust" - das im Gericht umzukehren.

 

Es ist von aussen natürlich nicht zu beurteilen, ob das tatsächlich der Fall war, oder ob jemand bei Sust hier zwei Piloten durch unbedachte Wortwahl im Bericht ins Verderben gejagt hat.  

 

Florian

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Es stellt sich die Frage, ob die Betroffenen überhaupt luftfahrterfahrene Anwälte hatten, und falls ja, wofür diese dann ihr Geld bekommen haben.

 

Es ist mit 15 Minuten bei Google bzw. Google Scholar einfach, haufenweise wissenschaftliche Literatur zu finden, die fundiert darlegt, warum eine Luftraumbeobachtung allein nicht zur Kollisionsvermeidung ausreicht. Man braucht also nicht einmal einen eigenen Gutachter, um diesen Punkt auszuräumen; es genügt, diese fixfertigen Studien als Beweismittel einzubringen. Das muss der Staatsanwalt dann erst einmal entkräften. Das dürfte schon schwierig werden, da man nicht beweisen kann dass ein Pilot allein durch sorgfältige Luftraumbeobachtung jegliche Kollisionen vermeiden kann. Zumal wenn es sich noch um ein Segelflugzeug handelt und nicht um einen A380.

 

Und dann müsste man den Verfasser des Untersuchungsberichts bei der SUST als Zeugen einladen und befragen, was ihn zu diesem ausserordentlich gewagten (um nicht zu schreiben: dämlichen) Statement zur Unfallursache bewogen hat, da im Unfallbericht ja überhaupt nicht ausgeführt wird, inwiefern die Luftraumbeobachtung nicht oder nur unzureichend war. Diese Aussage und die allenfalls genannten Beweise dafür müsste man dann entsprechend würdigen.

 

Oder hat das keiner kommen sehen und alle dachten, sie kommen da einfach so wieder aus den Mühlen der Justiz heraus?

Wobei sie daran selber schuld sind.

Immer die absolut wichtigste Frage, wenn es um Flugsicherheit geht.  :angry:  Wir haben jetzt alle den Salat, und werden eben künftig den Preis dafür mit einer schlechteren Fehlerkultur und daraus resultierend abnehmenden Sicherheit zahlen. Wobei wir hier in Europa sowieso schon lange von den vorbildlichen Verhältnissen in den USA und der guten Arbeit des NTSB profitieren (bzw. freeriden). Nicht auszudenken, wo die Sicherheit in der GA sonst stünde, wären wir hier auf uns allein gestellt.

Bearbeitet von F-LSZH
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Hier noch mal der entsprechende Abschnitt aus dem Untersuchungsbericht:

2.2 Menschliche und betriebliche Aspekte

2.2.1 Das Prinzip von see and avoid
Wenn im Luftverkehr nach Sichtflugregeln geflogen wird, was für beide an der Kollision
beteiligten Luftfahrzeuge zutraf, gilt zur Kollisionsvermeidung das bekannte
Prinzip „see and avoid“. Kernelement bei diesem Prinzip ist die Fähigkeit eines
Piloten, andere Luftfahrzeuge zu sehen, Kurs und Geschwindigkeit abzuschätzen
und daraus dann die für die Situation richtige Aktion abzuleiten. Erschwerend kam
hier dazu, dass sich die beiden Flugzeuge über längere Zeit auf Kollisionskurs befanden.
Dies bedeutet, dass sich ein Flugzeug im Sichtfeld des Beobachters aus
dem anderen Flugzeug kaum bewegt (stehende Peilung). In Anlage 1 ist dies anhand
der parallelen Distanzlinien zwischen den Flugzeugen zum selben Zeitpunkt
gut zu erkennen. Die HB-3373 befand sich für die Besatzung der HB-DFP während
dieser Zeit in Flugrichtung 30 °vor ihnen links über der Horizontlinie in einem Gebiet,
das bei einer aktiven Luftraumbeobachtung durch Absuchen (scanning) üblicherweise
abgedeckt wird. Demgegenüber befand sich die HB-DFP für den Segelflugpiloten
in Flugrichtung 60 ° rechts von ihm, in einem Gebiet, das im Geradeausflug
eher mit sekundärer Luftraumbeobachtung abgedeckt wird. Die beiden
Flugzeuge wurden für das menschliche Auge frühestens ab einem Distanzbereich
von 6 bis 3 km, d. h. etwa ab 80 bis 40 Sekunden vor der Kollision allmählich erkennbar.
Ohne seitliche Kopfbewegungen der Besatzung der HB-DFP war im vorliegenden
Fall jedoch die Silhouette der HB-3373 bis rund 5 Sekunden vor dem
Zusammenstoss nicht sichtbar. Sie war vollständig von Streben bzw. Magnetkompass
überdeckt, wie in Anlage 6 und 7 eindrücklich ersichtlich ist.
 
Die Erwartungshaltung zur Erkennbarkeit und Wahrnehmung anderer Luftfahrzeuge
muss zu jeder Zeit während eines Fluges der jeweiligen Situation neu angepasst
werden. Schon bei der Flugplanung sollte die Erwartungshaltung miteinbezogen
werden, insbesondere bei der Planung einer Flugroute durch ein von Segelflugzeugen
häufig beflogenes Gebiet oder nahe an einem stark frequentierten
Flugplatz vorbei.
 
Zur Erkennung von potenziellen Kollisionsrisiken gibt es heute Systeme, die der
Besatzung Verkehrshinweise geben und die Besatzung vor bevorstehenden Kollisionen
akustisch und optisch warnen. Dies setzt jedoch voraus, dass die verwendeten
Systeme kompatibel sind. Im vorliegenden Fall war dies einerseits nicht gegeben,
weil das Kollisionswarnsystem im Segelflugzeug das Transpondersignal
des Motorflugzeuges systembedingt nicht empfangen konnte. Andererseits war im
Motorflugzeug kein System vorhanden, das die Besatzung vor einer möglichen
Kollision hätte warnen können.

Wie man von diesen zwar teils etwas verschwurbelten ("Schon bei der Flugplanung sollte die Erwartungshaltung miteinbezogen werden" - ?), aber im Ansatz richtigen Betrachtungen zu dem folgenden Schluss kommen kann, bleibt wirklich rätselhaft:

Der Unfall ist auf eine Kollision zwischen einem Segel- und einem Motorflugzeug

zurückzuführen, weil die beiden Besatzungen den Luftraum zu wenig aktiv überwachten.

 

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Es ist mit 15 Minuten bei Google bzw. Google Scholar einfach, haufenweise wissenschaftliche Literatur zu finden, die fundiert darlegt, warum eine Luftraumbeobachtung allein nicht zur Kollisionsvermeidung ausreicht. 

Das ist ja durchaus richtig, darum ging es im vorliegenden Prozess aber nicht. Es ist hier gerade nicht der Fall, dass es trotz hinreichender Luftraumbeobachtung zu einem Unfall kam, sondern die Sust als neutraler Untersucher hat - wie auch immer - festgestellt, dass die Luftraumbeobachtung nicht ausreichend war. 

 

Dagegen gibt es nur zwei mögliche Verteidigungen: Entweder, man kann darlegen, dass es den Piloten auf Grund außergewöhnlicher Umstände in diesem Fall nicht möglich war, eine hinreichende Luftraumbeobachtung durchzuführen - dass wäre z.B. dann der Fall, wenn der Pilot durch ein technisches oder medizinisches Problem seine Aufmerksamkeit dringender auf etwas anders lenken musste. 

Oder man weisst vor Gericht nach, dass das Untersuchungsergebnis der Sust falsch war und die Piloten sehr wohl den Luftraum hinreichend beobachtet haben - was auf eine extrem aufwändige Gutachterschlacht hinaus läuft. 

 

Florian

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Das ist ja durchaus richtig, darum ging es im vorliegenden Prozess aber nicht. Es ist hier gerade nicht der Fall, dass es trotz hinreichender Luftraumbeobachtung zu einem Unfall kam, sondern die Sust als neutraler Untersucher hat - wie auch immer - festgestellt, dass die Luftraumbeobachtung nicht ausreichend war.

Ja und? Wenn selbst 100 %-ig korrekte Luftraumbeobachtung nicht zum Ausschluss des Kollisionsrisikos führt, welche Relevanz hat dann eigentlich noch die Feststellung der SUST, dass die Luftraumbeobachtung nicht ausreichend war? Mit anderen Worten, die Schlussfolgerung der SUST in ihrer suggerierten Kausalität ("weil die beiden Besatzungen den Luftraum zu wenig aktiv überwachten") ist aufgrund des Standes der Wissenschaft so schon eine Contradictio per se.

 

Analoges Beispiel: Man kann durch die Vergrämung von Vögeln im Umfeld von Flughäfen das Risiko von Birdstrikes verringern. Man wird dadurch das Risiko aber nie auf 0 senken können. Fliegt jetzt doch mal ein Vogel in ein Triebwerk, wäre es genauso vermessen zu schreiben: "Der Unfall ist auf eine Kollision zwischen einem Vogel und einem Motorflugzeug zurückzuführen, weil der Flughafen den Vogel zu wenig aktiv vergrämt hat".

Bearbeitet von F-LSZH
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Wobei sie daran selber schuld sind.

 

Der ICAO Annex 13 sagt dazu ganz klar, dass die Berichte eines SUST/AAIB/NTSB eben N I C H T der rechtlichen Würdigung dienen sollen, sondern der Erhöhung der Flugsicherheit. Also ist nach Annex 13 bereits unstatthaft, dass ein Bericht, der nach diesem Grundsatz erstellt wurde, von Gerichten zur Bestrafung herangezogen wird. International ist die Praxis dazu von den jeweiligen Behörden abhängig, ebenso die Usanz dazu, heisst, wie man es pro Staat eben handhabt.

 

Bisher war diese Usanz eher so, dass in Fällen von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz die Gerichte zum Zug kamen, ansonsten allenfalls die Luftfahrtbundesämter bei genügendem Verschulden allfällige Bussen aussprachen. Klar endeten solche Dinge gelegentlich auch vor Gericht, aber nicht in der Form wie das jetzt passiert ist.

 

Hier hat von Anfang an eine Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet, welches parallel zum SUST lief und dann aufbauend auf den SUST Bericht ein Urteil fand. Dabei wurden BEIDE Piloten bestraft.

 

Die Message, die mit dem heraus geht ist damit sonnenklar: Wer in Zukunft in einen Vorfall verwickelt ist, der vom SUST untersucht wird, läuft ein enormes Risiko, wenn er sich der Sicherheit zuliebe ehrlich und kooperativ verhält und im Interesse der Ursachenfindung mit dem Zweck zur Vermeidung weiterer ähnlicher Vorfälle ehrlich und offen den Fall darstellt und allenfalls dabei sogar eine Schuld eingesteht. Darauf das dies eben möglich sein sollte gründet der Annex 13.

 

Die Message der Schweizer Justiz ist nun aber eine andere. Zwei Piloten haben ohne Vorsatz und wohl auch nicht grobfahrlässig einen Unfall verursacht, weil ihre Luftraumbeobachtung gemäss SUST nicht ausreichte, diesen zu verhindern. BEIDE werden dafür empfindlich bestraft und damit kriminalisiert.

 

Wem nützt das? Wie wird dieser Unfall nun von anderen Piloten, die aus dem SUST Bericht lernen sollten, gelesen?

 

Die wohl hauptsächliche Folgerung davon wird die sein, dass man jetzt weiss, dass man in der Schweiz durch Kooperation mit dem SUST mit grosser Wahrscheinlichkeit vor dem Strafrichter endet. GENAU DAS will der Annex 13 nicht.

 

Für das SUST wird die Sache ebenfalls zur Gewissensfrage. Wird man einen wirklichen Grund für einen Unfall nach wie vor mit Hinblick auf zukünftige Unfallverhütung vollumfänglich darlegen oder wird man in Zukunft die Lehren aus diesem und dem Skyguide Fall gezielt oder auch unbewusst in die Ursachenfindung zukünftiger Unfälle einfliessen lassen?

 

Und dazu kommt, dass das SUST nun wohl bei seinen Befragungen von an Unfällen beteiligten Personen nicht mehr davon ausgehen kann, dass von Aviatiker zu Aviatiker eine in beidseitigem Interesse möglichst gute Ursachenfindung stattfindet, sondern sich bei den Befragungen mit Anwälten oder gleich völliger Verweigerung jeglicher Aussage konfrontiert sehen.

 

Was hier her muss ist wohl eine Gesetzesanpassung, die die Verwendung von Unfallberichten zur Strafverfolgung anders regelt. Oder aber, die Berichte des SUST dürfen in Zukunft nur noch, wie etwa in Deutschland, annonymisiert erscheinen und entziehen sich damit dem Zugriff der Staatsanwälte.

 

Wie problematisch das Zusammenspiel von Unfalluntersuchungsbehörden und Gesetzeshütern sein kann, das kennt man nicht erst aus diesem und dem Skyguide Fall. Auch in den USA und etwa Frankreich hat es Fälle gegeben, wo Staatsanwaltschaften Flugunfalluntersuchungen an sich gerissen und damit zumindest initial heftig behindert haben, etwa im Fall der Germanwings oder aber auch im Falle TWA 800, wo das FBI seinerzeit das NTSB vorübergehend als Untersuchungsbehörde vom Platz stellte. Auch in Aegypten sieht man solche Konflikte etwa im Fall Metrojet aber auch im Fall der Egypt Air im Mittelmeer.

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Wir haben jetzt alle den Salat, und werden eben künftig den Preis dafür mit einer schlechteren Fehlerkultur und daraus resultierend abnehmenden Sicherheit zahlen. Wobei wir hier in Europa sowieso schon lange von den vorbildlichen Verhältnissen in den USA und der guten Arbeit des NTSB profitieren (bzw. freeriden). Nicht auszudenken, wo die Sicherheit in der GA sonst stünde, wären wir hier auf uns allein gestellt.

 

Das kann man behaupten, ist aber extrem schwer zu belegen. 

 

Ja, die GA in den USA ist (gemessen an Unfällen je 100.000 Stunden) sicherer, als in Europa. Was dafür die Ursachen sind, ist allerdings relativ schwer zu ermitteln: Ausser dem ASRS, das ja immer wieder von den Gegner von Strafen für Piloten ins Feld geführt wird, gibt es eine ganze Reihe anderer gewichtiger Unterschiede, wie z.B.: Ganz andere Flughafeninfrastruktur mit längeren Bahnen, ein deutlich höheren Anteil der Profis (Geschäftsfliegerei) an der gesamten GA, andere Ausbildung, ein teils deutlich drakonischeres Strafsystem (flieg mal in ein vor 2 Stunden spontan eingerichtetes Flugbeschränkungsgebiet ein...) und vieles mehr.

 

Was das ASRS betrifft, ist die Datenlage extrem schwierig: In den 20 Jahren vor seiner Einführung ist (1957-1977) ist die Rate der tödlichen GA-Unfälle (je 100.000 Flugstunden) von 4,0 auf 2,09 gesunken (48%). In den 20 Jahren danach von 2,09 auf 1,37 (34%).

Auch im 10 Jahreszeitraum 67-77 vs. 77-87 sieht es mit 23% vs. 22% nicht fundamental anders aus. Die Aussage, dass das ASRS zu einem signifikanten Rückgang der Unfälle geführt hätte, ist mit Daten nicht belegbar - vielmehr hat sich durch eine Vielzahl von Massnahmen die Flugsicherheit in den USA über die letzten Jahrzehnte sehr kontinuierlich verbessert.

 

Zudem darf man die Safety-Kultur ja auch nicht falsch verstehen: Warum sollte man Menschen für Dinge, die sie offensichtlich gemacht haben nicht entsprechend zur Rechenschaft ziehen? Dadurch geht keine Information oder Reflexion verloren.

Bei der Safety-Kultur geht es vielmehr darum, durch Vermeidung einer Bestrafung Fehler ans Licht zu bringen, die gar kein anderer mitbekommen hätte (und deswegen auch nicht davon lernen könnte), wenn der betroffene Pilot sie nicht selber gemeldet hätte. 

Deswegen ist es - wie es das ASRS-System übrigens auch genau vorsieht - für die Safety-Kultur völlig ausreichend, wenn die Piloten bei "Selbstanzeigen" geschützt werden, die sie vor Beginn einer offiziellen Ermittlung einreichen. In dem Moment wo schon ermittelt wird, also ohnehin keine Gefahr mehr besteht, dass der Vorgang nicht bekannt wird, braucht es auch keinen Verfolgungsschutz mehr.

 

Was in diesem Fall viel wichtiger ist, als philosophieren über Safety-Kultur und jammern über die Ungerechtigkeit, dass Piloten überhaupt bestraft werden können, ist die Anpassung des Schweizer Strafrechts! Hier kann ausnahmsweise mal Deutschland ein Vorbild sein: Es kann nicht sein, dass schon leichte Fahrlässigkeit in solchen Fällen zwangsläufig zur Bestrafung führen muss - eine Beschränkung der Strafbarkeit auf gravierende Pflichtverletzungen wie in Deutschland würde der Sache deutlich besser gerecht!

 

Florian

 

P.S.: Btw musst Du mal erklären, was in diesem Fall in den USA eigentlich anders gelaufen wäre. Das ASRS schützt ja ganz explizit nicht vor strafrechtlicher Verfolgung - und ich hab noch mal nachgelesen: Bei Flugunfällen schützt das ASRS nicht mal vor der FAA. 

Bearbeitet von Chipart
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Der ICAO Annex 13 sagt dazu ganz klar, dass die Berichte eines SUST/AAIB/NTSB eben N I C H T der rechtlichen Würdigung dienen sollen, sondern der Erhöhung der Flugsicherheit. Also ist nach Annex 13 bereits unstatthaft, dass ein Bericht, der nach diesem Grundsatz erstellt wurde, von Gerichten zur Bestrafung herangezogen wird. 

 

Da interpretierst Du aus meiner Sicht zu viel in den Annex 13 rein. Der sagt (in Absatz 3.1) ja lediglich:

 

It is not the purpose of this activity to apportion blame or liability. 

Das bedeutet aber bei weitem nicht, dass die Ergebnisse nicht von anderen Stellen dafür herangezogen werden dürfen, wenn es um Schuldfragen geht. 

Ganz im Gegenteil. 

In 5.10 weist der Annex 13 sogar ausdrücklich darauf hin, dass sich die Unfalluntersucher mit den entsprechenden "judicial authorities" abstimmen sollen. 5.11. geht sogar noch weiter und verpflichtet die Unfalluntersucher sogar, von sich aus die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten (sogar "immediately"), wenn  der Verdacht entsteht, dass ein Gesetzesverstoss vorliegen könnte.

5.11 listet schliesslich sehr exakt auf, welche Daten nicht an Strafverfolgungsbehörden weiter gegeben werden sollen (insb. Gesprächsprotokolle, persönliche medizinische Daten, ...) und deswegen auch nicht im Abschlussbericht aufgeführt werden sollen.

 

Der Abschlussbericht aber soll nach Annex 13 weiter gegeben werden und es spricht überhaupt nichts in Annex 13 dagegen, dass dieser auch in einem Strafverfahren verwendet wird.

 

Florian

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Man kann heute schon froh sein, wenn ein Richter nicht den Segelflieger verurteilt, weil der ja das FLARM hatte und die Kollision damit hätte verhindern können...

 

FLARM sieht nur andere FLARM-Partner, nicht aber Transpondersignale. Dafuer braeuchte es Power-FLARM und das hat kein Segler an Bord.

 

Was das Urteil betrifft: Sollte ich in der Schweiz mal einen Vorfall haben und die SUST steht auf der Matte, dann gibt es von mir nur Angaben zur Person. Das ist meine Lehre aus diesem Skandalurteil.

 

 

Chris

Bearbeitet von Pioneer300
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! Hier kann ausnahmsweise mal Deutschland ein Vorbild sein: Es kann nicht sein, dass schon leichte Fahrlässigkeit in solchen Fällen zwangsläufig zur Bestrafung führen muss - eine Beschränkung der Strafbarkeit auf gravierende Pflichtverletzungen wie in Deutschland würde der Sache deutlich besser gerecht!

Einverstanden. Genau so wäre eigentlich auch die Idee der öffentlichen Reports. Man soll aus diesen lernen können. Sie sind nicht dazu da, den Beteiligten einen Strick draus zu drehen.

 

 

Was das Urteil betrifft: Sollte ich in der Schweiz mal einen Vorfall haben und sie SUST steht auf der Matte, dann gibt es von mir nur Angaben zur Person. Das ist meine Lehre aus diesem Skandalurteil.

 

 

QED.

 

Das SUST wird wohl in näherer Zeit sehr viel mehr Probleme haben, die für sie nötige Kooperation zu bekommen. Wäre allenfalls auch ein Thema für das AOPA Safety Seminar im Februar.

 

 

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Lieber Urs, ich finde die ganze Geschichte schlicht vom Ergebnis her fragwürdig und habe das gleiche ungute Gefühl wie Du. Wo du aber juristisch nicht richtig liegst, ist bei Deinen Aussagen zu SUST-Berichten: Du sagst selber, SUST-Berichte sollen keine RECHTLICHE Beurteilung vornehmen und genau das tut er hier auch nicht. Als Basis für die Ermittlung des (aviatisch/technischen) SACHVERHALTS dienen sie aber sehr wohl.

Beste Grüsse

Stephan

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Mangelnde Luftraumbeobachtung, das ist ja lachhaft. Gerade Segelflieger, die beim kurbeln mit anderen Fliegern eng im selben Aufwindkreis sind, machen aus Gewohnheit immer eine seriöse Luftraumbeobachtung. Und Flarm nützt nur, wenn beide Flieger eines haben.

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Mangelnde Luftraumbeobachtung, das ist ja lachhaft. Gerade Segelflieger, die beim kurbeln mit anderen Fliegern eng im selben Aufwindkreis sind, machen aus Gewohnheit immer eine seriöse Luftraumbeobachtung. 

 

Lieber Willi,

 

leider sind es genau solche Aussagen, die unsere ganze Community öffentlich in Misskredit bringen. Behauptungen wie "es kann gar nicht sein, dass es auch nur einen einzigen Piloten gibt, der seine Pflichten vernachlässigt, weil wir Piloten "aus Gewohnheit" uns immer an alle Regeln halten" sind nicht nur objektiv völliger Unsinn, sondern prägen das Bild einer arroganten Pilotenschaft, die sich für was besseres hält und deswegen eine Be- und Verurteilung durch ein von Fußgängern geprägtes Rechtssystem ablehnt. Schlimmer kann es nicht sein!

 

Doch: Auch Segelflieger machen hin und wieder Fehler. Und es soll sogar Piloten geben, die grob fahrlässig oder absichtlich Gesetze missachten oder brechen. Anstatt uns im falsch verstandenen Corpsgeist schützend vor diese zu stellen müssen wir die ersten sein, die hier Aufklärung und Ahndung fordern.

Nur dann haben wir eine Chance, dafür zu sorgen, dass die Gesetze vernünftig gestaltet werden und eben nur grobe Verfehlungen und nicht leichte Fehler unter Strafe gestellt werden.

 

Aus meiner eigenen Erfahrung - sowohl als Mitfliegen als auch zugegebenermassen als PIC - weiss ich nur zu gut, dass mangelnde Luftraumbeobachtung keineswegs lachhaft sondern ernste Realität ist. 

Ich kann nicht beurteilen, in wie weit eine solche im hier diskutierten Fall vorgelegen hat - und wundere mich, wie die Sust das beurteilen kann - aber möglich ist es durchaus. 

 

Florian

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Florian,meine Feststellung hat gar nichts mit Arroganz zu tun, aber ich kenne den Segelflieger persönlich und kann darum den Vorwurf des Gerichtes nicht verstehen. 

Und es soll sogar Piloten geben, die grob fahrlässig oder absichtlich Gesetze missachten oder brechen.

 

Sollte es solche Piloten geben und jemand weiss davon, Lizenz entziehen, aber zuerst muss ja auch einer hinstehen und seine Meinung kundtun.

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Das Gericht hat den SUST-Bericht offenbar nicht aufmerksam genug oder nur stellenweise gelesen. Selbst als Blinder mit Krückstock erkennt man doch, dass die abschliessende Beurteilung ("Luftraum zu wenig aktiv überwacht") das totale Gegenteil der Untersuchungsergebnisse des Falls darstellen: Die gegnerische Maschine konnte aufgrund des Winkels, der Streben im Cockpit und weiterer Faktoren erst ca. 5 Sekunden vor dem Zusammenstoss erkannt werden.

 

Was soll das?

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Florian,meine Feststellung hat gar nichts mit Arroganz zu tun, aber ich kenne den Segelflieger persönlich und kann darum den Vorwurf des Gerichtes nicht verstehen. 

 

Ich kenne keinen einzigen Menschen - allen voran mich selber - von denen ich ausschliessen kann, jemals durch Unkonzentriertheit Fehler zu machen. Ich glaube Dir gerne, dass dieser Pilot (der ja auch hier schreibt) ein sehr umsichtiger, gewissenhafter und guter Flieger ist. Dennoch kann man daraus nicht schliessen, dass es unmöglich ist, dass er in dieser einen Situation eben doch nicht aufmerksam genug war. Das passiert nicht nur uns allen sondern auch den Besten!

 

Sollte es solche Piloten geben und jemand weiss davon, Lizenz entziehen, aber zuerst muss ja auch einer hinstehen und seine Meinung kundtun.

Wenn wir allen Piloten gleich die Lizenz entziehen, wenn sie absichtlich über MTOW starten, dann gute Nacht! Sorry, aber es gibt in einigen Bereichen bei uns geradezu eine Kultur der Missachtung von Vorschriften!

 

Florian

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