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Heidi - oder: Kann man Fliegen lernen?


Thermikus

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Es gibt heute so viele Möglichkeiten, Fliegen zu lernen. Nur - kann man Fliegen wirklich lernen? Oder ist es nicht doch so (wie immer wieder behauptet wurde und wird), dass man ein angeborenes fliegerisches Gefühl hat oder eben nicht hat. Ist das erstere der Fall, wird man das Fliegen in kürzerer oder längerer Zeit lernen. Im zweiten Fall dagegen wird alle Mühe auch noch so geduldiger Fluglehrer ziemlich vergebens sein.

 

Von einem solchen zweiten Fall möchte ich nachstehend berichten: Während meiner Jugendzeit als Segelflieger hatten wir eine junge Frau namens "Heidi" (tatsächlicher Name) in unserer Gruppe. Sie wollte Segelfliegen lernen und gab sich wirklich redlich Mühe. An Heidi konnte man nicht das geringste bemängeln. Sie war kameradschaftlich, packte überall und jederzeit kräftig mit an, zeigte konsequente Präsenz auf dem Fluplatz und scheute sich auch in der Werkstatt nicht, sich die Finger schmutzig zu machen.

 

Unser Fluglehrer gab sich unendliche Mühe mit Heidi. Schulstart um Schulstart auf dem Doppelsitzer "Bergfalke", Platzrunde auf Platzrunde, Landung auf Landung folgten. Die erste Flugsaison verstrich - dann die zweite. Viele "Jungvögel" waren längst flügge geworden - nur Heidi schrubbte mit dem Lehrer nach wie vor ihre Platzrunden.

 

Dann - eines Tages, kurz nach dem 80. Doppelsitzerstart folgte die Sensation: Heidi sollte zum ersten Mal alleine fliegen. Letzte intensive Instruktionen durch den Lehrer - dann stieg sie im "Grunau Baby" an der Winde wie eine Rakete in den Himmel. Auf ca. 400 m klinkte das Schleppseil aus. Dann folgte ein "Programm", das uns am Boden buchstäblich die Haare zu Berge stehen liess:

 

Der einsitzige Segler fing zu "pumpen" an: Steiler Sinkflug, Hochziehen in den Steigflug, erneuter steiler Sinkflug. Unser Fluglehrer stand wie angewurzelt und beobachtete mit hochrotem Kopf das Schauspiel. Das "Grunau Baby" pumpte munter weiter und jeder fragte sich, wie das wohl enden würde. Die Flughöhe schmolz wie der Schnee in der Sonne - von einer regulären Platzrunde war längst keine Rede mehr. Heidi flog kreuz und quer über das zum Glück riesige und topfebene Flugplatzgelände. Wieder ging sie in einen steilen Bahnneigungsflug über und das in einer Höhe, in der man normalerweise den Endanflug einleitet.

 

Wir hörten es bereits in Gedanken krachen - da zog Heidi im letzten Augenblick hoch und setzte mit der Hilfe von mindestens zehn Schutzengeln flach auf dem Boden auf. Der Herr Lehrer war einem Nervenzusammenbruch verdächtig nahe, redete aber wie ein Pfarrer, der die Absolution erteilt, auf die geschockte Schülerin ein.

 

Nach zwei Wochen sass Heidi bereits wieder im Doppelsitzer und schulte unbeirrt weiter. Nach weiteren rund 40 Schulstarts wagte man dann den zweiten Alleinflug. Diesmal mit dem Doppelsitzer, den sie ja gewohnt war. Heidi startete wacker an der Winde, drehte dann in die Platzrunde ein, dehnte diese aber viel zu weit aus und kam entsprechend tief zur Landung herein. Da war die Oberleitung einer Ueberland-Strassenbahn im Weg. Wir sahen den Flieger bereits in der Starkstromleitung hängen - so knapp schrammte Heidi darüber hinweg und dann knallte sie noch weit vor dem Aufsetzpunkt hart auf den Boden.

 

Jetzt mussten Lehrer und Schülerin endgültig zum Schluss kommen, dass nicht jeder zum Fliegen geboren sein kann - und so ging die Geschichte dann auch zu Ende. Heidi wurde inaktives Mitglied des Vereins und heiratete einige Zeit später. Wir alle aber waren heilfroh, dass der netten Kameradin kein grösseres Unheil widerfahren war.

 

Dietwolf (Thermikus):eek:

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Mhh,

 

irgendwie ist das komisch! Das gleiche haben wir bei uns auch. Mädchen, die sich bemühen wollen, die aber vorher nie was mit fliegen zutun haben.

Die Fluglehrer sind zufrieden - sie fliegt alleine und verpatzt mehr oder weniger! Die Landungen sitzen gar nich mehr etc. Sie fliegt wieder mit Lehrer alles wieder ok....:005:

Das ist bei mehreren passiert, bzw ähnlich (steile Starts etc).

 

Das sind mal meine Beobachtung gewesen.....:005:

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Dominic Windisch
...Oder ist es nicht doch so (wie immer wieder behauptet wurde und wird), dass man ein angeborenes fliegerisches Gefühl hat oder eben nicht hat. ...

 

Jetzt mussten Lehrer und Schülerin endgültig zum Schluss kommen, dass nicht jeder zum Fliegen geboren sein kann...

 

 

Finde ich nichts neues... oder etwas, das zu Hinterfragen wäre.

Alles (sei es nun Fliegen, Autofahren oder sonst etwas z.b. Kochen :D ) liegt einer Person mehr oder eben weniger. Man kann mit Übung und regelmässiger "Dosierung" die "angeborene Unfähigkeit" auf ein sinnvolles Mass reduzieren, aber grundsätzlich gibt es talentiertere Leute und Leute, die mehr Training benötigen :cool:

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Spitfire Mk XIX
Es gibt heute so viele Möglichkeiten, Fliegen zu lernen. Nur - kann man Fliegen wirklich lernen? Oder ist es nicht doch so (wie immer wieder behauptet wurde und wird), dass man ein angeborenes fliegerisches Gefühl hat oder eben nicht hat. Ist das erstere der Fall, wird man das Fliegen in kürzerer oder längerer Zeit lernen. Im zweiten Fall dagegen wird alle Mühe auch noch so geduldiger Fluglehrer ziemlich vergebens sein.

 

Es erstaunt mich immer wieder, dass bezüglich dem Fliegen oft zwei eher extreme Ansätze bestehen: Die einen, die behaupten, man könne aus jedem noch so unfähigen NEC (never ever check) einen erfolgreichen Piloten machen ("Fliegen ist ja so einfach, das kann jeder Trottel, wer das Gegenteil behauptet, will sich nur wichtig machen"). Und dann gibt es noch die anderen, die denken, alles Können sei ausschliesslich in die Wiege gelegt, wer da nicht schon "Volare", den "Aviator" oder "Piloten ist nichts verboten" auf dem Hafenrand getrommelt habe, der solle sich gefälligst aus der Aeronautik heraushalten oder sich mit der Rolle des braven Stauners und Bewunderers an Airshows und Besuchstagen auf Flugplätzen und -häfen begnügen.

 

Für beide Ansätze sehe ich wenig Gründe, sondern komme sowohl aus eigener Erfahrung wie auch aus wissenschaftlichen Beobachtungen zu einem ganz anderen und eigentlich banalen Schluss: Es ist beim Fliegen wie bei allen anderen Tätigkeiten: Die meisten können sie bis zu einem gewissen Teil lernen und mit Freude betreiben. Um wirklich gut zu sein, braucht's aber auch Voraussetzungen, die ausserhalb von Fleiss und Motivation liegen.

 

Machen wir einen Vergleich mit der Musik - die in vielerlei Hinsicht mit der Aviatik vergleichbar ist: Sie zieht viele Menschen in ihren Bann, sie weckt Emotionen, es gibt Menschen, die sich beruflich damit befassen, aber auch als Freizeitbeschäftigung ist sie äusserst beliebt.

 

Genauso wie beim Musizieren offensichtliche Unterschiede in den Fähigkeiten feststellbar sind, genauso ist das doch auch beim Fliegen: Wohl den meisten kann die "Bedienung" einer Blockflöte, einer Trompete oder eines Klaviers beigebracht werden - ob die Nachbarn und die Hauskatze solche Versuche jeweils goutieren, lassen wir dahingestellt ;). Aber viele Menschen musizieren fröhlich in kleinen Hausorchestern, Dorfmusiken und ähnlichem und fühlen sich wohl dabei. Genau so kann man sicher auch den meisten Menschen das Fliegen eines Segelflugzeuges, eines Motorseglers oder eines einfachen Motorflugzeuges beibringen. Sie werden viel Freude dabei haben und mit einer vernünftigen Ausbildung bringen sie weder sich noch ihre Umwelt über Gebühr in Gefahr.

 

Nun wird es wohl kaum einem glücklichen Dorftrompeter in den Sinn kommen, sich bei einem Kammermusikensemble, einem Symphonieorchester oder einer professionellen Jazzband zu bewerben. Warum? Weil es eben doch etwas mehr als nur Freude an der Musik braucht, um sich im harten Berufsalltag mit seinen hohen Qualitätsansprüchen durchsetzen zu können. Und genau so ist es auch beim Fliegen: Ob der engagierte Freizeitflieger schliesslich auch zu einem erfolgreichen Verkehrspiloten, zu einem fähigen Fluglehrer, einem einsatzfähigen Militärpiloten oder einem Helipiloten wird, der auch bei Sturm einen Bergsteiger aus der Eigernordwand retten kann, hängt nicht mehr nur von der Anzahl Aufnäher auf der Pilotenjacke ab. Freude und Begeisterung reichen hier nicht mehr - nun braucht es Fähigkeiten und Eigenschaften, die man ausbilden und formen muss, die aber der Kandidat oder die Kandidatin mitbringen müssen, genauso wie der erfolgreiche Musiker das absolute Musikgehör. Oder anders gesagt: Pilot werden ist nicht schwer, das können viele - genauso wie die meisten ein bisschen Musik für den Hausgebrauch zu Stande bringen. Gute und hervorragende Piloten gibt es dagegen nicht häufiger als gute Sportler, hervorragende Musiker, excellente Bäcker, erfolgreiche Hoteliers, elegante Schneider, etc. - warum sollte es auch anders sein?

 

Gruss Dan

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