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Wie funktioneren Druckkabinen genau?


Michael B

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Hallo zusammen

 

Im Zusammenhang mit dem tragischen Unglück der Helios-Maschine vom vergangenen Sonntag habe ich mich gefragt, wie denn eine solche Druckkabine genau funktioniert.

Dass man mit diversen Ventilen den Kabinendruck regulieren kann bis zu einem gewissen "Delta-P" gegenüber dem Aussendruck ist mir ansatzweise klar. Was mich mehr interessiert ist, wie das mit der Sauerstoff-Versorgung in Druckkabinen funktioniert. Ich kann mir irgendwie schwer vorstellen, dass man eine einfache Lüftung einbauen kann, welche die Kabine mit Frischluft versorgt, da es ja in rund 10km sehr wenig Sauerstoff gibt...

Haben da die Airliner etwa Sauerstoff-Tanks an Bord, welche die "alte" Kabinenluft mit frischem Sauerstoff anreichert?

 

En Gruess

 

Michi

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Hallo Michi

 

Hab mich auch schon das gleiche gefragt (auch schon vor dem gestrigen Absturz).

Eine fachkundige Antwort würde mich also auch interessieren. Vor allem jetzt auch, weshalb der Ausfall einer Druckkabine nicht mit Sauerstoffmasken überbrückt wurde. Da müsste es doch Möglichkeiten geben...

 

@Michi:

Die Luft hat auch in 20km Höhe gleich viel Sauerstoffanteil wie am Boden - allerdings ist der Druck viel geringer, weshalb pro Kubikmeter Luft weniger Teile sind. Darum muss man auch mehr atmen, wenn es höher geht.

Wenn man die Luft aber wieder komprimiert (System Druckkabine), hat man wieder das gleich dichte Gemisch wie auf Meereshöhe oder im Fall von Druckkabinen etwa 2000 MüM. Ich gehe also davon aus, dass es keine Sauerstofftanks braucht...

 

Gruss,

Michi

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Sali zämä! :)

 

Der Michi Moos hats schon prächtig formuliert:

Auch in den Höhen hats immer noch den gleichen Anteil Sauerstoff in der Luft wie hier unten, nur da die Luftteilchen dünner gesäät sind, kriegt man dann halt pro Atemzug - da begrenztes Volumen - nur noch eine reduzierte Anzahl Sauerstoffteilchen in den Brutkreislauf.

Dies lässt sich entweder überbrücken, indem man komprimierte Luft einatmet oder indem man den Sauerstoffanteil der Luft künstlich anhebt, damit pro Atemzugvolumen auch mit reduziertem Luftdruck wieder genügend Sauerstoffteilchen in den Blutkreislauf treten.

 

Beim Flieger hat man nun faulerweise nicht nur Druckluftmasken installiert, sondern gleich den gesamten Flieger unter Druck gesetzt.

 

Die Regulierung des Luftdrucks funktioniert aber nicht wie meistens vermuteterweise über den Zufluss, sondern durch die Regulierung des Abfluss.

Da ein Flugzeugrumpf nämlich kein absolut dichtes Ding ist, haben wir sowieso schon ein Druckverlust, und indem wir nun grössere Löcher im Rumpf reguliert mehr oder weniger verschliessen, lassen wir mehr oder weniger Luft ab. Möchten wir nun den Druck in der Kabine erhöhen, so schliessen wir diese Löcher, wenn wir den Druck reduzieren wollen, so öffnen wir diese künstlichen Lecks.

Deshalb ist es auch nie möglich, einen niedrigeren Druck als in der umgebenden Atmosphäre im Inneren des Fliegers zu haben.

 

Die in die Kabine geblasene Luft kommt als bleedair von den Triebwerken und wird in den airconditioningpacks temperatur- und feuchtigkeitsmässig aufbereitet (auf ein bestimmtes, regulierbares Mass gekühlt sowie entfeuchtet) und dann über diverse ducts im Flieger verteilt. Sobald also die airconditioning online ist, beginnen wir den Rumpf aufzublasen, da wir jedoch am Boden diese Lecks voll geöffnet haben und auch noch die Türen nicht geschlossen sind, ergibt sich keine Druckänderung.

 

Für diese Regulierung der Leckage gibts dann eben Ventile, je nach exakter Funktionsweise und Ansteuerung sowie auch Flugzeugproduzent werden die verschieden genannt, die wohl meistbenutzten Namen sind: outflow-valves oder discharge-valves.

 

Die Bedienung geschieht meist über einen elektronischen Controller, dem man lediglich noch die Landehöhe sowie die CruiseHohe mitteilt (heutzutage sogar meist automatisch direkt vom FMS gespiesen), der dann die Kabinenhöhe automatisch und mit möglichst geringer Steig-/Sinkrate anpasst.

Als backup ist fast immer noch eine manuelle Steuerung vorhanden, wo man manuell die Stellung der Valves steuern kann. Damit ändert mann dann die Steig-/Sinkrate der Kabine und muss diese ständig von Hand wieder korrigieren, was ein wenig mehr Arbeitsaufwand seitens F/O verlangt... ;)

 

Zusätzlich haben die controller meist noch so nette features wie Ditching-, zero-change- und Dump-Modus.

Beim ditching werden die outflow-valves geschlossen, das sonst bei einer Wasserung eben nicht nur Luft von Drinnen nach Draussen kann, sondern bei Druckgleichheit eben auch Wasser von Aussen nach Innen. Und da Erfahrungsgemäss das Aussteigen aus einem Flugzeug an der Luft besser geht als unter Wasser, möchte man natürlich sämltichen Wasserleckagen in den Rumpf tunlichst vermeiden... ;)

Beim zero-change wird bei Regionalflügen der Kabinendruck so geregelt, dass man ständig auf der gleichen Höhe wäre, sprich es findet kein Steigen oder Sinken in der Kabine statt. Geht allerdings nur bis zum maximal zulässigen Differenzdruck der Kabine, darüber steigts auch hier...

Und beim Dumpmodus möchte man aus welchen Gründen auch immer möglichst schnell der Kabinendruck an den Aussendruck anpassen, damit sich die Türen öffnen lassen. zB wenn man manuel den Kabinendruck regeln musste, und beim Landen immer noch leichten Überdruck hat und evakuieren möchte. Deshalb fahren dann die valves in die Stellung voll offen.

 

Bei der Suche im Forum findet man auch noch ein paar Bilder zum Thema sowie ein paar weitere Threads. :)

 

Ich hoffe, ich konnte ein paar erleuchtende Inputs geben... :008:

 

LIebe Gruess, Dani

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Die Luft hat auch in 20km Höhe gleich viel Sauerstoffanteil wie am Boden -

 

Looogiiisch :D Hehe... meinte natürlich die Menge an Sauerstoff, die wir uns auf der Erde gewohnt sind :009:

 

Dies lässt sich entweder überbrücken, indem man komprimierte Luft einatmet oder indem man den Sauerstoffanteil der Luft künstlich anhebt, damit pro Atemzugvolumen auch mit reduziertem Luftdruck wieder genügend Sauerstoffteilchen in den Blutkreislauf treten.

 

Danke für deine sehr ausführliche Erklärung Dani! Nur wie schafft es das System jetzt 'unsere Standardluft' im inneren des Flugzeuges wieder herzustellen? Der Druck in der Kabine wird nun mittels BleedAir von den Triebwerken aufgebaut... Ich nehme an während dem Steigflug wird langsam Luft nach aussen geführt => leichte Kabinendruckabnahme => Delta-P (Innen-Aussen) bleibt konstant. Umgekehrt beim Sinkflug, da wird Luft wieder in die Kabine gepumpt. Verstehe ich das jetzt richtig?

Aber wie gelangt 'neuer' Sauerstoff in die Kabine? Wohl nicht durch die Packs oder? Ist es wirklich so 'einfach' dass Aussenluft angesaugt und komprimiert wird, damit wir wieder genug O2 zu schnaufen haben? :) Also z.B. 10m^3 Aussenluft ergibt dann halt vielleicht 1m^3 Kabinenluft?

 

Danke für die Geduld Dani :))

 

Gruess

 

Michi

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Wilko Wiedemann
Aber wie gelangt 'neuer' Sauerstoff in die Kabine? Wohl nicht durch die Packs oder?

Doch, genauso einfach ist es: Die Zapfluft (Bleed air) der Triebwerke, ist ja ganz normale, komprimierte Aussenluft. Sie wird den Triebwerken entnommen (natürlich vor Treibstoffeinspritzung und Verbrennung) und ströhmt dann via Aufbereitung in den Packs in die Kabine. Die Outflow valves regeln dann, wie von Dani bestens erklärt, den Kabinendruck.

Manche Flieger haben noch eine sogenannte Ram air Klappe, über welche Aussenluft direkt ins Ventilationssystem des Fliegers eingelassen werden kann. Dies dient dann aber nur noch dazu, die Kabine mit Frischluft zu lüften, im Falle eines Ausfalls der Klimaanlage. Luftdruck und Temperatur entsprechen dann aber den Aussenbedingungen, so dass diese Klappe natürlich nur in Flughöhen mit atembaren Bedingungen verwendet wird.

 

Gruss

 

Wilko

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Hi Michael

stell dir die Kabine einfach als großen geschlossenen Zylinder vor.

Um den Druck in dem Zylinder zu regulieren und auch für einen Luftduchsatz zu sorgen brauchst du eigentlich nur zwei Öffnungen.

Durch die eine Öffnung kommt immer neue Luft rein. Diese Luft kommt von den Triebwerken und wird durch die Klimaanlage auf für uns angenehme Temperaturen gebracht.

Die zweite Öffnung ist das Outflow-Valve. Das OFV ist, grob gesagt, ein Regelventil. Ist es voll aufgefahren, geht mehr Luft aus der Zylinder raus als die Klimaanlage nachschieben kann. Der Druck im Zylinder würde sich also früher oder später dem Außendruck angleichen. Ist das OFV komplett zugefahren und die Klimaanlage liefert weiter Luft, steigt der Druck im Zylinder. Die Cabin Pressure Controller haben nun die Aufgabe, das OFV in genau diese Zwischenstellung zu fahren, die Zu- und Abluft im Gleichgewicht hält.

Soll der Druck im Zylinder sinken, fährt das OFV ein Stückchen mehr auf. (Steigflug)

Soll der Druck im Zylinder steigen, fährt das OFV ein Stückchen mehr zu. (Sinkflug)

Bei einem Flugzeug gibt es natürlich noch ein wenig mehr Venilchen und Regeleinrichtungen.

737cpc5yr.th.jpg

Pressure Control 737(Ausschnitt)

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Soll der Druck im Zylinder sinken, fährt das OFV ein Stückchen mehr auf. (Steigflug)

Soll der Druck im Zylinder steigen, fährt das OFV ein Stückchen mehr zu. (Sinkflug)

 

Entschuldige, ist das aber nicht genau umgekehrt...? Wenn der Druck beim Sinkflug steigt, hätten wir ja auf FL350 totalen Durchzug und am Gate würde es beim Türenöffnen gleich die Ramper wegschleudern... :D

 

Gruss

Johannes

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Entschuldige, ist das aber nicht genau umgekehrt...? Wenn der Druck beim Sinkflug steigt, hätten wir ja auf FL350 totalen Durchzug und am Gate würde es beim Türenöffnen gleich die Ramper wegschleudern... :D

Reingefallen...

Ist ein Denkfehler, der schnell passiert.

Gegenfrage:

Ist der Druck in der Kabine im Cruise oder am Boden höher? :005:

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Der LUFTDRUCK ist am Boden natürlich höher, da innerhalb der Druckkabine hoch oben einen gewissen Druck gehalten werden kann, aber nicht den von Meereshöhe. Ich meinte, es wäre ca. analog 3'500 m.ü.M.

Hingegen der Druckunterschied gegenüber der Aussenluft und damit die Kabinenbelastung, ist logischerweise am Boden nicht vorhanden. :)

 

Und, auch reingeflogen...? :D

 

Gruss

Johannes

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Der LUFTDRUCK ist am Boden natürlich höher, da innerhalb der Druckkabine hoch oben einen gewissen Druck gehalten werden kann, aber nicht den von Meereshöhe. Ich meinte, es wäre ca. analog 3'500 m.ü.M.

Hingegen der Druckunterschied gegenüber der Aussenluft und damit die Kabinenbelastung, ist logischerweise am Boden nicht vorhanden. :)

 

Und, auch reingeflogen...? :D

Neeee... ich nicht. :009:

Du schreibst selbst, das der Kabinendruck oben niedriger ist. Gehe ich nun in den Sikflug über und würde das OFV auffahren, fällt mein Kabinendruck und meine Kabinenhöhe geht aufwärts. :p

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Moment... Wer ist vorher also reingefallen? :)

 

Natürlich nimmt auch im Flugzeug der Druck nach oben ab, aber eben nicht gleich stark wie die Aussenluft, sons bräuchte es ja keine Druckkabine. Somit wird also der Druck gegenüber dem sich laufend senkenden Aussendruck erhöht, es findet also in der Kabine einen Druckaufbau statt. :)

 

Falsch? ;)

 

Gruss

Johannes

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Wilko Wiedemann

Hallo

 

Grundsätzlich habt ihr beide recht, aber ihr redet aneinander vorbei.

Soll der Druck im Zylinder sinken, fährt das OFV ein Stückchen mehr auf. (Steigflug)

Soll der Druck im Zylinder steigen, fährt das OFV ein Stückchen mehr zu. (Sinkflug)

Ingo hat hier rein das Verhalten der Kabine erklärt. Das ganze Flugzeug kann in dem Fall etwas ganz anderes machen und auch der Aussendruck spielt hier keine Rolle.

Steigt der Kabinendruck, macht die Kabine theoretisch einen Sinkflug, sinkt der Druck, dann macht die Kabine einen Steigflug, das ist korrekt. Gesteuert wird das Ganze durch die erwähnten Outflowvalves. Hier wird eben oft der Denkfehler gemacht, wie Ingo bereits erwähnte. Wie gesagt, das genannte Beispiel betrifft nur die Kabine, nicht den ganzen Flieger. Je nach dem kann die Kabine sinken, wenn der Flieger steigt, oder auch steigen, wenn der Flieger sinkt, oder beides verhält sich gleich. Das kommt immer auf die aktuelle Flugphase an. Je nach Flieger und Cabin pressure controller, stellt sich nach dem Start der Kabinendruck auf den Wert des Zielflughafens ein, was natürlich höher oder tiefer als am Startflughafen sein kann. So ist also auch zuerst ein "Sinkflug" der Kabine möglich. Die Kabine hält dann den Druck. Erst wenn der maximale Differenzdruck zum Aussendruck erreicht ist, beginnt die Kabine wieder zu steigen und sinkt wieder auf den eingestellten Wert ab, wenn der Flieger wieder sinkt. Kann schon verwirrend sein :D Ein Beispiel: Bei der MD-11 steht am Handregler für den Kabinendruck, welcher das Outflowvalve steuert, nicht "Open" oder "Close", sondern "Climb" um es zu öffnen (Druck runter, Kabinenhöhe rauf) und "Descent" um es zu schliessen (Druck rauf, Kabinenhöhe runter).

 

Gruss

 

Wilko

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Danke euch für die sehr kompetenten Anworten!

 

Ingo hatte doch recht mit seiner Aussage...

Steigflug: wenn max. 'Delta-P' erreicht -> OFV auf und Delta-P bleibt konstant

Sinkflug: OFV macht zu, Packs erhöhen somit den Druck in der Kabine -> Am Boden herrscht dann wieder eine Druckequivalenz Innen<->Aussen.

 

So ist es für mich logisch.. :confused:

 

Gruess

 

Michi

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Ingo hatte doch recht mit seiner Aussage...
e030.gif

 

Am Boden herrscht dann wieder eine Druckequivalenz Innen<->Aussen.
Und hier könnte man noch einen draufsetzen:

Bei T/O-Roll und Landing ist die Kabine sogar tiefer als der Platz (ca. 200 und 300 ft):

flightprofile737ng8xr.th.jpg

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Wenn man erst mit dem Regeln anfangen würde wenn der Flieger abhebt, kommt es zu Druckschwankungen, da der Luftstrom teilweise direkt auf das (weit offene) OFV drückt. Ist das OFV aber schon in einer Regelstellung, tritt dieses Problem nicht auf.

 

 

Desweiteren kann ich nur Mutmaßungen anstellen:

- hält die Türen in der geschlossenen Position (holprige Taxiways)

- ???

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Ingo,

 

Ein Argument, welches mir mal noch beigebracht wurde, ist die Stabilität des Rumpfes, welche durchs leichte aufblasen verstärkt wird.

 

Liebe Gruess, Dani

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