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04.11.2025 | UPS | MD11 | N259UP | Louisville, Kentucky | Triebwerk+Pylon lösen sich während Start


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Geschrieben

Ich verstehe absolut, woher verschiedene Sichtweisen hier herkommen – vor allem den Punkt, dass wirtschaftlicher Druck, lange Produktzyklen und manchmal auch „BWL über Technik“ ihren Anteil an vielen Altlasten haben. Trotzdem sehe ich die Entwicklung in der Aviatik aus meiner beruflichen Praxis ein wenig anders und als Mitarbeiter eines Wartungsbetriebs/Operator, fällt die Einschätzung doch deutlich anders aus.

 

Ich sage es ganz offen: Die Vorstellung, die Luftfahrt würde heute noch „triviale Konstruktionsfehler“ machen oder hätte sich technologisch kaum weiterentwickelt, ist aus Sicht eines Operators und eines Wartungsbetriebs, der täglich mit realen Strukturen und echten Lasten arbeitet, schlicht nicht haltbar.

Wir sehen jeden Tag, was moderne Flugzeuge wirklich sind:
non-lineare FEM-Modelle, Fretting-Analysen auf Bauteilebene, Titan- und Al-Legierungen mit berechenbarem Crack-Growth, Multi-Load-Path-Designs, Structural Health Monitoring, Digital Twin-Daten, Condition Based Maintenance – das ist ein technisches Niveau, das frühere Generationen gar nicht zur Verfügung hatten.
Der Unterschied ist nicht kosmetisch – er ist systemisch.

Und das Grundprinzip bleibt: Metall ist ehrlich.
Irgendwann zeigt die Realität, wo die echten Lastpfade verlaufen. Manche Ermüdungsphänomene tauchen erst nach 10–20 Jahren millionenfacher Flottenflugstunden auf. Kein globales Betreiberprofil gleicht dem anderen.
Die E1-Lower-Link-Problematik ist genau so ein Fall:
kein Pfusch, keine Schlamperei – schlicht echte Feldbedingungen, die härter waren als jedes damalige Modell es abbilden konnte.

Aus Sicht eines Operators ist das alles andere als „theoretisch“:
Wir kämpfen mit Ground Time, Tooling-Engpässen, Labour-Hours, AOG-Kettenreaktionen, Zertifizierungsauflagen, Supply Chains und realen Safety-Impacts.
Wir leben das, nicht als nostalgische Rückblende, sondern als operativen Alltag.

Und deshalb ist der Vergleich mit Laptops oder Konsumelektronik komplett daneben:
Ein Notebook darf sterben. Ein Flugzeug nicht.
Darum ist die Luftfahrt konservativ – und darum dauern Produktzyklen 10–20 Jahre.
Was 2024 als High-Tech an der Rampe steht, wurde 2010–2015 entworfen. Nicht weil die Branche „hinterherhinkt“, sondern weil Sicherheit, Redundanz und Zertifizierung Zeit brauchen.
Das System funktioniert – und die Unfallzahlen sind der Beweis.

Aus Operator-Sicht ist ein „20 Jahre gereiftes, durchzertifiziertes Konzept“ oft wertvoller als eine hippe Innovation ohne Feldhistorie. Dass wir Themen wie die E1-Pylons heute früh entdecken und gezielt korrigieren können, zeigt nicht „Rückschritt“, sondern die Stärke des Systems: Datenbasiertes Engineering, Transparenz und konsequentes Handeln.

Und zum angesprochenen Generationenthema im Cockpit:
Dass manche noch Raw-Data-NDB-Approaches aus dem Effeff fliegen können, ist nett – aber es ist nicht mehr das Kriterium für Professionalität.
Flugzeuge, Verfahren und Rollen haben sich verändert.

Ein guter Pilot von heute muss es nicht zwingend können.
Ein guter Pilot muss Flight Path Management, Manual Flight, Systemverständnis, Workload Management, Decision Making und Problem Solving beherrschen.
Ob jemand ein FMS in 20 oder 40 Sekunden programmiert, macht niemanden „gut“ oder „schlecht“.
Das gehört – je nach Situation – zu Knowledge, Workload Management oder Delegation.
Was zählt, ist der Gesamtprozess: effizient, zuverlässig, sicher.

Die Zeit hat sich geändert – und das ist gut so.
Die Systeme sind komplexer, die Daten sind präziser und das Safety-Netz ist stärker denn je.
Was nach außen wie „weniger Innovation“ aussieht, ist in Wahrheit der höchste Grad an technischer und operativer Reife, den wir je hatten.

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Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Tigerstift1:

 

Wir sehen jeden Tag, was moderne Flugzeuge wirklich sind:
non-lineare FEM-Modelle, Fretting-Analysen auf Bauteilebene, Titan- und Al-Legierungen mit berechenbarem Crack-Growth, Multi-Load-Path-Designs, Structural Health Monitoring, Digital Twin-Daten, Condition Based Maintenance – das ist ein technisches Niveau, das frühere Generationen gar nicht zur Verfügung hatten.
Der Unterschied ist nicht kosmetisch – er ist systemisch.

 

Da stellt sich mir die Frage, ob das auch ein "systemischer" Grund dafür sein mag, dass LC-Carriers "Billigflug Luftfahrtgesellschaften" à la Ryanair und Easyjet mit ihren riesigen Flotten rund um die Uhr jahrein, jahraus praktisch unfallfrei weiterfliegen: Es werden Kosten gesenkt, es wird an allen Ecken und Enden gespart; aber auf Maintenance und Sicherheit hat das null Einfluss. Da ist gar nichts "billig" und auch nicht 08/15.

 

Wären solche Low Cost Carrier "früher", ohne das von Tigerstift so ausführlich beschriebene, heutige technische Niveau, überhaupt möglich gewesen?

Gruss Richard

Geschrieben

Meine Meinung: Nein – Low-Cost-Carrier wären früher nicht in dieser Form möglich gewesen.
Und das liegt nicht primär an der Flugzeugentwicklung, sondern an den heutigen regulatorischen Vorgaben, Audits, Zertifizierungsmechanismen und der technischen Prozesslandschaft, die es schlicht unmöglich macht, an Maintenance oder Safety zu „sparen“.
Das System lässt es nicht zu.
Part 145, Part M/Part CAMO, AMP-Approvals, Reliability Programme, SMS, Findings, Audits, Corrective Actions – alles eng, klar, durchreguliert und transparent.

Und hier kommt der Kernpunkt, den viele unterschätzen:

Ich habe selbst 6 Jahre easyJet im Wartungsbereich als Lieferant unterstützt, und eines ist bei LCC absolut klar:
Maintenance ist nicht die Variable, auf der man spart – sie ist die Variable, die die Out of Service Time (OOS) limitiert.

Ein einziger AOG-Tag bei einem A320 bedeutet schnell:
~280.000 USD Revenue Loss – bevor EU261, Passagierumlenkungen oder der massive Reputationsschaden überhaupt eingerechnet werden.
Und OOS ist überwiegend technisch getrieben.

Genau deshalb haben LCC sehr früh verstanden:
Jeder eingesparte Maintenance-Dollar kann zehnfache Kosten verursachen – sofort.
Darum sind die Direct Maintenance Costs (DMC) im LCC-Segment gar nicht mehr der wichtigste Faktor.
Der dominante Treiber ist OOS-Minimierung – und dafür braucht man:

  • extrem strikte Prozesse

  • hohe Flottenhomogenität

  • perfekte Planung

  • konsequente Preventive/Condition-Based Maintenance

  • keine „grauen“ Entscheidungen

  • und 100% Compliance

LCC sind nicht billig – sie sind effizient.
Und Effizienz heißt: null Spielraum für Kompromisse bei Safety/Compliance, Technik oder Wartung.

Das unterscheidet sie im Übrigen auch von Legacy / Network Carriern, die dank ihres Netzwerks gewisse Störungen kompensieren können – über Umrouting, Backup-Flotten, Standby-Crews.
Bei LCC existiert dieses Polster kaum bis gar nicht (dort kann gespart werden).
Deshalb ist der Fokus unterschiedlich:

  • LCC: OOS-Minimierung, technische Verfügbarkeit, Cycle Time

  • Legacy Carrier: Pünktlichkeit, Netzwerkstabilität, Slot-Performance

Und nochmal zurück zum ursprünglichen Punkt:
Ohne die heutige technische Reife, die regulatorische Strenge und die digitale Transparenz wäre ein LCC-Betrieb früher nahe unmöglich gewesen.
Die heutigen Safety/Compliance-Rahmenbedingungen erzwingen ein hohes Niveau – und die modernen Engineering-Tools machen es handhabbar.

Dass wir heute Themen früh entdecken und gezielt adressieren, ist kein Zeichen von „Fehlern“, sondern ein Zeichen, wie professionell und datengetrieben das System inzwischen arbeitet.
Die Branche ist einfach reifer geworden.

Die Zeiten haben sich geändert – und das ist auch der Grund, warum riesige LCC-Flotten heute so sicher operieren können. Nicht „trotz“, sondern wegen des Systems, der Technik und der Regulierung.

Geschrieben
vor 8 Stunden schrieb Tigerstift1:

Meine Meinung: Nein – Low-Cost-Carrier wären früher nicht in dieser Form möglich gewesen.
Und das liegt nicht primär an der Flugzeugentwicklung, sondern an den heutigen regulatorischen Vorgaben, Audits, Zertifizierungsmechanismen und der technischen Prozesslandschaft, die es schlicht unmöglich macht, an Maintenance oder Safety zu „sparen“.

 

 

In der Theorie hast Du Recht, in der Praxis funktioniert das nur zum Teil.

 

Durch meine Arbeit bin ich natürlich auch mit aktiven und ehemaligen Technikern verschiedener Fluglinien in engem Austausch und bei manchem LCC (Name bekannt) ist der Druck auf die Techniker so groß, dass die Qualität der Arbeit - die auf dem Papier natürlich alle Regeln erfüllt - darunter leidet. Da kommt dann der Pilot beim Outside-Check drauf, dass eine Bremsleitung nicht angeschlossen ist, nachdem der Flieger über Nacht in der Werft war. Oder dass andere Arbeiten "schludrig" ausgeführt wurden. Mir ist auch ein Fall bekannt, wo das Management einen Techniker, der einen defekten Flieger nicht freigab, mit einem Brief unter Druck setzte, in dem es ihm erklärte, wie viel seine Weigerung das Flugzeug flugklar zu schreiben das Unternehmen gekostet hatte ... das waren nur mal einige "Schmankerl" von dem was ich immer wieder aus erster Hand zu hören bekomme.

 

Da reden wir noch gar nicht vom Druck auf die Piloten (und Flugbegleiter) selbst bzw. auf die manchmal fragwürdige Qualität von Pay2Fly-Leuten, die bei diversen LCC's in den Cockpits sitzen.

 

Zwar hatten wir in Europa NOCH keinen schweren Unfall mit einem LCC, der auf das "System LCC" zurückzuführen war, doch das ist nach Einschätzung vieler Brancheninsider wohl nur eine Frage der Zeit. Ein deutscher Kollege drückte es mal so zutreffend aus. Aufgrund der Rahmenbedingungen sind die Sicherheitsmargen bei MANCHEN Low Costern eben deutlich geringer als bei etablierten Qualitätscarriern. Die Executive-Fliegerei ist dann noch einmal ein ganz eigenes Kapitel.

 

LG
Patrick

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Geschrieben

Wow. Vielen Dank Sebastian für diese Posts. Habe noch selten soviel dazugelernt in diesem Forum wie in Deinen letzten 3 Posts, so soll es sein. 

 

Kleine Bemerkung zu den LCC carriern: 

 

Neben den wirtschaftlichen Überlegungen, die sich mir mit Deinen Ausführungen noch klarer erschliessen als zuvor, gibt es auch noch einen sehr wichtigen psychologischen Faktor, der Carriern wie Ryanair absolut klar ist: Sie DÜRFEN keinen Unfall haben. Nie. Denn genau darauf warten sehr viele Player in diesem System, um sie danach frontal angreifen zu können. 

 

Es hat auch in der Vergangenheit immer wieder Versuche gegeben, diese Carrier so zu diskreditieren, etwa in dem man sie in Vorfällen, wo diverse Airlines genau gleich involviert waren, speziell herausgehoben hat, etwa in dem man sie tw etwas länger im Holding liess um knappe Fuel Situationen zu provozieren (Spanien) und ähnliches. 

 

Aus diesen Vorfällen habe ich für mich den Schluss gezogen, man kann den vorherrschenden LCC's (RYR,EZY,Wizz u.a) vieles vorwerfen, aber nicht dass sie an Sicherheit sparen bzw Risiken in Kauf nehmen. Sebastian's Ausführungen zementieren das noch: Das konsequente Vermeiden von kostenintensiven AOG's ist NUR mit sehr gründlicher Maintenance zu erreichen. 

 

 

Auch noch ein Wort zu den "Alten" vs "Neuen" Fliegern. 

 

Ich bin in der Zeit der DC8, 9, 10, MD11 e.t.c. noch sehr vertraut. Speziell in Erinnerung bleibt mir die Zeit im Dispatch, wo ich die MD11 gegenüber den A320ern und 330gern im Einsatz erlebt habe. Der "11er" war bei vielen als "MD41" bekannt, also ein Flieger mit vielen technischen Delays und Ausfällen, die A320 hingegen war ein "VW Käfer": Er läuft und läuft und läuft. Es gab gefühlt kaum je grössere Ausfälle, AOG's hatten meist Gründe die ausserhalb der Maintenance lagen (man ist wo reingebumst oder etwas in einen so als Beispiel) aber sehr sehr selten beim Versagen von Systemen und Ausfall von Komponenten, im Vergleich zu den anderen Vögeln der Flotte. 

 

IMHO wiederspiegelt das Sebastans Ausführungen. Dazu kommt noch, die Rotationssequenzen sind extrem viel kürzer geworden als damals, wo man teilweise vor 8 Uhr morgens kaum Abflüge und bestenfalls 2 Rotationen hatte pro Tag. Die heutigen Flieger machen fast 24 Std Betrieb, sind kaum je mal mehr als 1-2 Std am Boden und müssen daher eine sehr hohe Leistungsfähigkeit und Redundanz bieten. Und das tun sie auch. Daher fallen dann solche Dinge wie die P&W Triebwerksaga, die z.b. den A220 belasten, extrem auf, ebenso sind die Boeing Probleme so signifikant. Aber grunsätzlich ist ganz klar zu sehen, die Sicherheit im Flugzeugbau und Betrieb hat exponentiell zu genommen. 

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Geschrieben
17 minutes ago, HuPa said:

 

Mir ist auch ein Fall bekannt, wo das Management einen Techniker, der einen defekten Flieger nicht freigab, mit einem Brief unter Druck setzte, in dem es ihm erklärte, wie viel seine Weigerung das Flugzeug flugklar zu schreiben das Unternehmen gekostet hatte ... das waren nur mal einige "Schmankerl" von dem was ich immer wieder aus erster Hand zu hören bekomme.

 

In einer Zeit wo Compliance (nicht nur im Flugbetrieb) höchste Wichtigkeit erhalten hat und niemand irgendwelche Haftungsrisiken eingehen will, ist es wenig wahrscheinlich, dass jemand mit einem Brief, also schriftlich, jemand unter Druck gesetzt hätte, ein Flugzeug freizugeben. 

 

Und wäre dies tatsächlich passiert, hätte dieser Brief, einmal bei der Whistleblower-Hotline der Airline deponiert, zu einem grösseren Köpferollen geführt. 

 

@HuPa: Ich denke man sollte Aussagen aus der Gerüchteküche stets kritisch reflektieren. 

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Geschrieben
Am 22.11.2025 um 01:06 schrieb Maxrpm:

Da brauchst keine KI. 500 Mannstunden pro Pylone das macht etwa 70.000USD pro Flieger. Das ist gar nix. Braucht nur viel Zeit.

Unter diesen Umständen...

Zitat

Maintenance ist nicht die Variable, auf der man spart – sie ist die Variable, die die Out of Service Time (OOS) limitiert.

Ein einziger AOG-Tag bei einem A320 bedeutet schnell:
 ~280.000 USD Revenue Loss – bevor EU261, Passagierumlenkungen oder der massive Reputationsschaden überhaupt eingerechnet werden.
Und OOS ist überwiegend technisch getrieben.

Genau deshalb haben LCC sehr früh verstanden:
Jeder eingesparte Maintenance-Dollar kann zehnfache Kosten verursachen – sofort.
Darum sind die Direct Maintenance Costs (DMC) im LCC-Segment gar nicht mehr der wichtigste Faktor.
Der dominante Treiber ist OOS-Minimierung

...sind 70.000 USD pro Flieger wirklich gar nichts: Es ist die "Out of Service Time", wie von Tigerstift beschrieben, welche zählt. Bei 500 Mannstunden pro Pylone wäre das ganz erheblich, bzw. es stellt sich die Frage, ob sich das bei der MD-11 noch rentiert.

Vielleicht kann mir jemand hier sagen, ob die OOS Kosten Kalkulation bei einem Frachtflieger eine andere ist, als bei einem Passagierflugzeug.

 

Gruss Richard

 

 

 

Frank Holly Lake
Geschrieben

@Tigerstift1  

Danke für deine Zeit uns das ausführlich zu erklären. 

Grüße Frank 

Geschrieben
vor 21 Stunden schrieb reverser:

Bei 500 Mannstunden pro Pylone wäre das ganz erheblich, bzw. es stellt sich die Frage, ob sich das bei der MD-11 noch rentiert.

 

Die MD11 sind ja out of service. Also ist die Frage, wie schnell die Kontrollen ausgeführt und Reparaturen gemacht werden können. Je schneller eine Lösung gefunden wird, desto eher kommt die 11 wieder zurück. Es ist ja doch noch eine ansehnliche Flotte, die ersetzt werden müsste. 

Geschrieben (bearbeitet)
Am 25.11.2025 um 11:02 schrieb Urs Wildermuth:

gibt es auch noch einen sehr wichtigen psychologischen Faktor, der Carriern wie Ryanair absolut klar ist: Sie DÜRFEN keinen Unfall haben. Nie. Denn genau darauf warten sehr viele Player in diesem System, um sie danach frontal angreifen zu können. 

 

 

Das ist theoretisch zutreffend, in der Praxis hatten - außerhalb Europas - schon viele LCC sehr wohl Unfälle. Das was Du hier schreibst, ist also objektiv gesehen überhaupt kein Argument im klassischen Sinne.

 

Der nachstehende Vorfall liegt zwar gut 3 Jahre zurück, aber ich frage mich schon unter welchem Druck der Kapitän gestanden haben muss und wieso der F/O nicht widersprochen hat: https://www.austrianwings.info/2022/12/potentiell-gefaehrlich-ryanair-flug-nach-wien-startete-mit-eis-schnee-auf-tragflaeche/

 

https://www.krone.at/2872326 

 

Über diesen Vorfall haben mehrere großen Medien berichtet. Ich war in die Hintergrundrecherchen etwas eingebunden, habe unter anderem mit der Austrian Cockpit Association und anderen Piloten über den Vorfall gesprochen, um die Recherche qualitativ abzusichern. Wie hat Ryanair reagiert? Total aggressiv, hat alle Vorwürfe abgestritten und sofort mit "legal action" gedroht - gemacht haben sie dann tatsächlich aber NICHTS, weil die Sache wohl sehr klar war und sie nicht gut dagestanden wären. Einer der Piloten, die vor Gericht ausgesagt hätten, dass der Start so ihrer Ansicht nach nicht zulässig war, war nämlich selbst auch ein Ex-Ryanair-Pilot. Ich habe dann auch erfahren, dass es intern wohl Konsequenzen gegeben habe, auch wenn Ryanair sich dazu nicht geäußert hat.

 

Dass es bei diesem Zwischenfall (wieder Ryanair-Konzern) keine Toten gegeben hat (zB durch Einsaugen ins Triebwerk) war wohl sprichwörtlich mehr Glück als Verstand: https://www.austrianwings.info/2020/08/laudamotion-zwischenfall-in-london-ausbildungsdefizite-bei-senior-flugbegleiterin/

 

Auch wenn auf dem Papier die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden, gibt es in etlichen Bereichen doch deutliche Qualitätsunterschiede zwischen gewissen Low Costern und Qualitätsfluglinien und das kann eben dazu führen, dass bei manchen Billigfluglinien die Sicherheitsmarge geringer ist. Zu meiner rechtlichen Absicherung und damit mir das nicht von irgendeiner Rechtsabteilung in den Mund gelegt wird: Nein, ich habe NICHT behauptet, dass das auf Ryanair zutrifft. Wie ich überhaupt öffentlich niemals eine Fluglinie, bei der dies offensichtlich zutrifft namentlich nennen würde.

 

Mir sind aus erster Hand Fälle bekannt, da hatten Piloten von Low Costern Angst davor, in den Krankenstand zu gehen, weil sie fürchteten, ihren Job zu verlieren. Salopp formuliert, dröhnten sie sich mit Medikamenten zu und flogen, obwohl sie definitiv "unfit" waren wie sie selbst sagten. Solche Fälle sind mir trotz meiner guten Vernetzung von etablierten Qualitätsfluglinien in dieser Form dagegen noch nie zu Ohren gekommen ... nur eines von mehreren Beispielen. Leider kann ich in der Berichterstattung die Namen dieser Airlines nicht nennen, da es ja letzten Endes auf den/die Informanten zurückfallen würde - und auch für sie Konsequenzen hätte.

 

Es gibt also Low Coster, da würde ich bedenkenlos mit meiner Familie einsteigen, bei anderen auf gar keinen Fall.

 

LG

Patrick

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Geschrieben (bearbeitet)
Am 25.11.2025 um 11:19 schrieb ndugu:

 

In einer Zeit wo Compliance (nicht nur im Flugbetrieb) höchste Wichtigkeit erhalten hat und niemand irgendwelche Haftungsrisiken eingehen will, ist es wenig wahrscheinlich, dass jemand mit einem Brief, also schriftlich, jemand unter Druck gesetzt hätte, ein Flugzeug freizugeben. 

 

@HuPa: Ich denke man sollte Aussagen aus der Gerüchteküche stets kritisch reflektieren. 

 

Ich beziehe mich grundsätzlich nicht auf die Gerüchteküche, sondern auf Informationen entweder aus erster Hand oder aus vertrauenswürdigen Quellen, die ich seit Jahren kenne.

 

Wenn ich etwas nicht verifizieren konnte, dann weise ich darauf hin. Auch in meinem demnächst erscheinenden Buch über den Absturz der Lauda Air in Thailand 1991. Als die Staatsanwaltschaft die Unterlagen nach dem Crash beschlagnahmte, fehlten mehr als 25 Einträge im technischen Logbuch der Unglücksmaschine, die nie auftauchten. Das ist gesichert. Ungeachtet dessen hat mir ein ehemaliger Lauda Air Techniker erzählt, dass seine Kollegen nach dem Crash Unterlagen vernichtet hätten. Diese Aussage ist zwar nicht von mir zu verifizieren, vor dem Hintergrund, dass aber sogar in österreichischen behördlichen Dokumenten nachgewiesen ist, dass 25 Einträge gefehlt haben, erscheint sie dennoch plausibel. Dieser Umstand wird von mir unter anderem durch Faksimilen belegt. Es hat seinen Grund, wieso ich in über 20-jähriger journalistischer Tätigkeit NOCH NIE verklagt wurde. 😉 

 

Der Brief war natürlich sehr verklausuliert und subtil verfasst. Es stand nämlich zunächst ein "Lob" drinnen, wie verantwortungsbewusst der Techniker gehandelt habe, um dann, so ganz beiläufig, zu erwähnen, wie viel Geld das die Fluglinie gekostet habe. Juristisch also unantastbar.

 

LG
Patrick

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Geschrieben
vor 7 Stunden schrieb Urs Wildermuth:

 

Die MD11 sind ja out of service. Also ist die Frage, wie schnell die Kontrollen ausgeführt und Reparaturen gemacht werden können. Je schneller eine Lösung gefunden wird, desto eher kommt die 11 wieder zurück. Es ist ja doch noch eine ansehnliche Flotte, die ersetzt werden müsste. 

Tatsächlich: Insgesamt 69 Exemplare habe ich ausgemacht. Das ist eine Menge an Frachtraum. Die Disponenten und Cargo Manager von Fedex und UPS dürften es  nicht leicht haben, das alles auszugleichen und die Pakete in der restlichen Flotte unterzubringen...

Zitat

Unser Ground Time Manager hat momentan keine einfache Zeit … jedes Mal wenn jemand „Pylon“ sagt, steigt bei ihm der Puls um 20 bpm.

...steigender Puls - so ähnlich, wie Tigerstift geschrieben hatte. 

 

Gruss Richard

Geschrieben (bearbeitet)
vor 4 Stunden schrieb HuPa:

 

Das ist theoretisch zutreffend, in der Praxis hatten - außerhalb Europas - schon viele LCC sehr wohl Unfälle. Das was Du hier schreibst, ist also objektiv gesehen überhaupt kein Argument im klassischen Sinne.

 

 

 

 

Es gibt also Low Coster, da würde ich bedenkenlos mit meiner Familie einsteigen, bei anderen auf gar keinen Fall.

 

 

Ist interessant, was Du da alles über die Billigfluggesellschaften schreibst: Wenn's nur nicht so am Thema vorbei wäre...

Vielleicht könntest Du einen eigenen Topic eröffnen:

 

"LCC Carriers: Safe oder unsafe?

 

Einst schrieb hier eine Teilnehmerin (als es hier noch weibliche Forumsmitglieder/..innen gab)-:

Iris, eine erfahrene B-737-Pilotin, nickname "flowmotion"...Mir ist in Erinnerung geblieben, wie sie Ryanair Piloten insofern "rühmte" und ihnen grossen Respekt erwies. Sie hatte auf die strengen Tests - die höchst anspruchsvollen Aufnahmebedingungen - hingewiesen. So á la "wenn du das bestehst, bist du ein Pilot erster Güteklasse"...

 

Gruss Richard

Bearbeitet von reverser
Geschrieben (bearbeitet)
4 hours ago, HuPa said:

Ich beziehe mich grundsätzlich nicht auf die Gerüchteküche, sondern auf Informationen entweder aus erster Hand oder aus vertrauenswürdigen Quellen, die ich seit Jahren kenne.

 

Wenn ich etwas nicht verifizieren konnte, dann weise ich darauf hin. Auch in meinem demnächst erscheinenden Buch über den Absturz der Lauda Air in Thailand 1991...

 

Deine Evidenz scheint mir reichlich anekdotisch: 1991 war eine komplett andere Zeit: Lauda Air war nicht Ryanair, Österreich nicht EU und es gab auch noch keine JAA (Joint Aviation Authorities) die die ersten einheitlichen europäischen Luftfahrtstandards (JARs) erst irgendwann Mitte der 90er einführten.

 

Ich glaube dir durchaus, dass in den 90ern solche Briefe verschickt wurden. Aber heute wäre dies ein Level 1 Finding, welches zu schwerwiegenderen und teureren Konsequenzen führen würde, als das Flugzeug noch etwas länger in Maintenance. 

 

4 hours ago, HuPa said:

Der Brief war natürlich sehr verklausuliert und subtil verfasst. Es stand nämlich zunächst ein "Lob" drinnen, wie verantwortungsbewusst der Techniker gehandelt habe, um dann, so ganz beiläufig, zu erwähnen, wie viel Geld das die Fluglinie gekostet habe. Juristisch also unantastbar.

 

Ob der Brief ein Finding und potenziell gar justiziabel ist, hängt nicht davon ab, wie viele Nettigkeiten darin stehen. Sondern davon, wie ein normaler Techniker diesen verstehen würde/muss!

Bearbeitet von ndugu
Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb ndugu:

 

Deine Evidenz scheint mir reichlich anekdotisch: 1991 war eine komplett andere Zeit: Lauda Air war nicht Ryanair, Österreich nicht EU und es gab auch noch keine JAA (Joint Aviation Authorities) die die ersten einheitlichen europäischen Luftfahrtstandards (JARs) erst irgendwann Mitte der 90er einführten.

 

Ich glaube dir durchaus, dass in den 90ern solche Briefe verschickt wurden. Aber heute wäre dies ein Level 1 Finding, welches zu schwerwiegenderen und teureren Konsequenzen führen würde, als das Flugzeug noch etwas länger in Maintenance. 

 

Du hast etwas missverstanden. Der Brief wurde NICHT in den 1990ern verschickt (das habe ich auch nie behauptet), sondern er ist ziemlich aktuell.

 

Das Beispiel mit der Lauda Air diente nur zur Veranschaulichung meiner Arbeitsweise.

 

Hoffe, damit für Klarheit gesorgt zu haben. 🙂 

 

LG

Patrick

Geschrieben
vor 32 Minuten schrieb reverser:

"LCC Carriers: Safe oder unsafe?

 

Einst schrieb hier eine Teilnehmerin (als es hier noch weibliche Forumsmitglieder/..innen gab)-:

Iris, eine erfahrene B-737-Pilotin, nickname "flowmotion"...Mir ist in Erinnerung geblieben, wie sie Ryanair Piloten insofern "rühmte" und ihnen grossen Respekt erwies. Sie hatte auf die strengen Tests - die höchst anspruchsvollen Aufnahmebedingungen - hingewiesen. So á la "wenn du das bestehst, bist du ein Pilot erster Güteklasse"...

 

Gruss Richard

 

 

Man kann nicht generell sagen, dass LCC's "safe" oder "unsafe" sind, sondern dass bei einigen die Sicherheitsmargen geringer sind, aufgrund verschiedener Faktoren. Nicht mehr und nicht weniger. 🙂 

 

LG

P.

Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb HuPa:

 

 

Man kann nicht generell sagen, dass LCC's "safe" oder "unsafe" sind, sondern dass bei einigen die Sicherheitsmargen geringer sind, aufgrund verschiedener Faktoren. Nicht mehr und nicht weniger. 🙂 

 

 

Um Dich zu zitieren:

"Es gibt also Lowcoster, da würde ich bedenkenlos mit meiner Familie einsteigen - bei anderen, auf gar keinen Fall".

 

Da sind also die von Dir genannten "Sicherheitsmargen".

Ich würde das folgendermassen interpretieren:

Es gibt LCC Carrier, da steigst Du bedenkenlos ein...und da gibt es die anderen, da hast Du Bedenken. Da steigst Du "auf gar keinen Fall" bedenkenlos ein.

Steigst Du da jetzt, trotz Deiner Bedenken ein, oder nicht?

 

Du drückst Dich "verklausuliert und subtil" aus, sagst Du; und "noch nie wurdest Du in Deiner journalistischen Tätigkeit verklagt".

 

Einsteigen, oder nicht:

Lässt sich juristisch nicht nachweisen👍🙂

Gruss Richard

 

Geschrieben (bearbeitet)
vor 9 Stunden schrieb reverser:

Um Dich zu zitieren:

"Es gibt also Lowcoster, da würde ich bedenkenlos mit meiner Familie einsteigen - bei anderen, auf gar keinen Fall".

 

Da sind also die von Dir genannten "Sicherheitsmargen".

Ich würde das folgendermassen interpretieren:

Es gibt LCC Carrier, da steigst Du bedenkenlos ein...und da gibt es die anderen, da hast Du Bedenken. Da steigst Du "auf gar keinen Fall" bedenkenlos ein.

Steigst Du da jetzt, trotz Deiner Bedenken ein, oder nicht?

 

Du drückst Dich "verklausuliert und subtil" aus, sagst Du; und "noch nie wurdest Du in Deiner journalistischen Tätigkeit verklagt".

 

Einsteigen, oder nicht:

Lässt sich juristisch nicht nachweisen👍🙂

Gruss Richard

 

 

Ich frage mich, ob Du 1.) es nicht verstehen und stattdessen provozieren willst (auf so etwas steige ich nicht ein) oder ob Du es 2.) tatsächlich nicht verstehst, weil ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt habe. Für den ersteren Fall wäre ein weiterer Diskurs ohnedies sinnlos.

 

Falls 2.) zutrifft, präzisiere ich gerne: Es gibt auch bei LCC's deutliche Unterschiede in der (Sicherheits-)Qualität, den Arbeitsbedingungen, etc ... - das meinte ich damit, als ich sagte, dass ich bei manchen (LCC) einsteigen würde, bei anderen (LCC) dagegen auf keinen Fall.

 

LG
P.

Bearbeitet von HuPa
Geschrieben (bearbeitet)

Leute - ich denke, das "Tigerstift" und auch Urs durch ihre - mit dieser nunmehr Streitfrage zusammenhängenden - Aussagen u.a. ausdrücken wollten, wie sehr die Sicherheit im Vgl. zur Masse an produzierten und betriebenen Airlinern anstieg UND dadurch Ops (mit Fokus Maintenance) wie das moderne LCC-Konzept erst möglich wurden UND es in Relation dennoch recht wenige Hull Losses gab/gibt, wenn man das mit Phasen der Vergangenheit vergleicht. Also um durchwegs statistisch belegbare Größen.

 

Sich also einzelne Ausreisser in Form von Causen, Unfällen und schwarze Schafen in der Branche (u.a. irgendwo in Asien) herauszupicken, mutet für mich eher so an, wie wenn man das big picture nicht sieht oder nicht sehen will. 

 

Und ja, auch ich habe meine Gründe, wegen Erlebnissen in der Kabine als PAX nicht mehr mit einem gewissen (pseudo) Austro-LCC fliegen zu wollen. Aber es ging hier ursprünglich um die großen Veränderungen bei der Maintenance, nicht um Piloten- und CC-Standards. Ich hatte mich da vor einigen Postings ebenso verleiten lassen, alles in einen Topf zu werfen...

 

Ich bin am Ende - aus Geiz (ich wollte für ein soziales Event nicht noch mehr unnötig Geld ausgeben) - in den besagten LCC in VIE eingestiegen, weil ich bewußt auf die Statistik "wettete". Und ich lebe noch... 😎 Aber danach flog ich wieder OS..., 

 

Gruß

Johannes

Bearbeitet von Phoenix 2.0
Geschrieben (bearbeitet)

ist meine Annahme korrekt, dass Mittel-/Langstrecke (UPS MD11) weniger Material belastend ist als Kurzstrecke (mehr Landungen / Starts)? Oder wäre dieser Schaden so oder so aufgetreten?

 

Danke.

Bearbeitet von Gulfstream
typo
Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Gulfstream:

ist meine Annahme korrekt, dass Mittel-/Langstrecke (UPS MD11) weniger Material belastend ist als Kurzstrecke (mehr Landungen / Starts)?

 

So wie es aussieht werden viele dieser Wartungsintervalle betreffend Ermüdungsbrüche nach Cycles und weniger nach total Stunden beurteilt. Das würde Deine Annahme bestätigen. 

Geschrieben

Ich frag mich bei der Sache hier was ganz anderes: Wenn es Ermüdungsbrüche waren, die zum Unfall führten. Dann gibt es doch mehrere Möglichkeiten: Entweder ist das Design vom Pylon schuld und zwar jetzt genau nur dieses Design (wobei ich mich dann als nächste frage, ob das nicht so oder ähnlich auch in anderen Typen verbaut wurde... wie z.B. im Ur-A300, der soweit ich weiss das alles von der DC-10 übernommen hat) oder aber die Industrie hat insgesamt die Kräfte und Materialermüdungsverläufe falsch eingeschätzt beim Entwickeln von solchen Halterungen und dann müsste man wohl weit mehr als nur die MD-11 und DC-10 überprüfen.

Allerdings sehe ich hier eher Wartungsfehler, denn so viel Ermüdungserscheinungen wie man jetzt hört das gefunden worden sein sollen... da kommen mir gleich Unfälle in den Sinn wie die Alaska MD-80 und ähnliche.

 

... ich frag mich auch immer ob die Wartung meiner Maschine ok ist. Nur, wie kann ich sowas von prüfen? Ist jetzt aber ein anderes Thema...

Geschrieben
Am 28.11.2025 um 11:30 schrieb Urs Wildermuth:

 

So wie es aussieht werden viele dieser Wartungsintervalle betreffend Ermüdungsbrüche nach Cycles und weniger nach total Stunden beurteilt. Das würde Deine Annahme bestätigen. 

"Cycles" gegenüber "total Stunden" müsste eventuell weiter unterteilt werden. Vor allem, was Landungen betrifft.

Cycles, das sind so und so viele Landungen - weiche und harte. Bei harten Landungen gibt's  wiederum einen anderen "breaking point".

Das müsste alles genau registriert werden, und in die Maintenance Procedures einfliessen.

Gruss Richard

 

Geschrieben
Am 25.11.2025 um 10:53 schrieb HuPa:

 

In der Theorie hast Du Recht, in der Praxis funktioniert das nur zum Teil.

 

Durch meine Arbeit bin ich natürlich auch mit aktiven und ehemaligen Technikern verschiedener Fluglinien in engem Austausch und bei manchem LCC (Name bekannt) ist der Druck auf die Techniker so groß, dass die Qualität der Arbeit - die auf dem Papier natürlich alle Regeln erfüllt - darunter leidet. Da kommt dann der Pilot beim Outside-Check drauf, dass eine Bremsleitung nicht angeschlossen ist, nachdem der Flieger über Nacht in der Werft war. Oder dass andere Arbeiten "schludrig" ausgeführt wurden. Mir ist auch ein Fall bekannt, wo das Management einen Techniker, der einen defekten Flieger nicht freigab, mit einem Brief unter Druck setzte, in dem es ihm erklärte, wie viel seine Weigerung das Flugzeug flugklar zu schreiben das Unternehmen gekostet hatte ... das waren nur mal einige "Schmankerl" von dem was ich immer wieder aus erster Hand zu hören bekomme.

 

Da reden wir noch gar nicht vom Druck auf die Piloten (und Flugbegleiter) selbst bzw. auf die manchmal fragwürdige Qualität von Pay2Fly-Leuten, die bei diversen LCC's in den Cockpits sitzen.

 

Zwar hatten wir in Europa NOCH keinen schweren Unfall mit einem LCC, der auf das "System LCC" zurückzuführen war, doch das ist nach Einschätzung vieler Brancheninsider wohl nur eine Frage der Zeit. Ein deutscher Kollege drückte es mal so zutreffend aus. Aufgrund der Rahmenbedingungen sind die Sicherheitsmargen bei MANCHEN Low Costern eben deutlich geringer als bei etablierten Qualitätscarriern. Die Executive-Fliegerei ist dann noch einmal ein ganz eigenes Kapitel.

 

LG
Patrick

Hallo Patrick,

 

Ich sehe das deutlich differenzierter – und zwar aus der rein technischen Perspektive, denn über FlightOps, Pay2Fly oder Cockpitkultur urteile ich nicht. Das ist ein eigenes Feld, das ich bewusst den Spezialisten überlasse.
Ich spreche ausschließlich über Maintenance & Engineering, denn dort habe ich die Erfahrung.

1) „Druck auf Techniker“ - das ist keine Einbahnstraße

Der Druck ist nur so groß, wie man es als Certifying Staff zulässt.
Wer released, trägt Verantwortung – und das wissen alle, die jemals eine CRS unterschrieben haben. Das können wir nicht auf das „System LCC“ abwälzen.

Natürlich ist das immer eine Kombination aus: Managementkultur, Mentoring, Erfahrung, Awareness des Mechanikers, und persönlicher Professionalität. (Diese Thema ist einen eigenen Thread wert)

Aber... Ein Teil der Techniker unterschätzt heute massiv, welche Verantwortung mit dem Certifying-Privileg verbunden ist.
Und manche „Stories“, stammen von Leuten, die nicht zwischen disziplinarischen Maßnahmen und mangelhafter Managementkultur unterscheiden können.

2) „Schmankerl“ einzelner Fehler - die gibt es überall

Ein falsch angeschlossener Brake Line Fitting ist ganz klar ein grober Fehler. Aber solche Einzelfälle gibt es in jedem System: Legacy, LCC, Cargo, BizAv.
Das ist kein schlüssiger Beweis für systemischen Druck, sondern für menschliche Fehler.

3) Moderne Luftfahrt hat klare Schutzmechanismen

Egal ob LCC oder Network Carrier:
Jeder hat heute das Recht – und die Pflicht – unsichere Zustände zu melden.
→ intern über SMS (Safety Management System),
→ oder direkt über die europäische Whistleblowing-Stelle: https://aviationreporting.eu/

Wer sich unsicher fühlt, muss melden.
Und jeder gute Betrieb – LCC inklusive – fördert das aktiv.

4) Die Wahrheit über LCC: technisch extrem stark, weil sie müssen

Ich habe 6 Jahre lang easyJet im technischen Bereich supported. Was man dort sehr klar erkennt: LCC leben eine Fehlerkultur, die oft besser ist als bei Legacy Carriern

technisch sind sie extrem sauber aufgestellt, OOS (Out of Service Time) ist der KPI Nummer 1. Ein LCC kann sich keine Qualitätseinbußen leisten und deshalb sind DMC (Direct Maintenance Costs) nicht der limitierende Faktor, sondern Verfügbarkeit.

Das Bild „LCC = sparen an der Technik“ ist fachlich falsch.
Wer spart, erzeugt OOS, und das frisst Millionen in Wochen.
Also investieren LCC bewusst genau da, wo es zählt: Maintenance, Part Availability, Planning, Prozesse.

5) Die wirklichen Problemfälle sind nicht die klassischen LCC

Die faulen Eier in der Branche sind nicht easyJet, Ryanair, Wizz etc.
Die gefährlichere Kategorie sind die sogenannten „Seelenverkäufer“: Billigflieger, die nur durch lokale gesetzliche Schlupflöcher, politische Protektion oder schwache Aufsichtsbehörden existieren.
Das hat aber nichts mit dem europäischen LCC-Modell zu tun.

6) Fazit

LCC in Europa operieren technisch extrem stabil, fehlerfokussiert und datengetrieben.
Alles andere sind Einzelfälle – nicht System..
Und „Druck auf Techniker“ ist kein LCC-Phänomen, sondern eine Frage von Führung, Erfahrung und persönlicher Verantwortung.

Das Bild, dass LCC per se geringere Sicherheitsmargen hätten, ist aus technischer Sicht schlicht nicht haltbar.
Die wahren Risiken liegen eher dort, wo Aufsicht und Compliance strukturell schwächer sind – nicht im europäischen Mainstream-LCC-Modell.

Geschrieben

Auch wenn es überhaupt nichts mit dem UPS-Unfall zu tun hat: Problematisch kann es auch sein, wenn ein signifikanter Teil des Lohns durch die geleisteten Blockstunden generiert wird. Das verleitet manche Piloten dazu, technische und andere Abweichungen nicht ganz so ernst zu nehmen, schliesslich geht es um eine signifkante Menge an Geld für die Crew.

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