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Diesel Motoren


okaga

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Es gab in den letzten Jahren einige Flieger mit Diesels, welche wegen Motorproblemen auf dem Acker gelandet sind (2 von Birrfeld, 1 von MFGZ). Gefühlt ist der Anzahl Motorvorfällen bei den Diesels überproportional, da es doch viel weniger solche Flieger in der Schweiz gibt als mit den alten Lycoming oder Continental Motoren. Gibt es beim Design etwas, was sie Problemanfälliger macht? 

Ansonsten sind die Diesel-Motoren toll in deren Handhabung - sparsam, mit dem Turbo auch in grosser Höhe noch stark genug, und mit FADEC und Single-Lever einfach zu bedienen. Ich bin aber von der Zuverlässigeit noch etwas unsicher, deshalb möchte ich wissen, was andere dazu meinen.

 

Was sind eure Meinungen und Präferenzen bezüglich Diesel-Motoren in GA Flieger? Fliegt ihr lieber mit einem Diesel, ist es euch egal, oder vermeidet ihr sie wenn möglich?

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Es ist tatsächlich so, dass gefühlt mehr Dieselmotoren im Acker landen, als Lycoming oder ROTAX Motoren. 
 

Wenn man genauer hinschaut, dann fällt auf, dass bei den Birrfeldern jeweils die Fuel Pumpe das Problem war. Bei der MFGZ war es eine ungenügend sitzende Schraubenverbindung.

 

Für den Piloten macht es keinen Unterschied… Engine Failure bleibt Engine Failure.

 

Als tech Chef betreue ich einen Continental Diesel und stelle fest, dass sehr vieles sehr gut gelöst ist und auch zuverlässig funktioniert. Latente Fehler im System werden durch die FADEC Lampen angezeigt, bevor sie sich im Betrieb auswirken. Aufgrund der komplexität der Technik dieser Motoren kommt es naturgemäss zu mehr Störungen. Auch haben die Instandhaltungsbetriebe nicht gleich viel Erfahrung mit diesen Motoren, was das Finden von Fehlern verzögert.

 

Der Support des Herstellers ist allerdings sehr gut, wenn es darum geht die Probleme zu lösen.

 

Den grössten Nachteil sehe ich darin, dass die TBO nicht erreicht wird. Das bringt die Stundenkalkulation natürlich durcheinander. Das gleiche Flugzeug kostet mit einem Diesel ca. 50-80 CHF pro Stunde mehr als mit einem Lycoming. Dazu kommen durch die vermehrten Werkstattaufenthalte auch Ausfälle im Betrieb.

 

Zu meinem erstaunen wird darüber sehr wenig gesprochen. Habe mir das aktuelle Fliegernagazin gekauft, da eine Story über die Diesel Motoren auf der Titelseite steht. Der Bericht darüber ist meines Erachtens ungenügend.

 

Als Pilot bin ich vom Konzept überzeugt und fliege sehr gerne damit. Als tech Chef verursacht der Diesel viel mehr Arbeit und Kosten.

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Danke für diese Rückmeldung aus der Praxis.

vor einer Stunde schrieb mountain_Andy:

Den grössten Nachteil sehe ich darin, dass die TBO nicht erreicht wird.

 

Das hingegen ist ein extrem wichtiger Hinweis und einen den ich zum ersten Mal höre. Gerade bei den Contis, die ja TBR (replacement) haben, wäre das in der Tat ein massives Argument gegen Dieselmotoren.

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Hallo Zusammen

 

Betreffend "Dieselmotoren" hätte ich jetzt auch noch eine Frage; vor drei Wochen ging es in der Diskussion mit einem Freund um die Frage "haben die kleinen Flugzeuge auch Heizungen für den Winter"?

Wie wir alle wissen; ja haben sie... bezüglich dem Wirkungsgrad/Leistung, nun das ist eine andere Sache bei gewissen Modellen 🙂

Was ich mich dann spontan fragte; wo wird bei einem Flieger mit Dieselmotor, die "Wärme abgegriffen"? Auch beim Schalldämpfer-System via einem "umströmten Bereich" im Abgasstrang, oder wird dazu ein/der Kühlwasserkreislauf "angezapft"? Die Flugdieselmotoren haben doch meistens (oder immer?) einen Kühlkreislauf...?

Ich selbst kenne mich da überhaupt nicht aus, und eine kurze Suche hat alles mögliche zu Tage gebracht, nur nichts dazu... 🙂

 

Danke und Gruss

Christian

 

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vor 1 Stunde schrieb Christian Forrer:

Was ich mich dann spontan fragte; wo wird bei einem Flieger mit Dieselmotor, die "Wärme abgegriffen"? Auch beim Schalldämpfer-System via einem "umströmten Bereich" im Abgasstrang, oder wird dazu ein/der Kühlwasserkreislauf "angezapft"? Die Flugdieselmotoren haben doch meistens (oder immer?) einen Kühlkreislauf...?

Wie beim Auto mit wassergekühltem Motor: Die Wärme für die Heizung kommt durch einem Wärmetauscher (Wasser zu Luft) aus dem Kühlwasser.

Gruss

Philipp

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Ich habe Flugerfahrung mit mehreren Flugzeugen mit Turbodiesel:

DA-42 (Thielert bzw. heute Continental), DA-42 NG (Austroengine), PA-28-TDi (Birrfeld, diverse SPHAIR Kurse), C-172R mit 135 PS Conti, DA-40 TDi (Conti), DA-40 NG (Austro).

 

Die Performance ist wie im AFM angegeben und vor allem in grosser Höhe deutlich besser als mit Saugmotoren (kein Wunder), die Bedienung ist simpel und entlastet die Schüler bei der Anfängerschulung sehr, der Verbrauch ist massiv geringer als mit den Benzin Saugmotoren.

Das gleiche Flugzeug mit Turbodiesel hat deshalb auch deutlich mehr Reichweite als das Lycoming-Pendant (Cadet, Warrior, Archer, DA40)

Durch den billigeren Treibstoff und den geringen Verbrauch ergibt sich eine kräftige Kostenersparnis. Leider wird diese aber mehr als wieder aufgefressen durch die Wartungskosten, am Ende ist der Diesel teurer.

Die Geschichte von mountain_Andy kann ich so bestätigen. Der Motor ist viel komplexer und hat eine grosse Anzahl von Sensoren (Druck, Temperatuir, etc.) welche durch die Motorelektronik überwacht werden. Durch die grosse Anzahl Sensoren treten entsprechend mehr Störungen (der Sensoren) auf, welche im Flug zu Warnungen und danach am Boden zu Werkstattaufenthalten, Standzeiten (AOG) und teuren Rechnungen führen.

 

Von nicht erreichen der TBR (es gibt keine TBO, denn es gibt keinen Overhaul sondern Replacement) habe ich nur selten gehört. Ich kenne einen Fall, wo die Steuerkette gerissen ist mit entsprechendem Ventilsalat und Motorausfall. Bei der nachfolgenden Notlandung ereignete sich ein schwerer Unfall. Ich kenne einen andern Fall, wo eine Einspritzdüse nicht mehr korrekt schloss. In der Folge wurde der Kolben des betroffenen Zylinders überlastet und überhitzt und kriegte schliesslich ein Loch. Nebst merklichem Leistungsabfall führte dies dazu, dass der Druck im Kurbelgehäuse viel zu gross wurde und der Motor in der Folge viel Öl durch die Kurbelgehäuseentlüftung von sich gab. Der Motor lief aber tapfer weiter bis und inklusive Landung auf dem Flugplatz. Ein weiterer Fall vor inzwischen langer Zeit, den ich kenne, betraf die Kupplung zwischen Motor und Getriebe bei dern Thielertmotoren. Die Kupplung verschliss und rutschte komplett durch, wodurch der Schub des Motors völlig zusammenbrach. In der Folge kam es zu einem schweren Unfall. Das Kupplungsproblem ist inzwischen behoben, hat aber die Firma Thielert in den Ruin getrieben.

 

Die statistische Wahrscheinlichkeit eines Motorausfalls im Flug ist heute gering, im Vergleich jedoch deutlich höher als die der üblichen Lycomings und Contis, erfült aber die Vorgaben der Behörden.

 

Die Motoren haben viel Redundanz und Überwachungseinrichtungen (Sensoren) eingebaut um sich anbahnende Ausfälle frühzeitig zu erkennen und dadurch Totalausfälle im Flug zu verhindern. Es gibt aber ein paar Dinge, die kann man nicht redundant (doppelt) machen, z.B. die Hochdruckeinspritzpumpe, die Förderpumpe zur Hochdruckpumpe oder das Railpressure Regulatorventil. Natürlich auch die Steuerkette oder die Kurbelwelle etc.

Nach meiner Erinnerung ist ein beträchtlicher Anteil der Motorausfälle im Flug auf das Versagen der Förderpumpe oder der Hochdruckpumpe zurückzuführen. Es genügt beispielsweise, wenn eines der Rückschlagventile der Hochdruckpumpe ausfällt. Dann bricht der Einspritzdruck im Rail zusammen und der Motor stellt sofort ab.

 

Die Motorenhersteller begegnen diesem Problem mit einer Lebensdauerbeschränkung der entsprechenden Komponenten, also Pumpen, Einspritzdüsen, Ventilen, Steuerkette etc. müssen nach einer gewissen Laufzeit zwingend ersetzt werden.

Dadurch wird die Ausfallwahrscheinlichkeit geringer und der Wartungsaufwand steigt.

 

Gruss

Philipp

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Wie kann es sein, dass bei einem einfachen Diesel Motor im 21JH und Industrie 4.0 mit zig Sensoren diese ausfallen? Was ist an denen so besonders? Vibration, Höhe, Kälte?

Insb. man ja im Flug nicht weiss, ob der Sensor spinnt oder wirklich ein Defekt vorliegt. Parken an der Seite geht ja nicht.

Danke.

Markus

Gesendet von meinem SM-G975F mit Tapatalk

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vor 3 Stunden schrieb Gulfstream:

Wie kann es sein, dass bei einem einfachen Diesel Motor im 21JH und Industrie 4.0 mit zig Sensoren diese ausfallen? Was ist an denen so besonders? Vibration, Höhe, Kälte?

Insb. man ja im Flug nicht weiss, ob der Sensor spinnt oder wirklich ein Defekt vorliegt. Parken an der Seite geht ja nicht.

Danke.

Markus

Gesendet von meinem SM-G975F mit Tapatalk
 

Genau das frage ich mich auch… Die Dieselmotoren in den PW‘s funktionieren ohne Störungen jahrelang… Vielleicht kann uns @Brufi etwas dazu sagen?

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Ich bin letztens zufällig über dieses Video gestolpert und fand es ziemlich interessant:



Gibt es bei der Zuverlässigkeit zwischen Thielert und AustroEngine grosse Unterschiede? Das mit der TBO macht ja wirklich alles kaputt, kein Wunder bringt man Avgas nicht tot.
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Zu glauben, dass man irgendetwas so bauen kann, dass es absolut zuverlässig funktioniert, ist eine Illusion, eine weitverbreitete Ansicht aber eine Illusion. Jedes technische Ding hat eine gewisse statistische Ausfallwahrscheinlichkeit, jedes! Es gibt keine absolute Sicherheit, nirgends.

Das ist übrigens nicht nur mit der Technik so, sondern mit allem, z.B. mit der Medizin. Ich war beim Kardiologen zur Routineuntersuchung. Belastungs EKG, Echokardiographie etc. etc. Am Ende sagte er, es sei alles in Ordnung, keinerlei Hinweise auf irgendwelche krankhaften Veränderungen jeglicher Art. Hurra. Aber, das garantiere nicht 100%ig, dass ich nicht doch in den nächsten paar Minuten einen Herzinfark erleiden könnte, bloss die Wahrscheinlichkeit dafür sei einfach sehr sehr gering.

Die ganzen Sensoren und Bauteile fallen ja nicht täglich und massenweise aus, im Gegenteil, wir machen überwiegend die Erfahrung, dass alles funktioniert, aber bei so komplexen Systemen wie einem modernen Common Rail Diesel gibt es im Vergleich zu einem herkömmlichen Lycoming  in der Summe einfach ein Mehrfaches an Chancen, dass irgend eine kleine Störung auftritt und eine Fehlermeldung aufleuchtet. Die Konsequenz daraus ist, dass diese Motoren statistisch gesehen häufiger und zwar schnell mal 2-5 mal häufiger, wegen einer Störung am Boden bleiben und ungeplante Maintenance brauchen als andere, ältere, simplere  Konstruktionen mit althergebrachter Technik und höherem Treibstoffverbrauch.

In einem ähnlichen Mass kommt es auch statistisch gesehen häufiger zu Motorausfällen im Flug als bei den alten Motoren.

Ein weiterer Aspekt ist die immer noch erheblich geringere Betriebserfahrung. Mit zunehmender Erfahrung wird mit kleinen technischen Detailverbesserungen an den Schwachstellen und durch geeignete vorsorgliche Unterhaltsarbeiten (gezielte Inspektionen, Tests, Lebensdauerbeschränkungen von gewissen Komponenten usw.) die Zuverlässigkeit weiter steigen. Das ist ein längstbekanntes und immer wieder von neuem bewiesenes Prinzip.

 

Ich mag mich erinnern, dass mir vor bald 40 Jahren die damals alten Swissair Ingenieure erzählt haben, wie seinerzeit die Motoren der DC-7, die berühmt berüchtigten Wright R-3350 Duplex Cyclone Turbo Compound Motoren, in ihren letzten Betriebsjahren als sie nur noch auf der Südamerika Route eingesetzt wurden, sehr zuverlässig liefen, nachdem sie vorher, bevor die Jets aufkamen, häufig im Flug ausfielen und abgestellt werden mussten (der Scherz war ja, die Super Constellation, welche die selben Motoren hatte, sei das beste dreimotorige Flugzeug aller Zeiten). Man hatte einfach gelernt, wie und wann die Motoren gewartet werden mussten, wann man gewisse Komponenten vorsorglich ersetzen musste usw. und schliesslich wurde eine deutlich verbesserte Zuverlässigkeit erreicht, als dies in den ersten Betriebsjahren der Fall war.

 

In dieser Hinsicht stehen die Dieselmotoren noch deutlich hinter den Lycomings und Contis zurück, obwohl auch bereits markante Fortschritte erzielt wurden.

 

Die Diesel können zwar von den Erfahrungen der Automotoren profitieren, aber man muss schon sehen, dass ein Automotor ein anderes Lastprofil hat. Der Flugmotor läuft bei Start und Steigflug mit 100% bis 90% Last, im Reiseflug stundenlang mit 70 oder 75% und erst beim Sinkflug und Anflug mit 40 - 20%. Das ist eine ganz andere Belastung und gewisse Teile, die im Automotor Jahre und Jahre durchhalten, zeigen im Flugmotor nach ein paar 100 Stunden eine deutlich erhöhte Ausfallrate.

 

Gruss

Philipp

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vor 3 Stunden schrieb mountain_Andy:

Genau das frage ich mich auch… Die Dieselmotoren in den PW‘s funktionieren ohne Störungen jahrelang… 

Das stimmt nur im Einzelfall. Statistisch gibts durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Störungen.

Aber die Einzelfälle gibts auch bei Flugdieseln welche jahrelang ohne Störung laufen.

 

Und wenn ich meinen eigenen Lycoming O-320 ansehe, dann hat er bereits zwei Elektrostarter, zwei Zündmagnete und einen Auspuffschalldämpfer "verbraucht" und einmal Valve-Sticking erlitten. Innerhalb von rund 500 h. Ist auch nicht nichts.

 

Gruss

Philipp

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vor 9 Stunden schrieb Brufi:

 Jedes technische Ding hat eine gewisse statistische Ausfallwahrscheinlichkeit, jedes! Es gibt keine absolute Sicherheit, nirgends.

 

Die ganzen Sensoren und Bauteile fallen ja nicht täglich und massenweise aus, im Gegenteil, wir machen überwiegend die Erfahrung, dass alles funktioniert, aber bei so komplexen Systemen wie einem modernen Common Rail Diesel gibt es im Vergleich zu einem herkömmlichen Lycoming  in der Summe einfach ein Mehrfaches an Chancen, dass irgend eine kleine Störung auftritt und eine Fehlermeldung aufleuchtet. Die Konsequenz daraus ist, dass diese Motoren statistisch gesehen häufiger und zwar schnell mal 2-5 mal häufiger, wegen einer Störung am Boden bleiben und ungeplante Maintenance brauchen als andere, ältere, simplere  Konstruktionen mit althergebrachter Technik und höherem Treibstoffverbrauch.

 

 

Danke für deine Einschätzung Philipp.

 

Die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Maschine durch die Sensoren sehe ich im Generellen heute deutlich tiefer als noch vor 10 Jahren. Die OEE (Overall Equipment Effectiveness) muss beim einem Common Rail bei nahezu 99% liegen - die Technologie ist mehrere Jahre alt (1997 eingeführt). Die Qualität hingegen der Sensoren variiert enorm. Und das kann hier der Fall sein, dass schlechte eingebaut sind, welche dann reagieren. 

Ergo wäre es nicht Lycoming gegen Diesel, sondern Sensor gegen Sensor. 

 

Wenn aber tatsächlich der Diesel ausfällt, würden mich die Gründe schon interessieren...

Bearbeitet von Gulfstream
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vor 10 Stunden schrieb Brufi:

Zu glauben, dass man irgendetwas so bauen kann, dass es absolut zuverlässig funktioniert, ist eine Illusion, eine weitverbreitete Ansicht aber eine Illusion. Jedes technische Ding hat eine gewisse statistische Ausfallwahrscheinlichkeit, jedes! Es gibt keine absolute Sicherheit, nirgends.

Das ist übrigens nicht nur mit der Technik so, sondern mit allem, z.B. mit der Medizin. Ich war beim Kardiologen zur Routineuntersuchung. Belastungs EKG, Echokardiographie etc. etc. Am Ende sagte er, es sei alles in Ordnung, keinerlei Hinweise auf irgendwelche krankhaften Veränderungen jeglicher Art. Hurra. Aber, das garantiere nicht 100%ig, dass ich nicht doch in den nächsten paar Minuten einen Herzinfark erleiden könnte, bloss die Wahrscheinlichkeit dafür sei einfach sehr sehr gering.

Die ganzen Sensoren und Bauteile fallen ja nicht täglich und massenweise aus, im Gegenteil, wir machen überwiegend die Erfahrung, dass alles funktioniert, aber bei so komplexen Systemen wie einem modernen Common Rail Diesel gibt es im Vergleich zu einem herkömmlichen Lycoming  in der Summe einfach ein Mehrfaches an Chancen, dass irgend eine kleine Störung auftritt und eine Fehlermeldung aufleuchtet. Die Konsequenz daraus ist, dass diese Motoren statistisch gesehen häufiger und zwar schnell mal 2-5 mal häufiger, wegen einer Störung am Boden bleiben und ungeplante Maintenance brauchen als andere, ältere, simplere  Konstruktionen mit althergebrachter Technik und höherem Treibstoffverbrauch.

In einem ähnlichen Mass kommt es auch statistisch gesehen häufiger zu Motorausfällen im Flug als bei den alten Motoren.

Ein weiterer Aspekt ist die immer noch erheblich geringere Betriebserfahrung. Mit zunehmender Erfahrung wird mit kleinen technischen Detailverbesserungen an den Schwachstellen und durch geeignete vorsorgliche Unterhaltsarbeiten (gezielte Inspektionen, Tests, Lebensdauerbeschränkungen von gewissen Komponenten usw.) die Zuverlässigkeit weiter steigen. Das ist ein längstbekanntes und immer wieder von neuem bewiesenes Prinzip.

 

Ich mag mich erinnern, dass mir vor bald 40 Jahren die damals alten Swissair Ingenieure erzählt haben, wie seinerzeit die Motoren der DC-7, die berühmt berüchtigten Wright R-3350 Duplex Cyclone Turbo Compound Motoren, in ihren letzten Betriebsjahren als sie nur noch auf der Südamerika Route eingesetzt wurden, sehr zuverlässig liefen, nachdem sie vorher, bevor die Jets aufkamen, häufig im Flug ausfielen und abgestellt werden mussten (der Scherz war ja, die Super Constellation, welche die selben Motoren hatte, sei das beste dreimotorige Flugzeug aller Zeiten). Man hatte einfach gelernt, wie und wann die Motoren gewartet werden mussten, wann man gewisse Komponenten vorsorglich ersetzen musste usw. und schliesslich wurde eine deutlich verbesserte Zuverlässigkeit erreicht, als dies in den ersten Betriebsjahren der Fall war.

 

In dieser Hinsicht stehen die Dieselmotoren noch deutlich hinter den Lycomings und Contis zurück, obwohl auch bereits markante Fortschritte erzielt wurden.

 

Die Diesel können zwar von den Erfahrungen der Automotoren profitieren, aber man muss schon sehen, dass ein Automotor ein anderes Lastprofil hat. Der Flugmotor läuft bei Start und Steigflug mit 100% bis 90% Last, im Reiseflug stundenlang mit 70 oder 75% und erst beim Sinkflug und Anflug mit 40 - 20%. Das ist eine ganz andere Belastung und gewisse Teile, die im Automotor Jahre und Jahre durchhalten, zeigen im Flugmotor nach ein paar 100 Stunden eine deutlich erhöhte Ausfallrate.

 

Gruss

Philipp

Danke für die ausführlichen Schilderungen!

 

Was aus meiner Erfahrung auch dazu kommt: Die Unterhaltsbetriebe können keine Ersatzteillager anlegen für Dieselmotoren. Zum einen, weil die Vielfalt der Teile (Stecker, Sensoren, etc.) Viel zu gross ist, und zum anderen, weil der Hersteller (in unserem Fall Conti) keine Teile liefert, ohne zu wissen in welchem Motor sie verbaut werden. Das verlängert natürlich die Standzeit (schlecht für uns) macht aber aus Sicht der Produkteverbesserung durchaus Sinn (welche Teile gehen in welchem Motor zu welchem Zeitpunkt kaputt).

 

In der Lycoming Welt gibt es vielleicht je zwei verschiedene Typen Starter, Magnete und Vakuumpumpen. Die Anzahl Motoren und Teile im Umlauf ist ein x-faches grösser und daher kann man durchaus ein überschaubares Ersatzteillager führen und hat daher sehr kurze Standzeiten.

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Es gibt noch dieses Bericht der BEA: https://www.bea.aero/etudes/thielert.tae125.engines/thielert.tae125.engines.pdf

Hier wurden die Thielert Motorausfälle analysiert, genauer von den Modellen TAE 125-01 (1.7L) und TAE 125-02-99 (2.0L 135 PS). Vom neueren Modell TAE 125-02-114 (2.0L 155 PS) gab es keine Ausfälle in der Zeitspanne, die das Bericht analysiert (2003-2011).

Das Bericht bestätigt, was in diesem Thread schon erwähnt wurde, nämlich dass die Ausfälle am häufigsten von dem Versagen der Förderpumpe oder der Hochdruckpumpe, oder der Kupplung zwischen Motor und Getriebe verursacht wurden. Die meisten dieser Probleme wurden auch schon vom Hersteller behoben, entweder durch neues Design oder durch Lebensdauereinschränkungen oder obligatorische Inspektionen.

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  • 2 Wochen später...

Ein Nachteil der Dieselmotoren finde ich die Nutzlast.

 

Die C172 mit Lycoming die ich fliege ist leer 692kg, MTOW 1089kg = 397kg Nutzlast

 

Die C172 vom Birrfeld mit Dieselmotor ist leer 738kg, MTOW 1043kg = 305kg Nutzlast

 

Das ist doch erheblich weniger. Das erhöhte Leergewicht ist wegen dem schwereren Motor nehme ich an? Der Grund des niederen MTOW der Diesel-Cessna kenne

ich nicht. Hat whs nichts mit dem Diesel-Motor zu tun?

 

Gruss! Philipp

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Das geringere MTOW hat mit dem Type Certificate zu tun und nicht mit dem Motor. Das Flugzeug ist schon immer mit diesem MTOW zertifiziert gewesen.

Es gibt über die Jahre verschiedene Modelle der C-172 und mit fortschreitender Entwicklung ist das MTOW mehrmals erhöht worden. 

 

Trotzdem ist es so, dass der Umbau auf den Diesel Motor das Leergewicht erhöht und die Nutzlast verringert.

Konkret:

  • HB-CNY vor dem Umbau auf Diesel:
  • MTOW = 1043 kg
  • Leergewicht = 679 kg
  • Nutzlast für Insassen+Fuel+Gepäck: 364 kg
  • Leergewicht + Fuel für 02:30h Flug = 745 kg, verbleibende Nutzlast: 298 kg

 

  • HB-CNY nach dem Umbau auf Diesel:
  • MTOW = 1043 kg
  • Leergewicht = 713 kg (34 kg schwerer)
  • Nutzlast für Insassen+Fuel+Gepäck: 330 kg (34 kg weniger)
  • Leergewicht + Fuel für 02:30h Flug = 771 kg, verbleibende Nutzlast: 272 kg (26 kg weniger)

Gruss

Philipp

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