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Idle-Reverse/ Wheel-Brakes


Susan27

Empfohlene Beiträge

Hi,

 

ich hab mal eine Frage zum Idle-Reverse bzw. zur Betätigung der Wheel-Brakes:

 

Wenn ich das bislang richtig verstanden habe, wird auf Flughäfen, auf denen ein "Power-Idle-Reverse (oder wie nennt man einen "richtigen" Reverse mit Thrust...? lol!) aufgrund der Bahnlänge nicht erforderlich ist (z.B. LSZH, EDDF) bzw. evt. wegen der Nachtzeit möglichst zu unterlassen ist (SXF: Noise-abatement) ein ´Idle Reverse´durchgeführt:

 

Fragen:

 

1) Wieviel Verlangsamung bringt ein Idle R. eingentlich so ca., ist das vergleichbar mit einem sanften "Manual Braking" der Wheel-Brakes nach der Landung oder ist die Bremswirkung deutlich stärker (also vergleichbar einem mittelstarken/ starkem "Manual Branking)...?

 

2) Zu den Wheel-Brakes: Die Wheel Brakes müssen ja die Große Masse eines Airliners zügig abbremsen können: Könnt Ihr mir "subjektiv" beschreiben, wieviel Kraftaufwand so ca. nötig ist, um ein Verkehrsflugzeug allein mit diesen Bremsen (ohne Reverse) abzubremsen...? Ich weiß, dass das extrem schwierig sein dürfte zu beschreiben, aber ist das z.B. vergleichbar mit dem Betätigen des Bremspedals in einem Auto beim Bremsen auf der Autobahn...?

 

3) Alle Airliner haben ja m.E. Anti-Skid/ABS Funktionen: Geht eigentlich im Cockpit (PFD?) eine Warnleuchte (gelb/rot?) - etwa wie im PKW - an, wenn diese Funktion aufgrund "slippery RWY" greift/aktiviert ist...?

 

Vielen dank! :)

 

LG

Susan

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Hallo Susan,

 

Deine Fragen sind ja wirklich sehr spezifisch für ein einfaches allgemeines Interesse :)

 

Generell: Die Antworten hängen sehr vom Flugzeugtyp ab.

 

Nach meiner Erfahrung kann man wirklich den notwendigen Kraftaufwand zum Bremsen im Auto mit dem im Flugzeug vergleichen (aber dann wieder: Hängt ja auch vom Auto ab :007:). Und auf der BAe geht auch kein Lichtlein an, wenn das Antiskid "greift", nur ein Systemausfall wird per Warnlicht gemeldet.

 

Viele Grüße.

 

Nico

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Also susan

 

1) Idle Reverse bewirkt eine leichte aber sehr effektive Bremswirkung aber nur bei hoher Geschwindigkeit, daher werden sie Bremsen wesentlich geschont.

 

2) Ja etwa wie beim Auto, je staerker man drueckt desto groesser die Bremswirkung.

 

3) Beim Boeing keine Anzeige, beim Airbus gibt es eine Wheel Release Anzeige fuer jedes einzelne Rad, aber man hat da eh keine Zeit sich das anzuschauen waerend der Landung.

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Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass bei Boeing, falls man mit Autobrake bremst, man keine Bremswegverkürzung erzielt, sondern schlicht die Bremsen entlastet. Autobrake levels bestimmen nicht die Bremskraft, sondern die negative Beschleunigung. Full Reverse in allen Lebenslagen sollte man sich aber dennoch immer überlegen. Bei Full Reverse genehmigen sich die Triebwerke etwa die selbe Menge Kerosin, wie beim initial T/O. Bei uns insgesamt 8-10to/h, d.h. 2,5kg/s!! Ergo, so ein Reverse kann 25-50kg verbrennen und das auf einer relativ kleinen Maschine. Von Verschleiß und Lärmbelästigung reden wir da noch gar nicht!

 

Gruß

Thomas

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Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass bei Boeing, falls man mit Autobrake bremst, man keine Bremswegverkürzung erzielt...

Bei Autobrake 1 kann full Reverse anfänglich sehr wohl den default Verzögerungswert übersteigen, was bedeutet, daß mit den Rädern überhaupt nicht gebremst wird - und eben bei Zuhilfenahme von Reverse sich der Bremsweg verkürzt.

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Bei Autobrake 1 kann full Reverse anfänglich sehr wohl den default Verzögerungswert übersteigen, was bedeutet, daß mit den Rädern überhaupt nicht gebremst wird - und eben bei Zuhilfenahme von Reverse sich der Bremsweg verkürzt.

 

Das zeigst Du mir bitte schriftlich! In der Zwischenzeit schmeiß ich mal die CBT-CD ein.

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Das zeigst Du mir bitte schriftlich! In der Zwischenzeit schmeiß ich mal die CBT-CD ein.

 

Airbus 320 QRH gibt bis zu 25% Reducktion der Landing Distance an, hohe Werte nur für vereiste Oberflächen. Bei trockener werden 3% und einfach nasser Landebahn werden 8% Reduktion vermerkt mit 2 Reverser Operational.

 

Revision und Airline des QRH auf Anfrage.

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Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass bei Boeing, falls man mit Autobrake bremst, man keine Bremswegverkürzung erzielt, sondern schlicht die Bremsen entlastet. Autobrake levels bestimmen nicht die Bremskraft, sondern die negative Beschleunigung. Full Reverse in allen Lebenslagen sollte man sich aber dennoch immer überlegen. Bei Full Reverse genehmigen sich die Triebwerke etwa die selbe Menge Kerosin, wie beim initial T/O. Bei uns insgesamt 8-10to/h, d.h. 2,5kg/s!! Ergo, so ein Reverse kann 25-50kg verbrennen und das auf einer relativ kleinen Maschine. Von Verschleiß und Lärmbelästigung reden wir da noch gar nicht!

 

Gruß

Thomas

 

Ich sehe gerade B737-700 QRH.

Dort steht nur bei Braking Configuration Max Auto für keine zusätzliche Distanz bei Weglassen der Schubumkehr. Für beispielsweise Autobrake 2 steht eine Zusatzdistanz von 40m, bei kontaminierter Landebahn springen diese Werte auf sportliche dreistellige Werte.

 

Airline und Revision auf Anfrage.

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Ich zitiere aus dem Boeing FCOM vom 25.1.2008:

 

"To maintain the selected landing deceleration rate, autobrake pressure is reduced as other controls, such as thrust reversers and spoilers, contribute to total deceleration."

 

Das heißt nix anderes, als das Bremswegverkürzungen nur auf Systemungenauigkeiten oder aber die stärkere Bremswirkung von Spoilern und Reversern zurückzuführen sind. Dies ist aber nicht Sinn und Zweck des Systems. Mit Autobrake soll eine bestimmte deceleration erreicht werden. Es wird keine Bremskraft eingestellt.

 

Brake level 1 nutzen wir sehr wohl, denn es funktioniert immer, auch dann, wenn die Reverser zu spät eingesetzt werden. In dem Falle kommt es zu keiner Verlängerung des Anhalteweges.

 

Das Autobrake level 1 durch die Reverser overruled werden kann, ist kein Geheimnis, da die gewählte deceleration eher einem ausrollen gleicht. In diesem Falle wird sich der Bremsweg natürlich verkürzen. Wenn aber Autobrake level 1 gewählt wird, weil ausreichend, dann komme ich zu meiner vorherigen Aussage zurück, dass man sich den Einsatz der Thrust reverser immer überlegen sollte.

 

@Quax,

 

wie das ganze nun bei Airbus funktioniert, weiß ich nicht. Fakt ist aber, dass meine Aussage für Boeing nicht falsch war. Es gibt bestenfalls Ausnahmen, und die bestätigen bekanntlich die Regel. :p :)

 

Gruß

Thomas

 

PS: Unsere Company orientiert sich sehr stark am Boeing procedure und verfährt nach dem Motto: Was eingebaut ist, wird schon zu etwas gut sein und darf auch verwendet werden. Getreu nach dem "naiven" Prinzip: Boeing wird schon wissen, was sie tun.

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Ich hab zu dem ganzen auch noch eine Frage:

 

Ich bin zurzeit stolzer Besitzer des Wilco Airbus :cool:, hab aber eine Frage an die Bus- Piloten:

 

Wo wird die normale Bremse im Airbus betätigt (nicht die Autobrake) ??

 

 

2. Hab ich das so richtig verstanden: die Reverser helfen nur bei Hohen geschwindigkeiten, bei niedrigeren Geschwindigkeiten erzielen sie kaum eine Bremsleistung.

Ebenso tragen Reverser zur Materialschonung bei.

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2. Hab ich das so richtig verstanden: die Reverser helfen nur bei Hohen geschwindigkeiten, bei niedrigeren Geschwindigkeiten erzielen sie kaum eine Bremsleistung.

Richtig verstanden.

 

Ebenso tragen Reverser zur Materialschonung bei.

…Materialschonung der Radbremsen, ja.

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Wo wird die normale Bremse im Airbus betätigt (nicht die Autobrake) ??

 

Mit den Fuss-Pedalen. Wenn du die Pedale schiebst (nach hinten und vorne) betätigst du damit das Seitenruder. Wenn du die Pedale drückst (wie beim Gaspedal im Auto) betätigst du damit die Bremsen (linkes Pedal - linke Bremsen, und umgekehrt).

Ist eigentlich in den allermeisten Fliegern (wenn nicht gar in allen) so, also auch bei den Boeings, MDs, etc.

 

Grüessli,

 

Tis

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wie das ganze nun bei Airbus funktioniert, weiß ich nicht. Fakt ist aber, dass meine Aussage für Boeing nicht falsch war. Es gibt bestenfalls Ausnahmen, und die bestätigen bekanntlich die Regel.

 

Du sagtest:

Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass bei Boeing, falls man mit Autobrake bremst, man keine Bremswegverkürzung erzielt, sondern schlicht die Bremsen entlastet.

Und im QRH steht, dass mit bestimmten Autobrake-Settings eine klare Bremswegverkürzung erzielt wird.

 

Ich will keine Haare spalten, aber Deine Aussage ist falsch!

 

Und da ich auch öfters fliege und meine die Bremsen des Flugzeugs sind eine der wichtigsten Systeme und sollten daher die besten Freunde von Pilot und Passagier sein, hake ich hier nach.

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Du sagtest:

 

Und im QRH steht, dass mit bestimmten Autobrake-Settings eine klare Bremswegverkürzung erzielt wird.

 

Ich will keine Haare spalten, aber Deine Aussage ist falsch!

 

Und da ich auch öfters fliege und meine die Bremsen des Flugzeugs sind eine der wichtigsten Systeme und sollten daher die besten Freunde von Pilot und Passagier sein, hake ich hier nach.

 

Und im FCOM steht das Gegenteil :D

 

Ok, einigen wir uns darauf, das man mit dem Autobrake eine bestimmte Verzögerung einstellt, die teilweise ungeplant zu einer Verkürzung des Bremsweges führt, wenn man die Reverser benutzt? :D

 

Und ja, die Bremse, Dein Freund und Helfer! Da stimme ich auch zu... :)

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Nochmals kurz zu den Autobrakes..da scheine ich wohl einiges völlig falsch in Erinnerung zu haben bzw. mir vorzustellen. Es geht um Thomas` Post hier:

 

Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass bei Boeing, falls man mit Autobrake bremst, man keine Bremswegverkürzung erzielt, sondern schlicht die Bremsen entlastet. Autobrake levels bestimmen nicht die Bremskraft, sondern die negative Beschleunigung. ...

 

Ich dachte eigentlich, dass die Autobrakes (AB) dem Piloten nur das Treten auf die Fussbremsen (Manual Braking) abnimmt, aber selbstverständlich dabei die Bremswirkung über die Wheel Brakes erzielt wird...

 

Wenn ich Thomas Satz lese, liege ich damit völlig falsch (lol!). denn wenn man mit den ABs die "Bremsen entlastet", können ja nicht die Wheel-Brakes gemeint sein.

 

Frage daher:

 

1) Wie wird bei AB-Einsatz mechanisch gebremst und vor allem "womit" (welche Komponenten) am Flugzeug...?

 

2) Was ist der Unterschied zwischen der "Bremskraft" und der "negativen Beschleunigung"...ich versteh das leider nicht...? :)

 

Vielen dank nochmals!

 

LG

Susan

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3 Kraftkomponenten steuern zur Verzögerung des Flugzeugs bei:

 

1) Drag (Luftwiderstand), abhängig von Spoiler und Flaps

2) Reverse Thrust

3) Radbremsen (Manual oder Autobrake)

 

Jede dieser Komponenten hat bestimmte Eigenheiten:

 

Drag: steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit. Drag ist also am Anfang, wenn das Flugzeug aufsetzt, am grössten und übersteigt Grössenmässig sogar den Wert von full Reverse Thrust. Der Drag nimmt aber schnell (quadratisch) ab, wenn die Geschwindigkeit kleiner wird. Drag ist z.B. bei ca. 150 Kts beim A320 in der Grössenordnung von 100kN, bei 100Kts bereits nur noch die Hälfte.

 

Reverse Thrust: Ich nehme an, dass die Kraft, welche die Reverser abgeben, weitestgehend von der Geschwindigkeit unabhänig sind (ich nehme an, dass der Fahrtwind auf den Gegenschub keine allzu grosse Wirkung hat). Full Reverse liefert eine konstante Kraftkomponente in der Grössenordnung von 60kN (A320) bis der Reverser ausgeschaltet wird.

 

Radbremsen: Haben weitaus den grössten Bremseffekt, vorausgesetzt die Haftreibung ist sehr gut (Grössenordnung bis zu 300kN bei A320 Vollbremsung). Die maximale Bremswirkung ist jedoch stark vom Bodenbelag und Wetter abhängig und ist bei hohen Geschwindigkeiten reduziert. Um eine Verzögerung von 2 m/s^2 (Autobrake = MED) zu erreichen, muss gegen Ende des Bremsvorganges, wenn der Drag klein wird und Reverser ausgeschaltet werden, eine Kraft in der Grössenordnung von 130kN von den Radbremsen aufgebracht werden (Abhängig vom Gewicht des Flugzeugs).

 

Wenn man manuell Bremst (mit den Bremspedalen), ist die Bremskraft der Räder proportional zum Druck auf die Bremsen und addiert sich zu Drag- und Reverse-Kraft. Da sich diese Beiden Kräfte ständig ändern, vor allem Drag, müsste der Pilot die Bremspedale ständig nachstellen, um eine komfortable konstante Verzögerung zu erreichen. Genau das nimmt ihm das Autobrake-System ab. Man stellt einfach die gewünschte Verzögerung ein (z.B. MED = 2 m/s^2 = 0.2 g) und das Bremssystem regelt die Bremsleistung der Räder so, dass diese nur so viel Bremskraft beisteuern wie nötig ist, um die eingestellte Verzögerung nicht zu unterschreiten. Je nach eingestellter Verzögerung (Autobrake) müssen die Bremsen erst relativ spät hinzukommen, wenn man Reverse Thrust verwendet. Ohne Reverser müssen die Bremsen natürlich die Kraft des Reversers zusätzlich aufbringen, um die gewünschte Verzögerung zu erreichen. Daher schont der Reverser die Bremsen, ausser Autobrake ist auf MAX eingestellt. Dann müssen die Bremsen natürlich schon sehr früh und kräftig ran.

 

 

Ich habe eine Simulation des Bremsweges eines A320 programmiert, bei der man dies alles ausprobieren kann:

 

> Simulation des Bremsweges

 

 

Diese Simulation berücksichtigt 38 Parameter von Flugzeug, Pilot, Landebahnzustand und Umgebungsbedingungen! Man kann jeden einzelnen Parameter verändern und durchrechnen lassen, wie sich das auf die Geschwindigkeit, Bremsweg und Kräfte am Flugzeug auswirkt. Die Simulation verwendet die Werte eines A320 (soweit ich diese ermitteln konnte).

 

Da die Simulation auch die wichtigsten Kräfte berechnet und anzeigt, kann man sehr schön folgende Effekte simulieren, die in den Beiträgen oben angesprochen wurden:

 

  • Man sieht die verschiedenen Kraft-Anteile von Drag, Reverser und Bremsen und kann deren Anteil an der gesamten Bremsverzögerung erkennen. Man kann erkennen, dass die Reverser vor allem am Anfang, wenn der Drag noch gross ist, sehr effektiv zur Verzögerung beitragen. Der Drag-Anteil (Luftwiderstand) ist am Anfang sehr gross, sofern die Spoiler ausgefahren werden.
     
  • Beim Bremsen mit Autobrake = MED mit oder ohne Reverser kann man sehen, dass nicht der Bremsweg mit dem Reverser verkürzt wird, sondern die Bremsen entlastet werden, weil diese erst dann einsetzen, wenn die Verzögerung durch Drag und Reverser unter den eingestellten Wert der Autobrakes fällt.
     
  • Bei Autobrake = 33% (LOW) kann man erkennen, dass die Reverser die für LOW Verzögerung nötige Bremskraft zusammen mit dem Drag anfangs erheblich übersteigen (Kurve Total Bremskraft).
     
  • Bei Autobrake = MED sieht man, dass sich der Bremsweg beim Weglassen der Schubumkehr (Reverse = -1 setzen) in meiner Simulation des A320 nur um 87m verlängert. Dies passt recht gut zur Angabe von Schorsch für die B737 von 40m. Ich musste jedoch die Kräfte der Schubumkehr mangels Quellen schätzen. Mit anderen Werten komme ich leicht auf genau diesen Wert oder noch weniger.
     
  • Man kann erkennen, dass bis ca. 90 Kts alleine der Drag (Luftwiderstand) schon stärker bremst als dies der Einstellung Autobrake LOW entspricht. Stelle dazu Reverse und Thrust je auf -1 (entspricht Engine out, um den Einfluss der Triebwerke mal auszuschalten) und Autobrake auf 33%. Beobachte die Totale Bremskraft, die sich Anfangs nur aus Drag und Rollwiderstand zusammensetzt und wesentlich höher ist als am Ende des Bremsweges, wo die Bremsen dazu kommen.
     
  • Wenn man die Spoiler auf 0% setzt (retracted) kann man sehr gut erkennen, dass der am Anfang herrschende Auftrieb ein effektives Bremsen mit den Rädern verunmöglicht, da die maximale Bremskraft direkt von der Auflagekraft der Räder abhängig ist. Daher sind Spoiler ein Muss beim Bremsen!
     
  • Bei nasser oder eisiger Landebahn (Friction F60 unter Parameter: Airport z.B. auf 0.05 setzen) kann man erkennen, dass das Bremsen bis zum Zeitpunkt, an dem die Reverser zurück gesetzt werden, gleich schnell geht wie bei trockener Landebahn (bei Autobrake), aber dass danach der Bremsweg viel länger wird, weil die Bremsen nicht genug greifen können (zu kleine Haftreibung μ).
     

 

Eine Bemerkung noch zum Anti-Skid: Die maximal mögliche Bremskraft mit den Rädern ist von der Haftreibung zwischen Räder und Bodenbelag abhängig, ausgedrückt durch die Haftreibungszahl μ. Diese ist wiederum von vielen Faktoren abhängig, wie z.B. mittlere Profiltiefe (Mean Profile Depth MPD) der Landebahn, Reifenzustand, Wetterbedingungen (Wasser, Schnee, Eis auf der Landebahn), Geschwindigkeit des Flugzeugs usw. Auch einen wesentlichen Einfluss auf μ hat der Schlupf zwischen Reifen und Landebahn! μ ist dann am grössten, wenn der Schlupf ca. 10% beträgt (100% bedeutet blockierte Räder). Daher werden die Bremsen bei maximaler Bremsung vom Bremssystem so geregelt, dass der Schlupf möglichst im optimalen Bereich gehalten wird.

 

Zum Autobrake: Hier ein paar Verzögerungswerte je nach Autobrake-Einstellung:

 

Airbus (A320):

 

LOW = 0.1 g = 1.0 m/s^2 nach 4 s Verzögerung -> Autobrake = 33%

MED = 0.2 g = 2.0 m/s^2 nach 2 s Verzögerung -> Autobrake = 66%

MAX = 0.3 g = 3.0 m/s^2 sofort -> Autobrake = 100%

 

Hinweis: 9.81 m/s^2 entspricht 1g (Erdbeschleunigung).

 

 

Einfache Formel: Bremsweg

 

Hier mal eine vereinfachte Formel zur Berechnung des Bremsweges. Diese Formel gilt, wenn die Bremsverzögerung konstant ist, also mit Autobrake gebremst wird:

 

-----------------------------------------------------

Bremsweg = Landegeschwindigkeit^2 / (2 * Verzögerung)

-----------------------------------------------------

 

Beispiel A320 mit Autobrake MED = 2 m/s^2 = 0.2 g:

 

Landegeschwindigkeit = 140 Kts = 140 * (1.8 / 3.6) m/s = 70 m/s

Verzögerung (MED) = 2 m/s^2

 

Bremsweg = (70 m/s)^2 / (2 * 2 m/s^2) = (4900 m^2/s^2) / (4 m/s^2) = 1225 m

 

Dies ist der reine Bremsweg nach dem Flare. Dazu werden ca. 300 m (1000 Fuss) für den Flare gerechnet.

 

Einfache Formel: Autobrake

 

Umgekehrt kann aus dieser Formel auch berechnet werden, wie stark gebremst werden muss, wenn der Bremsweg vorgegeben wird:

 

-----------------------------------------------------

Verzögerung = Landegeschwindigkeit^2 / (2 * Bremsweg)

-----------------------------------------------------

 

Auch hier wieder die Flare-Strecke berücksichtigen!

 

Beispiel: Wir wollen auf 1500 m stoppen.

 

Bremsweg = 1500m - 300m (Flare) = 1200m

Landegeschwindigkeit = 140 Kts = 140 * (1.8 / 3.6) m/s = 70 m/s

 

Verzögerung = (70 m/s)^2 / (2 * 1200m) = 2.04 m/s^2

 

Dies entspricht der Autobrake-Einstellung MED beim A320.

 

Das Schöne an Autobrake ist, das Gewicht des Flugzeug spielt keine Rolle, sofern die Haftreibung gross genug ist um die nötige Kraft aufzubauen. Man stellt einfach die gewünschte Verzögerung ein und das Bremssystem bremst entsprechend stark. Beim schweren Flugzeug entsprechend stärker als beim leichten, aber immer nur so fest, dass die gewünschte Verzögerung erreicht wird. Was Reverser und Drag dazu beisteuern, müssen die Räder weniger leisten. Nur wenn Drag und Reverser so gross sind, dass die eingestellte Verzögerung überschritten wird, kann Autobrake darauf keine Einfluss nehmen (es müsste dann sogar noch Gas geben können, damit nicht so stark gebremst wird).

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Folgendes habe ich noch dazu gefunden:

 

737 Cockpit Companion by Bil Bulfer

 

Autobrake used to select RTO or the desired deceleration rate of autobraking after landing

Landing mode selection equals total deceleration (thrust reverse plus braking)

….

 

 

Autobrake setting PSI available Scheduled rate of deceleration

1 1250 4ft/sec

2 1500 5ft/sec

3 2000 7,2ft/sec

Max 3000 14ft/sec above 80kts

12ft/sec below 80kts

RTO 3000 deceleration rate not controlled

 

Iris,

 

genau das habe ich immer ausdrücken wollen und habe es ja eigentlich auch so geschrieben. Reverser und Speedbrakes entlasten die Bremsen.

 

Ich denke man kann schlußendlich sagen, dass die Reverser den Bremsweg verkürzen, aber nicht weil dies so gewollt ist, sondern weil das Regelsystem für die konstante Verzögerung nicht schnell genug auf äußere Einflüsse reagieren kann, um alles sofort zu kompensieren.

 

Und im QRH findet man nix über Autobrake und Bremsweg.

 

Gruß

Thomas

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Habt alle ganz großen Dank für Eure Infos, mein Fehler war wahrscheinlich, dass Autobrake eine konstante Gesamt-Bremswirkung erzielen soll...und sich eben nicht nur auf die Wheel-Brakes bezieht...

 

@Walter

Auch einen ganz besonderen Dank an Dich für Deine umfangreichen(!) Ausführungen zu diesem Themenkomplex: Deine Ausführungen haben dazu beigetragen, dass ich jetzt den Sinn u. Zweck des Autobrake-Systems endlich verstanden habe. Ich finde es wirklich bewundernswert, wie genau und mit welcher Detailtiefe Du Dich hier auskennst...dankeschön! :) :)

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