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Interessantes Urteil vom Schweizer Bundesgericht in einem Unfall mit Gleitschirmpiloten


cosy

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Wie allgemein bekannt ist, sind BG-Urteile wichtig für die Deutung und Ausgestaltung des geltenden Rechts. So wird jeder BG-Entscheid immer gern zerpflückt.

 

Der Zusammenstoss zweier Gleitschirmpiloten in Ausbildung im August 2019 wurde vom Bundesstrafgericht so entschieden:

https://ffac.ch/wp-content/uploads/2022/07/2022.02.08-Bundesstrafgericht-BB.2021.73-Kommentar.pdf

 

Interessant ist die Frage der Schuldfähigkeit der beiden "Kommandanten des Fluggeräts". 

 

Anmerkung:

Unfälle von Gleitschirmen, Deltas und anderen Luftsportgeräten werden nicht von der SUST (fr. SESA) untersucht. 

Dies ist in der VFU (Verordnung über Unfalluntersuchungen) im Art. 2 Absatz 1 Buchstabe b so bestimmt.

In Frankreich ist es ähnlich: die BEA untersucht nur Unfälle der GA , also alle als Luftfahrzeuge (Aeronef) bezeichneten Geräte. ULM's gehören nicht dazu. Diese sind aber ein Thema für die BEA, wenn der Unfall eine grosse Bedeutung für die Luftfahrt als Ganzes hat, also quasi 'exemplarisch' ist.

 

 

Cosy a.k. Bruno

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Kannst Du die entscheidenden/interessanten Stellen daraus zitieren? Ich hätte jetzt nicht Lust, das PDF zu studieren.

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Kurzzusammenfassung:

Erleidet der Täter durch seine Tat schwere und unmittelbare Folgen, könne gemäss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts gestützt auf Art. 54 StGB auch bei schwerem Verschulden von einer Bestrafung abgesehen werden.

 

Zusammenfassung/Urteil:

Im August 2019 kollidierten die Gleitschirmflugschüler A und B ca. 15-30m über dem Boden. Der Gleitschirm von B stürzte unkontrolliert ab und er erlitt schwere Verletzungen. Die Bundesanwaltschaft eröffnete zuerst eine Untersuchung wegen Störung des öffentlichen Verkehrs und fahrlässiger Körperverletzung gegen A, dehnte diese aber nach diversen Abklärungen auch wegen Störung des öffentlichen Verkehrs auf B aus.

Das Verfahren gegen B wurde von der Bundesanwaltschaft nach knapp einem Jahr eingestellt, woraufhin A Beschwerde erhob und dabei die Aufhebung der Einstellungsverfügung sowie die Rückweisung an die Bundesanwaltschaft für die weitere Abklärung des Sachverhalts beantragte.

 

Die Staatsanwaltschaft verfügt gemäss Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO die Einstellung, wenn nach gesetzlicher Vorschrift auf die Strafverfolgung oder Bestrafung verzichtet werden kann. Nach Art. 54 StGB sieht die zuständige Behörde von einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn der Täter durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat so schwer betroffen ist, dass eine Strafe unangemessen wäre. Eine Strafbefreiung habe gemäss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts dann zu erfolgen, wenn der Täter schon genug bestraft erscheine und die Ausgleichsfunktion der Strafe bereits erfüllt sei. Die Betroffenheit des Täters müsse dabei schwer und direkt Folge des verübten Delikts sein. Vorliegend könne gemäss Bundesanwaltschaft nicht abschliessend geklärt werden, ob B die Pflicht gehabt hätte auszuweichen, oder ob er im Flug vortrittsberechtigt gewesen wäre. Das Prinzip des „see and avoid“ sei jedoch möglicherweise verletzt worden. Das nur mögliche hypothetische Verschulden lasse eine Bestrafung deshalb mangels erheblichen Drittschadens und in Anbetracht seiner schweren Verletzungen als unangemessen erscheinen. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, dass B die Kollision alleine und schuldhaft verursacht habe und die Sache deshalb für eine ordentliche Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen sei. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hält jedoch fest, dass die Anwendung von Art. 54 StGB auch bei schwerem Verschulden nicht ausgeschlossen wäre, da B durch die unmittelbaren Folgen so schwer betroffen sei. Aus diesem Grund könne auf die Prüfung der Schwere des Verschuldens von B verzichtet werden. Zudem habe die Bundesanwaltschaft diverse sachverhaltsrechtliche Abklärungen vorgenommen, weshalb ihnen nicht vorgeworfen werden könne, den Sachverhalt ungenügend abgeklärt zu haben.

 

Die gestützt auf Art. 54 StGB erfolgte Einstellungsverfügung ist deshalb gemäss Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts nicht zu beanstanden. Die Beschwerde sei deshalb unbegründet und vollumfänglich abzuweisen. Der Entscheid ist rechtskräftig.

 

Quelle: www.ffac.ch

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Hier wird der Fall etwas ausführlicher dargestellt: 

 

Bundesstrafgericht - Beschwerdekammer: Strafverfahren - Urteil vom 08.02.2022 (swissrights.ch)

 

Zitat

Beide Piloten hätten anlässlich der Einvernahmen angegeben, dass sie sich erst kurz vor dem Zusammenstoss gesehen hätten. Hätten beide Piloten die Situation richtig eingeschätzt und ein ihrer Fluglage entsprechendes Ausweichmanöver vollzogen, hätte die Kollision vermutlich verhindert werden können. Weiter hielt die Kantonspolizei Bern fest, dass sich der Unfall leicht oberhalb des Hangs in einem flacheren Geländeabschnitt ereignet habe, weshalb sich die Frage stelle, ob bei der Unfallstelle eher die Hangflugregel (wer den Hang links hat muss nach rechts ausweichen) oder die normale Ausweichregel (beide weichen nach rechts aus) zum Tragen komme. Die Frage habe auch der einvernommene Fluglehrer nicht abschliessend beantworten können.

 

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  • 2 Wochen später...
Flieger-Chrigel
Weiter hielt die Kantonspolizei Bern fest, dass sich der Unfall leicht oberhalb des Hangs in einem flacheren Geländeabschnitt ereignet habe, weshalb sich die Frage stelle, ob bei der Unfallstelle eher die Hangflugregel (wer den Hang links hat muss nach rechts ausweichen) oder die normale Ausweichregel (beide weichen nach rechts aus) zum Tragen komme. Die Frage habe auch der einvernommene Fluglehrer nicht abschliessend beantworten können.

Als Involvierter ist mir der Fall detailliert bekannt und ich bin froh, dass das BG so urteilte. Diese Situation kommt in der Praxis öfters vor und es wäre problematisch, einen solchen Präzedenzfall zu haben.
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