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Wann dürfen Sie auch mal richtig fliegen? - Als Copilot auf der 777


HB-JNB

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Copiloten haben es schwer, dass weiss nur, wer diesen Job ein paar Jahre gemacht hat. Seit Dire Straits die Copiloten-Hymne schlechthin geschrieben haben (money for nothing – chicks for free), weiss die ganze Welt, was da vorne im Karbäusschen scheinbar so abläuft.

Auch wenn der Ralf mit dem grossen Volumen nicht weiss, was Piloten innereuropäisch und interkantonal lernen können, setzten wir uns über die vermeintliche Expertenmeinung hinweg und bilden frisch ausgecheckte Piloten auf dem Interkontinentalflugzeug interkantonal und innereuropäisch aus.

 

Da kommt es schon vor, dass wir an einem Tag vier Teilstrecken blochen und am Ende des Tages weniger Flugstunden verbuchen als die Kollegen, die gemütlich nach Montreal schipperten. Mit dem Ergebnis, dass wir müder, hungriger und vermutlich auch aviatisch zufriedener sind.

 

Doch ganz der Reihe nach. So ein Kurzstreckentag beginnt wie immer im Operationscenter an der Kaffeemaschine. Für einen Franken gibt es dort genüsslichen Bohnenkaffee und die neusten Gerüchte aus bestens informierten Kreisen kostenlos. Wenn man an einem Morgen mit grosser Selbstsicherheit behauptet, dass ab Winterflugplan Hawaii angeflogen wird, treffen im Mitarbeiterreisebüro am Nachmittag die ersten Reservationen ein.

Zum Kaffeetrinken bleibt kaum Zeit. Da ich als Copilot fliege und einen Kollegen auf dem Kapitänssitz in die Geheimnisse des schönsten Flugzeugs der Welt (jawohl!) einführe, bin ich auch für den Papierkram zuständig.

 

Ausgerüstet mit viel Information treffen wir im Kabinenbriefing ein. Es hat zuviele leere Sitze – in Oerlikon hat es gebrannt.... Ohalätz, wenn das nur keine Verspätung gibt. Kaum am Flugzeug angekommen, beginnt der harte Alltag des Copiloten. Man muss wissen, dass die Boeing Flugzeuge – zumindest die mir bestens bekannten Modelle 747 und 777 – richtige Kapitänsflugzeuge sind. Das heisst konkret, dass der Alte sich langsam am Arbeitsplatz einrichtet, während der Junge (was sich in meinem Fall nicht als ganz korrekt herausstellt) arbeitet wie ein Eichhörnchen unter Speed. Crewbunk checken, Sicherheitstüre checken, FMS laden, Knöpfe auf die richtige Position bringen, Push-Back-Fahrer die Zeitung bringen, noch einmal alles Checken, wieder Schalter überprüfen, das Wetter einholen, die Flugpläne aktivieren und just in dem Moment, als der letzte Schalter richtig steht, sagt der Kapitän: PREFLIGHT CHECKLIST. Ich bin schon das erste Mal müde.

 

Die nächste halbe Stunde müssen die vielen Pferdchen der 777 gezüglet werden. Sobald der erste Motor läuft, dreht sich alles um die Übermotorisierung. Das Rollen auf dem Boden muss mit Gefühl gemacht werden. Beim Auflinieren auf die Piste 28 ja kein Gas geben, sonst stehen die schönen Businessjets unverzollt in der Halle des Cargo Ost.

 

Ob Genf oder Frankfurt, ob Prag oder Hannover, ob Athen oder Barcelona – die Kiste steigt wie ein Rennpferd und will gezügelt werden. Kaum gelandet streckt der Kapitän zufrieden die Glieder und beginnt unter kritischen Blicken einer hübschen Kollegin die Umschulung auf die Nespressomaschine. Derweil widmet sich der Copilot wieder den Knöpfen, den Schaltern, dem Wetter, der Flugplanung, der Programmierung und den Passagierzahlen. Kaum fertig – sie ahnen es: PREFLIGHT CHECKLIST.

 

Nach zwei Teilstrecken verlässt uns die erste Kabinencrew und es kommen frische Gesichter. Hallo dort, Küsschen da; schon gehört, wir fliegen im Winter nach Hawaii!

 

Der Kapitän sucht in der Businessküche nach essbarem und der Copilot? Ja, richtig, er sorgt auf diesem Kapitänsflugzeug dafür, dass der Alte kaum wieder im Cockpit, verzögerungsfrei nach der PREFLIGHT CHECKLIST schreien kann.

Nach dem dritten Teilstück Aufregung im Flugzeug. Im Gate neben und deutsche Fussballer, die in Frankreich an einem Turnier teilnehmen möchten. Das zieht die Prominenz an wie der Speck die Fliegen. Darunter hat es auch Vertreter unseres Mutterkonzerns und die möchten bei Gelegenheit gerne das schönste Flugzeug des ganzen Konzerns begutachten. Das mache ich gerne, kostet mich aber wertvolle Minuten, die ich dank der während des ganzen Tages antrainierten Routine einholen kann. Kaum fertig mit dem letzten Griff: PREFLIGHT CHECKLIST.

 

Als die Gewitterfront umflogen, die 777 das letzte Mal in Zürich gelandet und die letzten Schalter gesetzt, musste ich dringend auf die Toilette. Nicht ein einziges Mal konnte ich während des Flugtages das privateste aller Orte aufsuchen. Es fehlte schlicht die Zeit. Danach Feedbacks geben, Qualifikation schreiben und Bürokratie erledigen. Zehn Stunden und NULL eingenommene Kalorien später verliess ich das Operationscenter mit einem Bärenhunger Richtung Gubriststau. Im Fahrstuhl traf ich einen Kollegen, den ich zuvor noch nie gesehen habe. Hast du schon gehört: Im Winter fliegen wir nach Hawaii.

Bearbeitet von HB-JNB
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Super, wie immer. Schön, dass Du wieder regelmässig Deine Gedanken mit uns teilst!

 

Bis bald auf Hawaii!

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Super Bericht, Peter.

 

Ich hab gleich mal meinen Betreuer bei der LH rund gemacht, dass er mir den neuen Hawaii-Flug noch nicht von sich aus für meine Meilen angeboten hat ;-)

 

Florian

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