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Ein denkwürdiger Thermikflug


Thermikus

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Wenn ich mir heute all die Vorschriften und Reglementierungen ansehe, mit denen wir Motor- und Segelflieger leben müssen, dann denke ich des öfteren an meine jungen wilden Jahre zurück, als die Freiheit unter und über den Wolken noch fast grenzenlos war.

 

Diese Zeit begann 1961 auf einem süddeutschen Militärflugplatz, wo ich meinen "Luftfahrerschein Klasse I" auf dem Grunau Baby erwarb und setzte sich dann auf dem Köln-Bonner Flughafen fort.

 

In der dortigen Segelfluggruppe besassen wir anfangs eine Mü 13 E "Bergfalke" als Schulflugzeug und - auch wieder - das bewährte einsitzige Vorkriegsmodell Grunau Baby II b.

 

Was jedem heutigen Fluglotsen traumatische Anwandlungen bescheren würde, war damals bestens funktionierende Realität. Wir flogen nach strengen Regeln - aber in den ersten Jahren ohne Funk - mitten zwischen Verkehrsflugzeugen. Und das lief so: Mit einem Handfunkgerät wurde von der Bodenmannschaft die Starterlaubnis vom Tower eingeholt und dann ging es im Windenschlepp parallel zur Startbahn für die Airliner 400 - 600 Meter in die Höhe. Nach dem Ausklinken musste entweder eine ganz präzise festgelegte Platzrunde geflogen - oder wenn wir Thermik erwischten - über dem Zentrum des Flughafens gekurbelt werden. Dort waren wir im toten Winkel der An- und Abflüge des übrigen Verkehrs.

 

Eines Tages bestieg ich bei herrlichem Wetter unser Grunau-Baby. Dieses war oben offen und hatte nur eine kleine Plexiglas-Windschutzscheibe. Kurz nach dem Start zeigte das Vario kräftiges Steigen an und in einer Art Goldgräberstimmung kurvte ich ein. Nach einigem Zentrieren ging es mit etwa zwei Meter Steigen konstant nach oben. Ich war restlos begeistert, denn mit Ausnahme eines kürzeren Thermikfluges war ich nach dem Schlepp immer ziemlich schnell wieder unten. Der Gleitwinkel meiner Holz- und Leinwand-Kiste war ja auch wirklich alles andere als traumhaft. Bald hatte ich eine Höhe von ca. 900 Meter über Grund erreicht und fühlte mich wie Ikarus persönlich.

 

Als ich einige Male aus dem kräftigen Thermikschlauch herausfiel, versuchte ich es mit engerem Kreisen. Die linke Fläche zeigte steil nach unten, der Fahrtwind pfiff mir um den Kopf - es war traumhaft. Durch meine noch geringe Erfahrung versuchte ich bei einer Zunahme der Geschwindigkeit diese mit Ziehen zu kompensieren. Da ich jedoch sehr steil kurvte, wirkte das Höhenruder plötzlich wie ein Seitenruder und die Kurven wurden immer enger. Ich empfand mich plötzlich viel schwerer als sonst und aus dem Rumpf ertönte ein eigenartiges Knacken. Da war es schon passiert: Schwupp - schmierte ich über die Fläche ab und mit Knüppel in Neutralstellung und Gegenseitenruder war das Problem jeweils schnell wieder behoben und das Kurbeln begann aufs neue. Schliesslich hatte ich trotz der wüsten Kreiserei eine Höhe von rund 1000 Metern über Grund erreicht und labte mich an der vertikalen Aussicht auf den Flughafen. Da kamen die Verkehrsmaschinen herein - andere flogen ab - und ich genoss das Schauspiel von meinem Logenplatz aus.

 

Als ich über dem östlichen Startbahnkopf kreiste, erschien plötzlich eine Lufthansa Boeing 707 unter mir, deren Besatzung Anflüge trainierte. Die startete jeweils ohne Bodenberührung durch und zog in einer scharfen Linkskurve wieder von dannen. Das wiederholte sich einige Male. Einmal kurvte die Boeing so extrem steil weg, dass ich den Eindruck hatte, sie würde in den nächsten Sekunden herunterfallen. Das geschah damals tatsächlich bei zwei Trainingsflügen mit Boeings 707 der Lufthansa über deutschem Gebiet.

 

Inzwischen hatte man am Boden offensichtlich meine kunstflugähnliche Vorführung mitbekommen. Der Fluglehrer startete mit seiner privaten Ka 8b und schraubte sich zu mir hinauf. Dann flog er auf mich zu und um mich herum und fuhr die Störklappen aus und wieder ein. Ich interpretierte das jedoch als Begrüssung und nicht als Aufforderung zur Landung (wie das gedacht war) und winkte aus meinem offenen Cockpit zur Ka 8b hinüber. Plötzlich war die Ka 8b wieder weg und unten standen die Kollegen in einer Schlange auf der Graspiste.

Eigenartig - dachte ich noch. Von einer Landekette hatte ich damals noch nichts gehört.

 

Nach über einer Stunde hatte ich genug und schwebte zur Landung ein. Beim Aussteigen eine unheimliche Atmosphäre. Da lag etwas in der Luft. Und tatsächlich, unser Fluglehrer kam langsamen Schrittes auf mich zu, baute sich wie ein Rachegott vor mir auf und sagte nur den Satz: "Drei Wochen Startverbot!"

Das war bîtter - aber nicht zu ändern. Nach dem Flugbetrieb folgte dann in der Kneipe nochmals eine - allerdings humorvoll gewürzte - kräftige Abreibung und nachdem ich einige Runden spendiert hatte, erging Gnade vor Recht. Bereits zwei Wochen nach meinem "Kunstflug" und einigen Schulflügen auf dem Doppelsitzer durfte ich wieder alleine in die Luft.

 

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen - oder doch?

 

:001: Dietwolf

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Hallo,

 

du hast mal beim KKFL geflogen?

 

Heute wäre solch ein Flugbetrieb in Köln leider nicht mehr denkbar. Ich wohne in Rath-Heumar, 2nm final 14L, und bekomme den ganzen Betrieb in Köln mit. Dafür bin ich aber schon in Münster-Osnabrück auf dem Flughafen geflogen, dort wird noch immer parallel zu den Verkehrsfliegern Segelflugbetrieb gemacht, sehr interessant.

 

Danke für deinen Bericht, eine Frage habe ich jedoch: Wieso genau gab es Startverbot?

 

Tschüß

David

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Hallo,

 

du hast mal beim KKFL geflogen?

 

Heute wäre solch ein Flugbetrieb in Köln leider nicht mehr denkbar. Ich wohne in Rath-Heumar, 2nm final 14L, und bekomme den ganzen Betrieb in Köln mit. Dafür bin ich aber schon in Münster-Osnabrück auf dem Flughafen geflogen, dort wird noch immer parallel zu den Verkehrsfliegern Segelflugbetrieb gemacht, sehr interessant.

 

Danke für deinen Bericht, eine Frage habe ich jedoch: Wieso genau gab es Startverbot?

 

Tschüß

David

 

 

Danke Dir, David, für Deinen Kommentar. Ich flog damals im Porzer Club für Luftsport. Der flughafennahe Vorort wurde später von der Stadt Köln eingemeindet. Meine ehemalige Flugsportgruppe gibt es schon lange nicht mehr. Auch der damalige Fluglehrer ist leider bereits in hohem Alter verstorben.

 

Wir flogen seinerzeit bis etwa 1969 oder 1970 auf dem Flughafen. Als dann die Aera der Grossflugzeuge kam (Boeing 747 etc.), wurde es wegen der Randwirbel dieser Flugzeuge zu gefährlich und wir dislozierten auf den Flugplatz Rheinbach. Bei der Landung wurden wir Segler oft von Boeing 727, 737, Caravelle, Trident und anderen in geringem Abstand seitlich überholt. Die Passagiere der Jets drückten dann die Nasen an den Fenstern platt - die dachten wohl, sie wären im falschen Film.

 

Trotz dieser side by side Landerei hatten wir nie kritische Zwischenfälle zu verzeichnen. Trotzdem wären auch die Randwirbel dieser kleineren Jets höchst gefährlich geworden, hätte sie Seitenwind in unseren Anflug versetzt. Zum Glück ist da nie etwas passiert.

 

Nun noch kurz zum Startverbot: Dieses wurde wegen den unbeabsichtigten kunstflugähnlichen Einlagen und der ebenfalls nicht vorsätzlichen Missachtung der Landeanweisung durch den Fluglehrer sowie die Kollegen (Aus- und Einfahren der Störklappen nebst Bildung einer Landekette am Boden) verhängt, dann aber nach entprechender Reuebezeugung und Spendierfreudigkeit meinerseits in der Flugplatzkneipe wieder gemildert.

 

Gruss - Dietwolf:008:

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Hallo Dietwolf,

 

stimmt, damals waren das noch die Porzer, sagt dir der Name Herbert Klaus noch etwas? Die Porzer wurden ja dann Kölner, und die sind jetzt der Kölner Klub für Segelflug (http://www.koelnersegelflieger.de), vielleicht kennst du ja noch wen dort?! Die fliegen jetzt in Eudenbach, südlich von Bonn, und sind ein Partnerverein von uns, der LSG Siebengebirge.

 

Bzgl. deines Startverbotes: Funk ist schon ne tolle Erfindung ;)

 

Tschüß

David

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Hallo Dietwolf,

 

stimmt, damals waren das noch die Porzer, sagt dir der Name Herbert Klaus noch etwas? Die Porzer wurden ja dann Kölner, und die sind jetzt der Kölner Klub für Segelflug (http://www.koelnersegelflieger.de), vielleicht kennst du ja noch wen dort?! Die fliegen jetzt in Eudenbach, südlich von Bonn, und sind ein Partnerverein von uns, der LSG Siebengebirge.

 

Bzgl. deines Startverbotes: Funk ist schon ne tolle Erfindung ;)

 

Tschüß

David

 

 

Ja David, irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, aber ich müsste einige geistige Krücken erhalten, um mich an den (eventuellen) damaligen Kameraden genau zu erinnern. Unser Fluglehrer hiess mit Vornamen Viktor (mehr will ich hier im Forum nicht öffentlich machen) und seine Frau Emmi (weit herum bekannt als "Möve Emma"). Eingeweihte werden sofort wissen, wen ich meine.

 

Gruss - Dietwolf:)

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