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Segelflugzeug Unfall/Zusammenbau


pawul

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Hallo Zusammen

 

Ich habe eine Frage, zu welcher ich nach diesem Vorfall kam:

 

Am Sonntag als ich in Saanen auf dem Flugplatz modellfliegen war, wartete ich und mein Kollege noch gerade, bis ein Segelflugzeug gelandet war (damit wir mit den Modellen starten konnten). Jedoch kam das Flugzeug schnell -sehr schnell und setzte erst nach der halben Piste auf, sprang jedoch gerade wieder hoch. Ich dachte ich traute meinen Augen nicht, da ich sowas noch nie sah. Langsam wurde es für den Segler knapp, da das Pistenende kam (Wald dahinter). Plötzlich zog der Pilot das Flugzeug hoch (was nicht anders zu erwarten war), machte eine Rechtskurve, "henkte" den Rechten Flügel im Boden ein, und machte das "Redli". Für mich war das ein rechter Schock, sowas zu sehen, da ich nie damit gerechnet hätte. Es schossen Teile in alle Richtungen.. Natürlich kam sofort der Rettungsdienst..

 

Nun finde ich, da ist ja gar nicht so viel an einem Segelflugzeug..

-Aus was ist das denn gebaut?

-Ist das denn Hohl darin?

-Man ist doch fest im Sitz angeschnallt?

-Was hätte man in der Situation tun können/Lehrt man das in der Flugschule? (Wenn ich mir nur vorstelle ich kann mein Flugzeug nicht bremsen und "rase" auf einen Wald zu..)

 

Zum "Unfallflugzeug": Ich denke ich habe mich nicht getäuscht, aber da waren keine Bremsklappen ausgefahren..

-Gibt es das, Segelflugzeuge ohne Bremsklappen?

 

Gruss Patrick

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Hallo Patrick

 

Hoffentlich ist es bei Materialschaden geblieben...

 

So wie du das beschreibst, könnte das ein fast klassischen Zwischenfall sein... So etwas ähnliches gab es schon einige Male. In Ähnlichen Fällen wurde öfters der Bremsklappenhebel verwechselt -meistens mit dem Fahrwerkshebel-. Dazu kam oft noch fremder Flugplatz (z.B. Lager).

Ablauf: Ungewohnter bzw. neuer Anflug -> etwas Stress -> man greift nach dem falschen Hebel an der rechten Seite (Fahrwerk, Wölbklappe, Klinke etc). Wenn man es nicht merkt -> Stress hoch -> Anflug in gewohntem Gleitwinkel aber mit aufbauender Fahrt (keine Bremswirkung)... Die Folge kann dann so ablaufen wie von dir beschrieben...

Mögliche mir bekannte Modelle, wo anhand der Fahrwerkshebel dies passieren könnte sind Pecase, ASW19 evtl. DG???

 

Noch zu deinen Fragen

Material:

-Holz/Stahl/Bespannung (früher)

-Glasfaser-, Kohlefaser- oder Keflarfaser- verstärkter Kunstoff

Aufbau:

- Im Grunde genommen verklebte Kuststoff-Halbschalen mit Holmen Spannten und Rippen... Stahlgestänge für Steuerung, Fahrwerksträger etc... In einem Flugzeug steckt mindestens 2000 Mannstunden.

Angeschnallt:

Ja, fest mit 4-Punktgurten (Kunstflug 5-Punkt)

In einem Notfall wenn die Landefläche zu kurz und die Radbremsen nicht reichen:

- Ein Ringelpitz (Drehung indem man einen Flügel in den Boden rammt und das Höhenruder stosst. Kann ohne Probleme funktionieren, aber auch oft ensteht Schaden an Flügel und Rumpf)

- Bei Bäumen: Mit dem Rumpf zwischen den Baumstämmen hindurch...

 

Grüsse,

Ueli

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Christian Thomann

Hallo Patrick

 

Dein Bericht gehört sicher zu den sehr sonderbaren Fällen. Tatsächlich habe ich selbst einem ähnlichen Ereignis in Münster VS beiwohnen können. Ich kann ja nur deinen Beschreibungen folgen, doch immer suche ich bei solchen Fällen das Wesen Mensch zu hinterfragen.

 

Der Mensch ist nur in einem gewissen Masse (Menge) belastbar. Dieses moderne Thema hört auf den Namen "human factors". Bei Belastung, Überbelastung, Stress, Angst, körperliche Einschränkungen durch Hunger, Hitze oder Durst, wird der Mensch in seiner Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt. Dies führt zu Blockade, ausgelöst durch das körpereigene Gift Adrenalin. Klar, dass dies eigentlich ein Selbstschutz des Körpers ist. Bewusstlosigkeit und Hemmung gehört auch dazu. Ungewohnte oder ungeübte Situationen sind ein grosses Gefahrenpotential, welche zu ähnlichen Reaktionen führen können. Regelmässiges üben, selbst in sehr stressigen Bedingungen können diesem, sagen wir mal "Fehlverhalten des Körpers" entgegen wirken oder zumindest helfen, durch Üben gezielt zu reagieren. Ich meine damit natürlich das Problem eher sofort zu meistern.

 

Nach der Feuerwehrregel: Stehe still und sammle dich!

 

Das dauert teilweise nur Sekundenbruchteile. Ich kann dies selbst bestätigen bei Ernstfalleinsätzen als Einsatzleiter.

 

Da ich diesen Schäner-Fall nicht kenne, kann ich nur auch meinen bisherigen Beobachtungen vergleichen. Möglichweise war dieser Pilot nicht ausreichend auf dieses Flugzeugmuster eingewiesen, eingeschult. Vielleicht war es sehr neu für ihn. Es gibt Flugzeuge, die haben eine sonderbare Anordnung von Wölbklappen und Bremsklappenhebel (LS-3). Genau einen solchen Fall könnte ich hier vergleichen, weiss aber die Schäner Umstände nicht. Auch in jenem damaligen Vorfall war es die letzte Rettung für Pilot und Zuschauer, einen Flügel auf den Boden zu drücken, um dadurch das Flugzeug zu drehen und mit dem dann vorauseilenden Flügel in den Boden einzustecken und dadurch einen grossen Teil der Energie durch Zerstörung aufzunehmen.

 

Zu deinen Fragen:

 

Moderne Segelflugzeuge (meist weisse) sind aus mehreren Gewebeschichten aus Glasfaser, Kohlefaser oder Kevlar ähnliche dem Schoggi-Osterhasen in eine Negativschale eingeharzt. Zwei Halbschalen geben einen ganzen Hasen. Die weisse Gelcoat-Schicht wird als Erstes in diese Schale eingespritzt, damit sie dann polierbar ist.

 

Ein Einsitzer wiegt etwa 240 kg. Ein Doppelsitzer bringt leer etwa 340 kg auf den Boden.

 

Im Wesentlichen sind die Segler also innen hohl mit Einbauten von Steuergestängen, -Kabeln, Elektrokabeln, Cockpitteilen, Formspanten und Holmen.

 

Der SF-Pilot ist mit 4-Punktgurten festgezurrt. Obwohl in der Schweiz nicht mehr vorgeschrieben, so gibt der Fallschirm in der sonst unbequemen Sitzschale zusätzlichen Komfort. Moderne Cockpits sind nicht ganz wie Formel-1 als Sicherheitcockpit ausgeführt. Sie sollten also bei einer frontalen Bodenbeührung grossen Schutz bieten.

 

In der Ausbildung lernt man leider solche Situationen viel zuwenig. Hier kann ich eher den Tipp geben, verschiedene Lehrbücher von nahmhaften Piloten zu studieren, die einschlägigen Förderungskurse BFK-1 des SFVS und DAeC zu besuchen und letztendlich den Gesprächen und Infos der Vereine zu folgen. Dies ist halt mein deutliches :(

 

Bremsklappen:

 

Segelflugzeuge haben verschieden "mechanische" Klappen. Es gibt Bremsklappen, eher Störklapen und dann die Wölbklappen zwecks Profilveränderung.

  • Bremsklappen lassen sich meist oben auf der Tragfläche ausfahren und haben die Aufgabe, den Auftrieb an dieser Stelle mehr oder weniger zu vernichten. Der Luftwiderstand kommt hier nicht mehr so sehr zum tragen. Das Resultat ist aber ein grosser Spielraum in der Sinkrate beim Landeanflug. Ein Segelflugzeug hat ja dann keinen Motor und kann nicht einfach plötzlich Gas eben. Dafür kann es aber bei zu flachem Anflug, diese Klappen wieder einfahren und es gleitet dann wieder 1:40 oder mehr.
  • Wölbklappen sind ähnlich zu vergleichen, wie die am Flügelende angebrachten "Lande"-Klappen des Airbus etc., nur dass beim Segelflugzeug auch auf Negativ, also nach oben gewölbt werden kann. Nach unten gewölbte Klappen bringen nebst zusätzlichem Auftrieb auch etwas langsameren Strömungsabriss, wenn ich das mal so erklären darf. Das Ganze bewirkt im Wesentlichen einfach eine Veränderung des gesamten Profils und letzlich damit der Polare (Gleiteigenschaft je nach Geschwindigkeit). Bei der Landung wird also auch ein zusätzlicher Auftrieb erwünscht, obwohl oder weil man dadurch auch langsamer fliegen darf. (Verschiebung der Polare nach links = langsamer). Bei negativer Wölbung beim Segelflugzeug wird das Gegenteil bewirkt. Die Klappen wandern in den nicht mehr so wirksamen Luftstrom, verkürzen dadurch den Flügel in der Tiefe (nicht Spannweite) und bewirken deshalb eine etwas erwünschte Verkleinerung der Tragfläche, sprich erwünschte Erhöhung der Flächenbelastung. Das verspürt man buchstäblich mit einem Schub von hinten.

Fazit:

 

Wenn nun im Landeanflug also der Pilot etwas zu hoch anfliegt, so möchte er die Bremsklappen ausfahren, um die Sinkrate erhöhen (nicht die Anfluggeschwindigkeit durch Andrücken!). Im Landeanflug sollte man dann noch spätestens die Wölbklappen auf Landestellung bringen. Konzentriert sich nun der Pilot völlig verbissen nach vorne auf die sich ihm freundlich nähernde Piste und greift an den Bremshebel statt Wölbklappenhebel oder umgekehrt, so fällt oder steigt das Flugzeug völlig ungewollt und unmotiviert und bringt somit den Piloten und das Flugzeug in Verwirrtheit! Hehe! Fragen?

 

Mit Stossen am Knüppel bringt man das Flugzeug zwar näher an den Boden, doch die erhöhte Geschwindigkeit ist dann eher das ungewollte Resultat. Statt 90 km/h zischen dann sicher 140 dahin. Der Ringelpietz ist dann des Piloten letzter Entscheid: "Ja, dann halt so..".

 

Wer dann mehr oder weniger unverletzt aus dem Cockpit seinen respektablen Fluch noch aus dem Hals krächzt, der hat dabei mindestens etwas gelernt: sein Flugzeug das nächste Mal richtiger zu beherrschen, falls es wieder flugfähig gemacht werden kann.

 

Ich hoffe, damit nicht einen Lehrbrief an Fehlbare ausgeteilt zu haben, sondern einfach aus Erfahrungen an eine mögliche Vorsicht zu korrekter einweisung und Umschulung auf eine anderes Flugzeugmuster zu ermahnen, auch wenn dies jetzt nicht unbedingt im Schäner Fall zutrefen möge.

 

Der Mensch ist in unberechenbaren Faktoren die komplizierteste und daher schlechtest programmierbare Maschine, die es gibt.

 

Edit: Textkorrektur

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Wie oben beschrieben: Unter Stress wird das Denkvermögen eingeschränkt, möglicherweise sogar massiv.

Allerdings gibt es auch Mittel mit denen Mensch dagegen ankämpfen kann. Was nämlich noch gut funktioniert unter Stress sind stark eintrainierte Verhaltensmuster, sprich Drill. Solche Mechanismen bleiben auch unter Stress abrufbar. Dies macht man sich schon lange zunutze, beispielsweise im Militär. Wer schon drillmässig irgendwelche Manipulationen geübt hat, kann das bestätigen. Irgendwann hat man das so in die Hirnwindungen eigebrannt, dass man es ohne zu denken immer noch schnell und richtig macht.

In der Fliegerei wird dies auch benutzt, man übt gewisse Verfahren (Procedures) so oft und immer gleich, bis sie sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Das bewahrt einen davor, gewisse Manipulationen falsch oder gar nicht auszuführen und gleichzeitig kann es dem Piloten Luft verschaffen, hilft den Druck zu senken und damit den Stress tief, dafür die Denkfähigkeit hoch zu halten.

 

Gruss

 

Philipp

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Hallo Patrick

 

Momentan ist in Saanen das Segelfluglager meiner Gruppe. Ich war am Unfalltag auf dem Flugplatz als Startlistenschreiberin tätig. Den Unfall habe ich natürlich hautnah mitbekommen. Mittlerweile wissen wir auch was die Unfallursache war. Dazu möchte ich aber hier nicht Stellung nehmen.

 

Dem Piloten geht es soweit ganz gut. Er hat zum Glück keine gravierenden Verletzungen davon getragen und ist schon wieder zu Scherzen aufgelegt. Darüber sind wir natürlich alle sehr, sehr glücklich.

 

Grüsse

Corinne

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Dem Piloten geht es soweit ganz gut.
Das ist doch schon mal das Wichtigste. Danke für die Info.

 

Mittlerweile wissen wir auch was die Unfallursache war. Dazu möchte ich aber hier nicht Stellung nehmen.
Da kaum einer lange genug lebt, um alle Fehler selbst einmal zu machen (und auch noch daraus zu lernen), ist es extrem wichtig aus derartigen Vorfällen noch das beste zu machen, und wenigstens für die Zukunft etwas zur Unfallvermeidung zu lernen. Ich wäre dir daher sehr dankbar, wenn du uns wenigstens ein bischen mitteilen könntest.

Ich habe mehrere socher Unfälle miterlebt, die Ursachen waren bisher :

- Dehydrierung/Hitzschlag, der Pilot wusste einfach nicht mehr was er tat und wollte nur noch runter. (der Kestrel hat ein gutes Sicherheitscockpit, nix ernstes passiert, leider ein wunderschönes Flugzeug zerstört)

- Aufgeregter Flugschüler in einem Flugzeug mit hoher Verwechslungsgefahr (in der Rhönlerche sind Bremsklappenhebel und Ausklinkgriff sehr ähnlich gebaut), und der von Christian beschriebene Bug in der Humanprogrammierung

- Wendepunktkamera (ja, sowas gab es mal zu den Zeiten, als Fernsprecher noch ein Kabel und Homecomputer 64 kB Hauptspeicher hatten...) ins Bremsklappengestänge gerutscht, Bremsklappe blockiert.

 

Meine persönliche Lehren aus Punkt 3 :

- Alle Zusatzausrüstung (Logger, Flarm, Batterien, GPS....) vernünftig einbauen. Gebastel hat im Flieger nix zu suchen. Ich fliege kein Flugzeug in dem etwas mit Klettband befestigt ist, das wo kritisches hinfallen könnte.

- Immer schön das Slippen üben, mindestens bei jeder dritten Landung. Dann hat man gute Chancen, es auch voll zu beherschen wenn man es mal wirklich braucht, und zwar als einzige Landehilfe. Leider steht der Slip bei vielen Fluglehrern längst auf der Liste der verzichtbaren Lehrinhalte, und wird wohl langfristig aus der Ausbildung verschwinden. Viel zu viele Piloten haben ihren letzten Slip bei der Prüfung zum Flugschein gemacht :(

 

Gruß

Ralf

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Hallo Patrick

 

Momentan ist in Saanen das Segelfluglager meiner Gruppe. Ich war am Unfalltag auf dem Flugplatz als Startlistenschreiberin tätig. Den Unfall habe ich natürlich hautnah mitbekommen. Mittlerweile wissen wir auch was die Unfallursache war. Dazu möchte ich aber hier nicht Stellung nehmen.

 

Dem Piloten geht es soweit ganz gut. Er hat zum Glück keine gravierenden Verletzungen davon getragen und ist schon wieder zu Scherzen aufgelegt. Darüber sind wir natürlich alle sehr, sehr glücklich.

 

Grüsse

Corinne

 

 

Das freut mich natürlich sehr, wenn es dem Piloten gut geht..!! Ich sah das nur und konnte mir nicht erklären wie das geschah.. Aber wenn es dem Piloten gut geht finde ich das sehr schön und wünsche ihm gute Besserung.

 

Gruss Patrick

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