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Wo gehobelt wird - da fallen Späne......


Thermikus

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Als nach dem zweiten Weltkrieg in den Fünfzigerjahren die deutsche Bundesluftwaffe aufgebaut wurde, war viel know how bereits verloren. Rund zehn Jahre durfte nicht mehr geflogen werden. Viele jener Flugzeugführer, die das Desaster des Krieges überlebt hatten, wandten sich damals zivilen Berufen zu oder zerstreuten sich in alle Winde.

 

Sobald die Amis dann im Zeichen des kalten Krieges als Bollwerk gegen den Kommunismus auch uns Deutsche wieder in Uniform sehen wollten, war plötzlich auch eine neue Luftwaffe gefragt.

 

Zuerst schulten amerikanische Fluglehrer ein übriggebliebenes Häuflein deutscher Weltkrieg-II-Kampfflieger zu Fluglehrern um, die dann ihr Wissen an den jungen Bundeswehr-Nachwuchs weitergaben.

 

Am Anfang ging das noch sehr bescheiden zu. Nachdem auf dem nahen Militärflugplatz aus Adolf's Zeiten eine neue Startbahn nebst Infrastruktur gebaut worden war, fiel eines Tages ein ganzer Schwarm grellgelb lackierter bulliger Sternmotor-Trainer vom Typ T 6 bzw. Harvard-Mark IV auf dem Platz ein.

 

Und dann ging es auch schon los: Tag für Tag, teilweise auch nachts, flogen diese wie dicke Hummeln wirkenden Brummer ihre Platzrunden und überzogen unseren süddeutschen Luftraum mit ihrem Getöse.

 

Ich war damals noch Schüler und der nahe Fliegerhorst wurde für uns flugbebeisterte Jungendlichen (in einer Kleinstadt ist ja ohnehin nicht allzu viel los) zur absoluten Attraktion. Das Sprichwort: "Wo gehobelt wird, da fallen Späne" füllte sich auf unserem Flugplatz beständig mit neuem Leben.

 

Die Piste war nur durch einen einfachen Weidezaun vom Umgebungsgelände abgetrennt. So konnte man den Ausbildungsbetrieb stets aus nächster Nähe beobachten - und das gestaltete sich nicht selten ausserordentlich eindrücklich.

 

Als ich eines Tages mein Fahrrad wieder einmal am besagten Zaun abgestellt hatte und interessiert das Getümmel von startenden und landenden T 6 beobachtete, geschah Merkwürdiges:

 

Eine T 6 kam gemächlich auf dem Rollweg herangetuckert und stoppte mit laufendem Motor gegenüber der an der Piste bereitstehenden Feuerwehr. Die Schiebehaube öffnete sich, der hinten sitzende Fluglehrer klettere auf die Tragfläche und gab seinem Schüler vorne noch einige Ratschläge mit auf den Weg zum ersten Alleinflug. Dann sprang er von der Fläche und verschwand im Löschfahrzeug.

 

Der Start verlief profimässig und der Lehrer dürfte seine helle Freude an seinem Schützling gehabt haben. Erste Platzrunde. Das Fahrwerk kommt heraus, der Schüler dreht in den Final ein - und dann volle Pulle - Durchstart! Nanu - wieso das?

 

Zweite Platzrunde - wieder das selbe. Sauberer Anflug - dann wenige Meter über dem Boden erneut Vollgas und dritte Platzrunde.

 

Jetzt ging die Tür des Feuerwehrfahrzeuges auf und der Fluglehrer kam heraus, um die Szene genauer zu verfolgen. Dritter Landeanflug. Jetzt will es der Aspirant offensichtlich wissen: Die T 6 - ein schwerer und etwas heikler Spronradflieger - setzt sauber auf und driftet gleich darauf von der Mittellinie der Piste etwas nach links. Der Schüler gibt Seitenruder nach rechts, der Trainer folgt dem Steuerausschlag und driftet nach rechts. Das Spielchen wiederholt sich einige Male und die Rechts- und Links- Abweichungen werden immer grösser.

 

Das kommt nicht gut heraus, denke ich noch, das gerät das rechte Fahrwerkbein bereits über den Pistenrand und rasiert eine Lampe der Pistenbefeuerung ab.

Jetzt geht alles ganz schnell: Nochmals rauscht der Vogel bereits reifenquietschend nach links und dann schlägt er einen Haken wie ein gejagter Hase nach rechts.

 

Das Fahrwerk pflügt durch den weichen Boden und dann ist es auch schon passiert. Verbeugung nach vorne, der Propeller hackt in die Erde und gleichzeitig knickt das Fahrgestell weg. Ein dumpfer Knall und der gelbe Flieger steht senkrecht wie ein Murmeltier in Hab-Acht-Stellung senkundenlang im Gelände. Dann senkt sich das Leitwerk wie im Zeitlupentempo und der Rumpf kracht zu Boden. Finito!

 

Ich stehe wie angewurzelt - unfähig mich zu bewegen. Eine Sekunde ist Stille, dann öffnet sich die Haube und wie von einer Tarantel gestochen, klettert der Flugschüler aus dem Wrack und flüchtet von seinem lädierten Untersatz. Die Feuerwehr ist sofort zur Stelle, braucht aber nicht mehr einzugreifen. Nur das Knacken des erkaltenden Metalls um den so brutal abgewürgten Motor durchbricht die beklemmende Stille.

 

Der Saniwagen braust heran - und dann ein Jeep mit rot-weiss-karierter Flagge.

Dem Jeep entsteigt - ich glaubs ja nicht - mein Vater mit einer grossen Kladde, in die er in der nächsten Stunde den Unfallrapport aufnehmen wird. Wir rufen uns einige Worte zu und dann ist er wieder ganz mit Flugzeug, Schüler, Lehrer und dem Crash beschäftigt.

 

Mir war indes sofort klar: Das gemeinschaftliche familiäre Abendessen konnte man an diesem Tag wieder einmal mit Sicherheit vergessen..........

 

Dietwolf (Thermikus):009:

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