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Abstand im Anflug


mrueedi

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Ich möchte gerne einige Fragen stellen, die das Sequencing im Anflug betreffen:

 

Die Geschwindigeit eines voll konfigurierten Flugzeuges im Endanflug ist fix (Feststellung).

 

1) Bis zu welchem Zeitpunkt im Anflug kann der Controller die Geschwindigkeit vorgeben (als Hilfsmittel um eine korrekte Separierung zu erhalten)?

2) Ist das noch möglich wenn das Flugzeug bereits auf dem ILS etabliert ist?

 

Wenn es während dem Endanflug nicht mehr möglich ist, bedeutet dies, dass aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeiten verschiedener Flugzeugtypen, der Abstand zu Beginn des ILS nicht immer gleich sein muss.

 

3) Wird der Abstand zwischen den Flugzeugen beim auflinieren auf das ILS überhaupt typabhängig durchgeführt oder lässt der Controller einfach eine in allen Fällen genügend grosse Lücke?

4) Was gilt als Kriterium für die Angabe des 'Abstandes': Die Distanz zwischen Flugzeugen (in nm) oder die Zeit, bis ein Punkt vom folgenden Flugzeug überflogen wird?

 

Zusammenfassend soll folgendes Beispiel den Kern meiner Fragen aufzeigen:

Folgende drei Flugzeuge sollen in dieser Reihenfolge mit minimalen Abständen landen:

a) Eine MD11 (-> hohe Geschindigkeit im Endanflug)

b) Eine Saab 2000 (-> weniger hohe Geschindigkeit im Endanflug)

c) Eine MD11 (-> hohe Geschindigkeit im Endanflug)

 

Theorethisch müsste die Saab der ersten MD11 beim intercepten des ILS mit minimalen Anstand folgen, da der Abstand bis zum Aufsetzen immer nur zunehmen wird. Die zweite MD11 hingegen muss der Saab in einem grösseren Abstand auf das ILS folgen, da die MD11 während dem Anflug die Distanz zur Saab veringern wird. Wenn die Saab am Boden ist dürfte die MD11 bis auf die minimale Distanz herangekommen sein. Soweit zur Theorie!

 

5) Nach welchen Grundsätzen (Distanzen, Zeiten) würde der Controller beim gegebenen Beispiel das Sequencing durchführen?

6) Was gilt als Separiert wenn ein Flugzeug (wie im Beispiel die Saab) bereits gelandet ist und im Begriff ist die Piste zu verlassen und ein anderes Flugzeug im Endanflug ist? Oder gibt es in dem Fall das Separierungskriterium nicht mehr sondern nur noch 'Piste frei'?

7) Zieht der Controller die effektive exakte Zeit bis die Piste wieder frei sein wird von Anfang an für das Sequencing in Betracht oder ist das Vorgehen mehr ein 'wir peilen einen typischen mit einigen Reserven ausgestatten Abstand an und schauen wie es sich entwickelt um dann evtl kleinere Korrekturen (speed restr.) zu machen'?

 

Vielen Dank für die Möglichkeit diese Fragen hier zu stellen und natürlich auch für die Antworten!

 

Gruss Martin

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Hallo,

 

ich versuche mal ein bisschen zu antworten - da ich nicht im Approach arbeite, müsste dann z.B. Markus oder Sigi noch ergänzen (oder korrigieren??? :confused: ).

 

Also:

 

1) Eine vorgegebene Geschwindigkeit gilt normalerweise bis 4NM Final - danach darf reduziert werden, um die 'final approach speed' zu erreichen.

 

2) durch Antwort 1 schon beantwortet.

 

3) Ja - ist eine Seneca vor einer MD11, so wird die MD11 wohl kaum 3 Meilen hinter der Seneca aufliniert - abhängig vom Typen kann in diesem Fall ja nicht mit der gleichen Geschwindgkeit angeflogen werden.

 

4) Es wird mit NM gearbeitet - aber nicht mit der wirklichen Distanz zwischen den Flugzeugen, sondern der Distanz auf dem Radar (Position über Grund). Durch den Sinkflug sind sie dann ein bisschen weiter voneinander entfernt, aber dieser Unterschied ist minim.

 

Zu Deiner Theorie: Eine SB20 kann meines Wissens mit einer MD11 auf dem Anflug auf gleiche Geschwindigkeit gesetzt werden....sie reduziert aber dann ab 4NM beträchtlich. Und vorallem: Es müssen 'wake turbulence separations' berücksichtigt werden, in diesem Fall (SB20 hinter MD11) small behind heavy - dadurch muss der Abstand vergrössert werden.....was natürlich kontraproduktiv ist, wenn man die Leistungen der Flugzeuge anschaut, aber Sicherheit geht natürlich vor.

 

5) Details müssen APP-Lotsen liefern.

 

6) Unter gewissen Umständen (Tag, Piste trocken, gute Sicht) kann der nachfolgende zur Landung 'gecleared' werden, wenn der vorhergehende schon eine bestimmte Distanz (die Zahlen habe ich nicht mehr im Kopf) auf der Piste zurückgelegt hat. Bei Props ist diese Distanz kleiner als bei Jets.

 

7) Meistens wird der Controller mit Reserve auf's ILS auflinieren, und dann (wie beim PacMan-Spiel) den hinteren mit grösserer Geschwindigkeit aufholen lassen, bis man die gewünschte Distanz hat. Welche Distanz angewendet wird, um dann nicht die Piste blockiert zu haben: Da gehört Erfahrung dazu, welche Flugzeugtypen (und Airlines!!!) mehr Zeit brauchen, die Piste zu verlassen, welche ab 4NM brüsk reduzieren etc.

 

Ich hoffe, mal ein paar Fragen beantwortet zu haben. Wie gesagt: für Präzisierungen muss wohl ein anderer herhalten (bin auch zu faul, meine Ausbildungs-Manuals aus der Papiersammlung zu holen um nachzuschauen ;) ).

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Markus Oppliger

Salut Martin

 

Alles was Urs schon geschrieben hat stimmt, darum von mir eigentlich nur noch mehr Details:

 

1. Bei 4 NM muss der Pilot die final configuration zur Landung erstellt haben, desshalb dürfen wir in Zürich normalerweise nur bis 5NM final einen "vernünftigen" Speed zuteilen.

Als Faustregel gilt: bis 12NM 210Kts, dann 180kts bis 8NM, dann 160kts bis 5 NM final

 

2. Minimum Abstand mit einem APP-Radar ist 3NM. Falls also nicht wake turbulence oder eine ungünstige Sequenz ein Problem darstellen, versuchen wir 3NM Abstand zu machen, wobei sich das natürlcih auf das Endergebnis bezieht. So wie Urs schon gesagt hat, fängst Du mal mit 4-5 NM an, gibst dem Hinteren einen höheren Speed und lässt ihn "auflaufen". Durch unsere Erfahrung wissen wir, wann wir (je nach Wind, FLZ-Typ, ev. Pilot, Fluggesellschaft, Sicht, RVR, Ver VIS etc) die Flieger bremsen müssen, damit wir erstens keine Unterschreitung der Minimalabstände riskieren, + der hintere auch noch landen kann.

 

3. Wir wissen, bzw. fragen den Piloten, welchen Speed er fliegen kann. Grundsätzlich können alle Airliner mind. 160kts fliegen. Das ist für uns wichtig, da ja ab 8NM normalerweise dieser Speed zur Anwendung kommt.

Falls wir also einen Seneca haben oder "noch schlimmer" einen einmotorigen Piper/Cessna, dann bringen wir ihn strategisch in Position bei etwa abeam 12 Final. Das will heissen, dass wir den Pilot an diesem Ort villeicht ein zwei orbits fliegen lassen, oder ihn an diesem Ort mit headings "herum-vectern". Dann hast Du nämlich die Möglichkeit, den langsamen Prop recht knapp hinter einen SAAB oder Embraer zu nehmen, wo Du keine wake hast.

 

Und wenn Du es noch geschickt fertig bringst, dass Du den Prop möglichst bei etwa 9 - 11 NM auf den localizer auflinierst, verlierst Du am wenigsten Meilen, da der SAAB ja dem Seneca/Piper davonfliegt.

Hinter dem Senaca/Piper machst Du mal ein grösseres Loch und stellst sicher, dass wenn der Piper/Senaca den Boden berührt, der nachfolgende Flieger nicht näher als 3 - 4 NM final ist.

 

4.Zu Deiner MD11 - SAAB Frage:

Da der die SAAB-Crews sehr schnell im Verlassen der Psiten sind, reichen 3NM Abstand des MD11's bei touchdown des SAAB's.

 

Das ergibt also für Dein Beispiel: MD11 touchdown: SAAB mind. 5NM dahinter wegen wake turbulence, SAAB touchdown: MD11 mind. 3NM dahinter wegen Minimumabstand - dies wie gesagt die Abstände, wenn der Vordere am Boden ist. Vorher sind's natürlich ein wenig mehr wegen dem Auflaufen + wir den Piloten ja normalerweise einen höheren Speed zuteilen, je weiter diese vom Flugplatz entfernt sind! Die Piloten wollen ja nicht schon 40NM vom Flugplatz die Flaps setzten und schon 180kts fliegen....

 

5. Zu Deiner RWY-Frage.

Es dürfen bei VMC, breaking action good, Tag, Info an den hinteren Piloten, 2 FLZ gleichzeitig auf der Piste sein, sofern zusätzlich zu den genannten Bedingungen der Vordere moving ist + mind. 2400 Meter von der Psitenschwelle entfernt (falls der nachflogende ein Prop ist genügen lediglich 1500 Meter!)

 

Falls die oben genannten Bedingungen nicht erfüllt isind, muss der Vordere von der Piste weg sein, bevor der Hintere die Pistenschwelle überfliegt. Die landing clearance kann aber schon vorher geben werden, nämlich dann, wenn reasonable ensurance besteht, dass der Vordere weg ist, bevor eben der Hintere über die Pistenschwelle fliegt + Info an den Nachfolgenden Piloten.

 

6.Ueber die Sequenz kann und darf immer gestritten werden, da sehr viele Faktoren diese Entscheidung beeinflussen. Meistens ist es so, dass derjenige, der zuerst kommt, auch zuerst anfliegen kann - Ausnahmen bestätigen die Regeln, z.B. wenn's Holding gibt, langsame Props, Notfälle, CB's etc.

 

So, hoffe ich konnte einige Fragen beantworten.

 

Gruss

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Es wurde fast alles gesagt. Ich möchte nur nochmals präzisierend auf die Unterscheidung zwischen Separation von Flugzeugen im Endanflug und der Pistenseparation hinweisen. Erfolgt die Separation im Endanflug mittels Radar, so gelten die von meinen Kollegen genannten Minima (3 NM mit Anflugradar, kann auf gewissen Flugplätzen unter bestimmten Bedingungen auf 2,5 NM reduziert werden, bzw. Wake turbulence-Abstände). Die Separation im Endanflug kann aber auch dadurch erfolgen, dass das nachfolgende Flugzeug das Vordere in Sicht hat und selbständig Abstand hält. In diesem Falle können die mit Radar gültigen Minima auch unterschritten werden.

 

Letztlich massgeblich, ob ein Flugzeug auf einer Piste landen darf, ist jedoch die Pistenseparation (Normalfall: Piste frei, wenn nachfolgendes Flugzeug die Pistenschwelle überfliegt; unter bestimmten Bedingungen: reduzierte Pistenseparation (vgl. Antwort Markus); bei Low Visibility Procedures: ILS Sensitive Area frei von Flugzeugen, wenn Flugzeug bei 1 NM im Endanflug). Je nach Wetterbedingungen, Pistenzustand und involvierten Flugzeugtypen wird sie früher oder später erreicht. Die Separation im Endanflug hat sich demnach auf die Pistenseparation auszurichten.

 

Gruss

 

Sigi

ATCO TWR/APP Zürich

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Super, vielen herzlichen Dank an Euch Fluglotsen!:)

 

Damit ist die Frage ziemlich erschlagen!

 

Gruss Martin

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