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Absturz Aero Commander AC-90


Viti

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Absturz der «Commander AC-90» vor 20 Jahren bleibt ein Rätsel

Taucher montieren bei der Bergung des Flugzeugs der «Rheintalflug» ein Leichennetz.

 

RORSCHACH.

Es war eines der schwersten Flugzeugunglücke: Am 23. Februar 1989 stürzte eine «Commander AC-90» der «Rheintalflug» vor Rorschach in den See: Alle elf Insassen kamen ums Leben, darunter auch der österreichische Sozialminister Alfred Dallinger.

 

Als die zweimotorige Propellermaschine der Vorarlberger Regional-Airline «Rheintalflug» am 23. Februar 1989 um 9.36 Uhr in Wien abhebt, schaut alles noch nach einem Routineflug aus. Am Steuer der «Aero Commander» sitzt Pilotin Brigitte Seewald (42), die Gattin von Flugunternehmer Rolf Seewald, neben ihr Copilot Johann Rainer (30). Unter den neun Passagieren befinden sich Sozialminister Alfred Dallinger (62) und einige hochrangige Betriebsmanager.

 

Einzige Sorge der Crew ist das Wetter: Wegen dichten Nebels über dem Rheintal und dem Bodensee kann das ursprüngliche Ziel, der Flugplatz Hohenems, nicht angeflogen werden – auch über dem Ausweichflughafen Friedrichshafen herrscht Nebel. Weitere Landemöglichkeiten gäbe es in Zürich und Leutkirch, doch die beiden Piloten entscheiden sich am Ende für den Flugplatz Altenrhein, wo nur zeitweise Nebel durchzieht. Der verspätete Abflug in Wien (bedingt durch die unsichere Wetterlage) und der daraus resultierende Termindruck für den Minister könnten diese Entscheidung beeinflusst haben, heisst es später im Untersuchungsbericht zum Flugunfall.

 

Nebelfetzen von Norden

Der Flug verläuft normal, gegen 10.50 Uhr meldet sich die Maschine mit Position Pfänder beim Kontrollturm Altenrhein. Nach Zuweisung der Piste 10 bereitet sich die Crew auf die Landung vor. Nach dem Überfliegen des Flugplatzes um 10.55 Uhr werden die Piloten vom Tower aufgefordert, den Anflug etwas zu beschleunigen, weil ein Nebelfetzen aus Norden hereinzukommen droht.

 

Was danach passiert ist, hat das eidgenössische Büro für Flugunfalluntersuchungen zu rekonstruieren versucht. Die «Commander» war zunächst noch über der Nebeldecke geflogen, muss diese aber dann im Landeanflug durchstossen haben und dabei die Höhe, sprich den Abstand zur Wasseroberfläche, falsch eingeschätzt haben. Als die Piloten das merkten, war es offenbar schon zu spät. Die Maschine schlug mit der Nase auf und riss im Bereich des vorderen Einstiegs unmittelbar hinter dem Cockpit auf, was in der Folge zum Versinken im Bodensee führte. Kurze Zeit später löste die Kantonspolizei St. Gallen internationalen Seenotalarm aus.

 

Der damalige Leiter der Seepolizei Thurgau, Wolfgang Bohner, erinnert sich noch genau: «Zunächst wusste natürlich niemand, wo die genaue Absturzstelle ist.»

 

U-Boot findet Wrack

Gemeinsam mit den Polizeibooten aus Deutschland und Österreich machte man sich auf die Suche. Etwa zwei Stunden nach dem Unglück wurden Überreste und Teile vom Inventar des Flugzeugs auf dem Wasser treibend gesichtet – die Stelle befand sich gut einen Kilometer vom Rorschacher Ufer entfernt.

 

Während die Polizei- und Rettungsboote noch nach möglichen Überlebenden suchten, wurde das U-Boot «Geo», das sich zu diesem Zeitpunkt im Hafen von Romanshorn befand, um Hilfe gerufen. «Das Tauchboot, das der Max-Planck-Gesellschaft München gehörte, war zufällig noch am See, weil es die Bergung eines Hubschraubers unterstützte, der wenige Wochen zuvor ebenfalls über dem Bodensee abgestürzt war – dabei waren zwei Menschen ums Leben gekommen», erzählt der frühere Leiter der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen, Edwin Bauer, der damals ebenfalls im Einsatz war.

 

Bergung nach einer Woche

Noch am späten Nachmittag des Unfalltages entdeckte «Geo» das Flugzeug in 76 Metern Tiefe im Schlamm steckend. Bis das Wrack und die elf Leichen darin mit einer Seilwinde geborgen werden konnten, sollte noch rund eine Woche vergehen, denn schlechtes Wetter verzögerte die Bergung immer wieder. Der ehemalige Bezirksammann von Rorschach, Waldemar Marquart, berichtete damals den Medien, dass beim Aufprall der Maschine auf dem Wasser «alle Passagiere samt ihren Sitzen ins Cockpit geschleudert wurden». Infolgedessen dürften sie sofort das Bewusstsein verloren haben oder grösstenteils gleich tot gewesen sein, meinten die Gerichtsmediziner.

 

Die Unfallursache konnte trotz eingehender Untersuchung durch die Flugunfallexperten nicht zur Gänze geklärt werden.

 

Im Mittelpunkt stand vor allem die Frage, ob ein Defekt am Leitwerk der «Commander» oder ein Pilotenfehler zum Flugzeugunglück geführt hat. Wie bei der Untersuchung des Wracks festgestellt wurde, war das rechte Seil des Landeklappen-Antriebs stark abgenützt, das linke sogar gerissen. Der einstige Chef der «Rheintalflug», Rolf Seewald, besteht bis zum heutigen Tag darauf, dass der «Seilriss Auslöser für den Unfall» war. Seewald damals wörtlich: «Durch die plötzliche Belastung riss das Seil zu einer Landeklappe. Sie hatte keine Chance…»

 

Die Berner Flugunfallkommission hingegen vertritt in ihrem Abschlussbericht vom Juli 1991 die Auffassung, dass der «Seilriss erst durch den Aufprall entstanden ist». Daher sei mit «hoher Wahrscheinlichkeit» davon auszugehen, dass nicht ein technischer Defekt, sondern menschliches Versagen zum Absturz der Maschine geführt habe.

 

Der Airport St. Gallen-Altenrhein hat zwei Jahre nach dem Unglück ein Instrumentenlandesystem (ILS) installiert, das Piloten auch bei schlechten Sichtverhältnissen ein sicheres Landen ermöglicht.

 

Quelle: "St.Galler Tagblatt", 23.02.2009

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