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Steuerfähigkeit ohne Treibstoff


Sbattram

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Wie verhält sich - rein theoretisch - ein Flugzeug, dem in Reiseflughöhe (aus welchem Grund auch immer) sämtliche Motoren ausfallen? Ist unter Berücksichtigung der für eine sichere Landung angeblich ausreichenden Stromversorgung durch die "Ratte" tatsächlich eine genügende Steuerbarkeit gegeben, oder handelt es sich hierbei eher um eine Theorie? Wie ist unter diesen Voraussetzungen die doch eher unsanfte Landung des Hapag-Lloyd Airbus A310 in Wien zu erklären?

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hallo,

 

für den extrem unwahrscheinlichen Fall, dass beide Triebwerke beim Flug ausfallen sollten, gelten einige Grundsätze, die real durch spezielle und flugzeugspezifische Non-Normal Prozeduren geregelt sind und hier vereinfacht widergegeben werden:

 

„keep the aircraft flying“

 

Ruhe bewahren, es bleibt erstaunlich viel Zeit, um zu reagieren. Was passiert jetzt? Zunächst hält die Maschine noch ihre Flughöhe, wird aber zunehmend und rasch an Fahrt verlieren, wenn kein Vortrieb mehr vorhanden ist.

 

Sobald die Airspeed Werte zwischen 190 – 200 kts (abhängig und variabel vom LFZ ud Druckhöhe) erreicht, muss der Pilot unabdingbar sicherstellen, dass diese Werte nicht weiter unterschritten werden. Also ist jetzt auf jeden Fall (!) ein Sinkflug einzuleiten - um Fahrt zu behalten - und zwar mit einer Sinkrate, welcher diese notwendige Geschwindigkeit sicherstellt. Die Sinkrate sollte nicht größer sein, als es zur Fahrt innerhalb der steuerbaren Limits erforderlich ist. Denn dadurch wird der entstehende Höhenverlust möglichst verringert und "hinausgezögert".

 

Beispiel: angesichts einer angenommenen Flughöhe bei Triebwerksausfall von 30000 ft kann das Flugzeug somit noch etwa 20 Minuten (!) flugstabil zu Boden „segeln“. Bei einer Airspeed von dann 200 kts legt die Maschine immerhin noch 60 – 70 NM zurück. Folglich muss eine Landemöglichkeit innerhalb dieses Radius gefunden werden, sofern ein Restart der Triebwerke nicht vorher gelingt.

 

Die Batteriesysteme an Bord sichern für sehr kurze Zeit eine "Normalversorgung", das Hydrauliksystem und dessen Sytem-Überdruck stellt ebenfalls kurzfristig noch die "normale" Steuerbarkeit sicher, wenn auch mit erheblich vergrößertem Kraftaufwand.

 

Also muß umgehend ein Hilfssystem aktiviert werden. Hier also sofort (!) die APU starten, wodurch eine Mindestversorgung sichergestellt ist, für Energie und Druck.

 

In dieser Flugsituation werden die Piloten zunächst versuchen, die Triebwerke erneut zu starten. Das geht unter bestimmten Voraussetzungen mittels APU oder z.B. durch Windmilling. Also Nutzung der Eigendrehbewegung der FANs durch anströmenden Fahrtwind.

 

Und, es werden natürlich alle Energiesparmaßnahmen ergriffen, sofern sie nicht zur unmittelbaren Flugsicherheit benötigt werden.

 

Ist ein Restart der Engines nicht erfolgreich und bietet die APU keine Ersatzenergie (weil z.B auch ausgefallen), so muß die RAT (ram air turbine) ausgefahren werden. Sie liefert dann das absolute Minimum an Energie, um eine Notstromversorgung des Flightdecks und der elektr. Hydraulikpumpen zu geben. Solch ein Minimum kann, wieder einmal abhängig von LFZ, bedeuten, dass die Strommengen nur noch ausreichend sind nur wenige primäre Steuer- und Anzeigeeinheiten am Panel, hier dann primär auf der Seite des PIC. Und, in dem Fall ist der mögliche Hydraulikdruck soweit reduziert, dass diverse Systeme nicht mehr arbeiten können. Sie reicht aber aus, um die Mindestvoraussetzungen für eine Notlandung oder Aussenlandung zu geben, wenn auch mit höchsten Anforderungen an die Piloten verbunden.

 

Für solch eine Notlandung muß dann alles passen: Piste oder ähnlicher Landebereich am Ende der begrenzt regulierbaren Gleitstrecke, aufrechterhalten der mindestnotwendigen Steuerelemente und Landesysteme.

 

Wenn das gelingt, siehe "Wien", dann ist das durchweg als fliegerische Meisterleistung zu bezeichnen, ungeachtet der hier im Beispiel vorgelagerten Ursache für diesen Flugzustand.

 

Gruß PG

 

 

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Walter Fischer

Und Peter, was würdest Du in so einem Falle zu den Passagieren ansagen, die ja ohnehin das "säuseln" der Triebwerke vermissen?

Jetzt mal ganz spontan, ohne lange Ueberlegung!

 

Gruss Walti

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tja, Walti,

 

dazu hat man ein bestimmtes Repertoire für "non normals" bereit, welches - nach diskreter, ungeschönter Vorabinfo an die Cabincrew - vor allem eine mögliche Panik unter den Fluggästen nehmen muß.

 

Meine erste Ansage wäre in folgendem Stil:

- jeweils in deutsch und englisch -

 

 

"Meine Damen und Herren,

 

hier spricht ihr Captain. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

 

Sie werden bemerkt haben, dass ein technisches Problem mit der Leistungsfähigkeit der Triebwerke besteht. Dazu ist es nun erforderlich, entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.

 

Um die umfangreichen Reservesysteme dieses Flugzeuges zu aktivieren, müssen wir leider auf eine niedrige Reiseflughöhe wechseln. Dafür werden wir gleich einen Sinkflug beginnen.

 

Während wir im Cockpit die Fehlerbehebung einleiten, bitte wir sie, alle Anweisungen unserer erfahrenen Flugbegleiter zu beachten, die Ihnen gleich noch erläutert werden.

 

Vorsorglich werden wir nun einige Stromverbraucher deaktivieren, so daß auch die gewohnte Kabinenbeleuchtung etwas abgedunkelt wird.

 

Ich darf sie bitten, Ruhe zu bewahren. Die gesamte Flugbesatzung ist routinemäßig auf solche Störungen vorbereitet. Sobald unsere Reservesysteme arbeiten, werde ich Sie umgehend informieren".

 

Es folgen dann getrennte Durchsagen seitens des Chef der Cabin, gemäß vorgegeber Texte.

 

Nunja, jetzt müßte man HIER festlegen, wie weit der "ganze Flug in die Hose gehen soll", um den daraus resultierenden Dialog fortzuführen....

 

Gruß PG

 

 

 

[Dieser Beitrag wurde von Peter Guth am 02. Juni 2002 editiert.]

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Walter Fischer

Da krieg ich eine ganz ausgeprägte Hühnerhaut, wenn ich da dem Cpt. lausche, und will nun lieber nicht noch weiter in die Richtung der weiteren Flugablaufs- verschlimmerung stochern, das würden meine schwachewn Nerven nicht aushalten.

OK. wenn es ein anderer tut, lese ich dann eventuell die Antwort doch 111afraid.gif

 

Gruss Walti, der Angstmeier

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Moin, wenn man hoch genug ist, und vielleicht nicht gerade in der Pampa, sondern in der Nähe eines Flughafens, so kann man "relativ" (!!!) entspannt seine Checkliste rausholen, und diese abarbeiten. Dies wird auch im Sim geübt, allerdings weiß ich vom hören/sagen, dass dies nicht immer so war. Es gab wohl mal Zeiten, als dies nicht Bestandteil des Trainings war.

 

Im Kapitel Abnormal Procedures POWER PLANT gibt es folgende Checkliste:

 

ALL ENG FLAME OUT

1. RAT - MAN ON (Die bestätigt nochmal die automatische Ram Air Turbine Ausfahrt)

2. ENG START SEL - IGN (Manueller Versuch die Triebwerke neu zu starten)

3. THRUST LEVERS - IDLE

4. OPTIMUM RELIGHT SPEED - 300/.82 (Pitch ca. -2° bei Vulkanasche)

5. Emergency Electrical Power - MAN ON

6. VHF - USE (Distress Message auf 121.5)

7.IF NO RELIGHT AFTER 30S: ENG MASTERS OFF 30S/ON

IF UNSUCCESSFUL: APU - START (unter FL250 und natrülich Sprit)

WING ANTI ICE - OFF

APU BLEED - ON

ENG MASTERS (immer nur einen) - OFF 30S/ON

OPTIMUM SPEED (wenn APU Bleed zum Triebwerksstart da ist) - GREEN DOT oder 250kts (Falls Green Dot nicht dargestellt wird)

CREW OXY MASKS - ON

RAM AIR - ON (unter FL100)

 

CAB - SECURE

LAND RECOVERY - ON

FOR LDG - FLAP 1

MIN RAT SPEED - 140kts

 

FOR LANDING GEAR GRAVITY EXTENSION:

MAX SPEED - 200kts

L/G GRVTY EXTN - DOWN

 

WHEN L/G DOWNLOCKED:

L/G - DOWN

TARGET SPD - 170kts

 

AT TOUCHDOWN:

ENG MASTERS - OFF

APU MASTER SW - OFF

EVACUATION - INITIATE

 

TLF

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keine angst Walter, Peter ist nur nach aussen hin ein kratzbürstiger, bissiger und nach blut und frischfleisch lechzender cpt.,

im inneren ist er der heiligen bernadette sehr ähnlich smile.gif

 

------------------

karl

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jau, lieber TLF

 

so sehen die "mach mal eben" Non Normals aus. Ich finde die, auch bei Boeing bestehenden, letzten Einträge unter "after touchdown" auch heute noch immer sehr originell.

 

Wir beide würden im Leben nicht selber darauf kommen, die Engine Masters und die APU SW auf OFF zu setzen. Oder die Leute von Bord zu schicken. Da siehste wieder -unter uns - für wie bekloppt man tatsächlich gehalten wird. (lacht sarkastisch)

 

Auch der Fact, das man uns nie -aus Pietätgründen- gekannt gab, wie groß denn nun der Kartoffelacker sein muß, um "irgendwie" heile zum stehen zu kommen. Oder welche Art von Strauchwerk, Telegrafenmaste oder Bodenwellen die Kiste aushält.

 

Ich habe mal bei irgend einem Emergencytraining unverschämt danach gefragt:

 

"Sir, mit welcher Art von Schäden haben wir bei einer Aussenlandung real zu rechnen"

 

Verblüffend ehrlich Antwort: "Totalschaden, für ALLE!!!!!"

 

Da war ich wieder wegen "aufmucken und dem stellen völlig unpassender Fragen" unten durch. Es ging dann durch die Trainer (Asse oder besser: Plattmacher, mit tänzelndem Schritt) noch weiter:

 

"Wir erwarten von Ihnen, dass das LFZ ordentlich gelandet wird. Auf dem nächst gelegenen, geeigneten Airport".

 

"Achso, jau, sorry. Das muß Einem ja gesagt werden. Danke für die Lebenshilfe. Soll ich dass auswendig lernen oder gibt es da eine Notam, demnächst".

 

Aber, wichtig, die Checkliste ist ja vorhanden, damit wir Beide dann nicht vergessen, die APU auf OFF zu setzen. Die allerdings vorher (siehe Wien...) och nicht lief, weil die Tanks restlos (in Worten restlos) trocken waren. Aber ich will nun nicht zu pingelig sein, man hilft sich da selbst.....

 

Dann, auch sehr lustiges winzigstes Detail am Rande: Evacuation. Stell Dir das mal bei sehr kräftigen Bodenwind und einer 747 vor. Nee, noch origineller, bei der fiktiven (!) A380. Ist das nicht ein belustigender Anblick, wenn die Rutschen (90% davon schon beim crash "platt) sich amtlich geprüft aufblasen und HORIZONTAL - wie die Windsäcke - entlang der Reste der Flugzeugzelle flattern.

 

Man müßte die Listen dahingehend erweitern:

Rutschen durch Freiwillige vor dem Ecacuation mittels Zelt-Häringen im Acker sichern.

 

Gruß PG

 

 

 

[Dieser Beitrag wurde von Peter Guth am 02. Juni 2002 editiert.]

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Ja, das war tatsächlich ein Problem bei der 380...allerdings hat man das inzwischen wohl im Griff...

 

Ist bei euch nicht mal jemand bei der EVAKuierungsübung gestorben (Genickbruch?)

 

Bei uns werde solche Späße auch trainiert bis zum erbrechen...man kann (!!!) übrigens ab 1000 ft einen 360° fliegen und landet "nur" 4600ft short of the runway (Windstill)...alles schon probiert smile.gif.

 

Zum Thema ENG MASTER und APU...naja, ich denke, dass man nicht oft genug wiederholen kann, dass Checklisten immer und überall zu verwenden sind, und seien die Dinge noch so selbstverständlich...

 

Da gibt es schöne Zwischenfälle, wie: Eine 747 Classic musste beim Taxiing scharf bremsen, weil ein anderer Flieger ihnen im Pushback den Weg abgeschnitten hatte. Der F/O setzte nachdem die Bahn wieder frei war die TAXI Checklist fort, und beim Check der Flight Controls stellte er fest, dass die Ailerons nicht das taten, was sie sollten. Der Aileron Lockout war aktiv, d.h. nur ein Teil der Steuerflächen ließ sich bewegen. 6 Augen suchten 5 Minuten verzweifelt nach einer möglichen Fehlerquelle...zusammen 20.000 Flugstunden Erfahrung konnte nix finden. Der CM1 hat dann angeordnet ALLE Checklisten nochmals durchzugehen, und siehe da: Die LANDEKLAPPEN waren nicht gesetzt, was unter anderem dieses Verhalten der Ailerons herbeiführte. Nicht auszudenken, was passiert wär, wenn man ohne Klappen gestartet wär. Grund war übrigens die Unterbrechung in der Taxichecklist...

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jau, TLF,

 

habe ich auch gelesen, über diese lustige (ähh) Story, war -glaub ich- im Airline Pilots BB. Oder war das Dein Posting, dort?

(Ich schreib da nix mehr, zu viele Extremisten. Und dann dieser entzückende, charmante Ton.... Nee, lesen und amüsieren reicht dort.)

 

So isses, mit den Kleinigkeiten und den möglichen Kosequenzen. Hinterher wissens alle besser undr jammern über bad airmenship.

 

Andererseits, wir mußten immer, bei externer Unterbrechung des abarbeitens, richtigerweise von vorn anfangen....

 

Damit wir uns richtig verstehen. Die Checklisten sind das non plus ultra. Mein Hinweis - lustiger Natur - bezog sich auf die nicht gezeigten Situationen "im Acker".

Du verstehst, was ich meine....

 

Habe mir auch die diversen Forschungsergebnisse über den A380 hinsichtlich evacuation reingezogen. Geht dort zu machen, im step über die wings für das upperdeck.

 

Von einem tödlichen Unfall habe ich auch gehört, ist aber schon lange her. Mich wunderts, dass da nicht mehr passiert, insbesondere bei den Trainings im Wasserbecken. Na, immerhin hat das eine Temperatur von 24°.

 

Gruß PG

 

[Dieser Beitrag wurde von Peter Guth am 02. Juni 2002 editiert.]

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Ja, der A380 macht schon richtig Spass smile.gif

 

Das Postung auf Pilots.de war in der Tat von mir.

 

Das mit dem auf dem Acker habe ich schon verstanden...wollte nur nur noch was schlaues sagen smile.gif. Nein, im ernst, wenn der Flieger noch einigermaßen heil sein sollte (!!!), dann ist ein unkoordiniertes Verlassen des Fliegers ein Sicherheitsrisiko...aber das weißt du ja auch.

 

Das mit dem Todesfall ist in der Tat schlimm...besonders nett fand ich auch immer das Abseilen aus dem Cockpit...zumal ich Höhenangst habe.

 

Grüße, Johannes

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