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Eine Maus als Fallschirmspringer


D. Baumgaertner

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D. Baumgaertner

Die Zeit als junger Segelflieger in Süddeutschland war ein glücklicher und unbeschwerter Lebensabschnitt. In den Sechzigerjahren ging es noch überall aufwärts – die Jugendlichen kannten keine Probleme, wie sie heute existieren.

 

So freute man sich schon am Montag wieder auf das Wochenende am Flugplatz. Ganz klar – wo junge Leute zusammen sind, wird auch immer wieder einmal Unfug getrieben. Wände beschmieren, Krawalle inszenieren, Fixen oder ältere Leute attackieren – das kannten wir nicht und das wäre auch weit jenseits unserer Vorstellungen gewesen.

 

Aber Flegel waren wir hin und wieder trotzdem. Wir flogen am Wochenende auf einem Militärflugplatz – an dem es samstags- und sonntags ruhig wie in einer Kirche war. Wenn sich die Segelflugzeuge in der Luft befanden, breitete sich bei der Bodencrew sehr schnell Langeweile aus. Und daraus ergaben sich dann häufig etwas ausgefallene Inspirationen.

 

So geschehen an einem Junitag in den Sechzigern. Die Thermik war vorzüglich, einige Kameraden unterwegs und der Rest lümmelte auf dem Rasen liegend herum und wusste nichts rechtes mit sich anzufangen.

 

An den Rollwegen zur Startbahn waren blaue Lampen auf kegelförmigen Blechsockeln installiert. Jemand kam dahinter, dass man diese zur Seite kippen konnte, da sie nicht fest am Boden verankert waren. Und wenn man die Lampenkegel sehr schnell zur Seite kippte, kamen darunter oft Mäuse zum Vorschein, die einige Augenblicke vom plötzlichen Licht geblendet unbeweglich verharrten und dann in ihren Löchern verschwanden.

 

Da zog sich einer einen alten Lederhandschuh an, kippte einen Lampenkegel zur Seite und griff sich eine Maus. Ein anderer Kollege kam auf die Idee, diese in seiner eben geleerten Milchpackung zu platzieren und ein besonders Phantasievoller orakelte, ob wohl schon jemals eine Maus mit dem Fallschirm abgesprungen sei.

 

Fragende Gesichter rundum! Man solle doch einmal einen Präzedenzfall schaffen – meinte einer der Kollegen und zog ein grosses Stofftaschentuch aus dem Hosensack. Schnell waren auch noch vier Schnüre gefunden und an den Ecken des Taschentuches verknüpft. Durch ein Loch im oberen Rand der Milchbox wurden die Fäden zusammengeführt und verknotet. Die Maus verhielt sich absolut friedlich.

 

Landung unseres „Grunau Baby’s mit Pilotenwechsel. Der Phantasievolle war dran. Er faltete das Taschentuch zusammen und verbarg es mit der Milchbox und der Maus unter seinem Hemd. Der gestrenge Herr Fluglehrer durfte nichts mitbekommen! Kurze Zeit später stieg der Kamerad und seine Maus an der Schleppwinde steil nach oben. Wir warteten gespannt auf das, was da kommen sollte.

 

Linkskurve – der Segler schwebte auf die Startstelle zu – und da flog ein kleines Bündel aus dem Flieger und entfaltete sich Sekunden später. Es war der Fallschirm mit der Maus. Langsam baumelte das Gespann herunter – und landete sanft ein Stück entfernt von uns im Gras. Unter grösstem Gelächter sprinteten wir alle zur Landestelle – der Maus ging es glänzend.

 

Nach der Befreiung aus der Box wurde sie wieder unter ihrem Lampenkegel platziert und ein Stückchen Käse vom Brot eines Kameraden hinterher geschoben. Tapferkeit muss schliesslich belohnt werden!

 

D. Baumgaertner

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Lustige Geschichte, allerdings muss ich protestieren: Nur weil die Medien viel von randalierenden Jugendlichen Berichten, heisst das noch lange nicht dass das bei allen so ist. Auch wenn es lustig gemeint war, irgendeinmal hat man es als (einer von 99.99999% aller Jugendlichen) friedvoller Jugendlicher satt solche Sprüche zu hören. :005:

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D. Baumgaertner

Oh, sorry! Da hast Du mich völlig falsch verstanden. Ich meine mit den Krawallmachern, Kriminellen und Fixern sicherlich nicht die Mehrheit der heutigen Jugendlichen - sondern eine Minderheit, die allerdings sehr viel von sich reden macht (studiere nur einmal die tägliche Medienlandschaft). Segelflieger oder überhaupt Flieger sind da kaum je darunter - da bin ich mir ziemlich sicher. Nun stellt sich aber auch noch die Frage nach den Ursachen für diese Entwicklung, die keinesfalls nur bei diesen abgedrifteten Jugendlichen liegt. Eine geld- und profitgierige, rücksichtslose und eigensüchtige Bande von Sozialverbrechern, die viele Jugendliche zur Chancenlosigkeit verdammt, hat einen erheblichen Anteil an dieser unseligen Entwicklung. Natürlich auch ein Teil des Fernsehens (Gewaltberieselung) sowie eine bestimmte Coleur unserer Presse. Ich hoffe - ich konnte die Angelegenheit mit diesem Kommentar klarstellen.

 

Mit besten Grüssen

 

D. Baumgärtner

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Christian Thomann

Hallo Dietwolf

 

Diese Story ist einfach richtig schön und greift aus dem Tagebuch eines waschechten Lümmels, wie du und ich!

 

Ich frage mich nur, wie bringe ich nun wieder meine Maulwinkel, die sich soeben bis über beide Ohren gestülpt haben, wieder von da herunter!

:D

 

Chregel

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D. Baumgaertner

Hallo Christian

 

Freut mich, dass ich auch Dich zum Schmunzeln bringen konnte. Betreffend der Mundwinkel: Eine Zitrone kauen oder an den morgigen Papierberg im Büro denken! Oh, da fällt mir gerade noch eine Anekdote zum Thema Werkstattarbeit ein: Von Ende Oktober bis Ende Februar war in unserer Segelfluggruppe jeden Samstag Werkstattdienst angesagt. Einmal musste ich die (noch heisse) Asche des Ofens in einem Kübel entsorgen. Der Kübel war zementgrau und offenbar aus Plastik (was ich aber nicht bemerkte) . Ich stellte ihn zum Abkühlen vor die Tür, suchte ihn später ein halbe Stunde lang und hielt ihn von Geisterhand entführt. Die spätere "Spurensicherung" ergab jedoch, dass er sich bis auf den letzten Rest in Nichts aufgelöst hatte. Diese Begebenheit musste ich mir noch jahrelang anhören.

 

Noch eine angenehme Woche wünscht Dir

 

Dietwolf

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