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Warum fliegt ein Flugzeug?


Systemdynamiker

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dann kann ich es auch nicht nach der Geschwindigkeit auflösen und meinen Druck berechnen, oder geht es einfach um eine qualitative Aussage?

Es geht (leider) nur um eine qualitative Aussage, da du nur die "Durchschnittsgeschwindigkeit" kennst, der Druck sich aber quadratisch mit der Geschwindigkeit ändert. Somit kennst du den "Durchschnittsdruck" nicht.

Und natürlich kennst du auch den Staupunkt nicht, somit sind dir die exakten Weglängen ohnehin unbekannt.

 

Es gibt keine einfache Methode zur Berechnung des Auftriebs, allerdings haben Mathematiker (die auswendig wissen, das das Integral von 0 bis 1 über y / (1-y)^2 dy gleich Pi ist...) ein paar allgemeine Formeln entwickelt, die halbwegs gute Resultate erzielen.

 

Wenn du was genaueres berechnen willst, kommst du an komplizierten Rechenverfahren und einigen größeren Matrizen nicht vorbei.

Allerdings gibt es einen reichhaltigen Fundus von guten Rechenprogrammen für sowas (Eppler, XFoil, JavaFoil....)

 

Gruß

Ralf

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  • 2 Wochen später...
Bin als aerodramatischer Laie über den Ausdruck "Neutralpunkt" gestolpert. Kann mir den jemand erklären?
Hallo Andreas, ich kann es gerne mal versuchen.

 

Den Neutralpunkt an sich "gibt" es nicht, man hat ihn gezielt definiert, jedes Flugzeug könnte ohne Neutralpunkt fliegen. Er ist lediglich Teil einer Konvention um dem Ingenieur die Berechnungen zu vereinfachen.

Die Überlegung dahinter ist die folgende:

Würde man als Bezugspunkt eines Flügelprofils die Nase nehmen, dann würde mit steigendem Anstellwinkel und Auftrieb ein immer größer werdendes kopflastiges (=positives) Moment entstehen, da der Auftrieb immer hinter diesem Bezugspunkt liegt. Umgekehrt würde Abtrieb hinter dem Bezugspunkt immer ein schwanzlastiges Moment erzeugen.

Damit wäre dCm/dCa, die Änderung des Moments mit dem Auftrieb immer positiv.

Umgekehrt kann man natürlich auch die Endleiste als Bezugspunkt wählen, in dem Fall würde jeder Auftrieb ein schwanzlastiges (=negatives) Moment erzeugen, jeder Abtrieb ein kopflastiges. dCm/dCa wäre immer negativ.

Nun sind alle Rechnungen zum Längsmomentenhaushalt natürlich am einfachsten zu bewerkstelligen, wenn man als Bezugspunkt einen wählt, in dem man den Auftrieb gedacht angreifen lässt, in dem Fall erzeugt der Auftrieb kein Moment um den Bezugspunkt, und fällt aus allen Rechnungen raus. Noch viel einfacher wird es, wenn um diesen Bezugspunkt dCm/dCa, also die Änderung des Flügelnickmoments mit dem Auftrieb null wäre, weil dann auch diese Komponente komplett rausfällt, und praktisch nur noch das Höhenleitwerk Momentenänderungen um diesen Punkt erzeugt.

Nun ist Mutter Natur zu uns so nett gewesen, das in der Tat ein Punkt zwischen Nasenleiste (dCm/dCa > 0) und Endleiste (dCm/dCa < 0) existiert, für den im gesamten normalen Flugbereich keine Momentenänderung mehr eintritt (dCm/dCa = 0). Dieser Punkt liegt in 1/4 der Profiltiefe. (für Mathematiker jedenfalls, ganz so nett ist Mutter Natur dann doch wieder nicht... aber es ist eine seeeehr gute Annahme).

Definiert man nun den Auftrieb als im Neutralpunkt angreifend, dann hat jedes Profil ein bei konstanter Geschwindigkeit über den Anstellwinkel konstantes Moment (genau genommen einen Momentenbeiwert, Cm), dies ist eine Universalkonstante die für jedes bekannte Profil dokumentiert ist. Positiv gewölbte Profile haben ein negatives, S-Schlag-Profile (für Nurflügler) ein positives Moment, symmetrische Profile gar keins.

 

Dies ist der Neutralpunkt eines Profils, bzw. der eines Flügels.

 

Ein schönes Beispiel in diesem Zusammenhang ist ein Regenschirm. Dieser stellt ja im Prinzip nichts anderes als einen gering gestreckten Ellipsenflügel mit sehr dünnen, stark gewölbtem Profil dar. Gelagert ist er genau in der Mitte, also bei 50% Flügeltiefe, etwas weniger 25% hinter seinem Neutralpunkt (da der Regenschirm ja eine positive Pfeilung hat). Was das bedeutet, kann man im Sturm sehr schön ausprobieren: erhöht man den Anstellwinkel (kippt ihn in Richtung Lee) so kann man deutlich das zunehmend schwanzlastige Moment spüren (bis irgendwann die Struktur dem Experiment ein Ende setzt...). Kippt man ihn umgekehrt gegen den Wind, so klappt er irgendwann nach vorne um, sprich er ist instabil. Fasst man ihn allerdings an der dem Wind zugewandten Vorderkante an (25% vor dem Neutralpunkt), so kann man ihn stabil im Wind "segeln" lassen, Auftrieb und Gewicht halten sich im Gleichgewicht, er verhält sich stabil. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl kann man den Punkt an einer der Speichen finden, an dem man den Schirm unabhängig vom Anstellwinkel mit einer konstanten Horizontalkraft am Griff ausbalancieren kann. Das ist dann der Neutralpunkt des Regenschirms.

 

Der Neutralpunkt eines ganzen Flugzeugs kann nun ebenfalls definiert werden, es ist der Bezugspunkt, um den sich das Flugzeuglängsmoment über den Anstellwinkel konstant ist.

Nehmen wir wieder mal zwei Extreme an:

Wäre der Bezugspunkt im Hauptflügelneutralpunkt, so hat der Hauptflügelauftrieb keinen Hebelarm, und erzeugt folglich kein Moment. Ausschließlich das Höhenleitwerk erzeugt in den Fall eins, und zwar bei steigendem Anstellwinkel ein zunehmend kopflastiges, da das Leitwerk ja zunehmend Auftrieb liefert, und den Schwanz anhebt.

Das andere Extrem wäre ein Bezugspunkt im Höhenleitwerks-Neutralpunkt, in dem Fall würde ein über den Anstellwinkel schwanzlastiger werdendes Moment vom Hauptflügel erzeugt.

Irgendwo dazwischen gibt es nun einen Punkt, um den sich eine Anstellwinkeländerung nicht auf das Nickmoment auswirkt. Dies ist der Flugzeugneutralpunkt.

Um jeden Punkt vor diesem Neutralpunkt verhält sich ein Flugzeug stabil, sprich es gibt einen "Windfahneneffekt", jede Anstellwinkeländerung erzeugt eine Momentenänderung die das Flugzeug wieder in die alte Position zurückdreht.

Umgekehrt verhält sich ein Flugzeug um jeden Punkt hinter diesem Neutralpunkt instabil, kleinste Anstellwinkeländerungen bewirken ein Umschlagen des Flugzeugs.

Will man nun den Momentenhaushalt betrachten, ohne den Effekt der Flugzeugmasse mit berücksichtigen zu müssen, dann muß man den Schwerpunkt des Flugzeugs als Bezugspunkt wählen. Daraus folgt, das das Flugzeug solange stabil fliegt, wie der Schwerpunkt vor dem Neutralpunkt liegt. Liegt er dahinter, so muß der Pilot aktiv das Flugzeug stabilisieren. Gute Testpiloten können sowas (die Wright Brüder mussten es auch können, da auch deren Flyer instabil war), moderne Computer (z.B. im Eurofighter) können das. Aber man kann nicht einen Moment das Flugzeug sich selbst überlassen. Sowas ist natürlich nicht wünschenswert. Daher ist der Flugzeugneutralpunkt normalerweise immer die absolut hinterste Schwerpunktlage, die die Grenze zwischen extrem Anspruchsvoll und unfliegbar definiert. Für gewöhnlich wünscht man sich eine gewisse Marge zwischen hinterster Schwerpunktlage und Flugzeugneutralpunkt, auch die Bauvorschrift fordert ein gewisses Minimum.

Will man ein Kunstflugzeug bauen, konstruiert man es mit sehr geringer Marge, das Flugzeug wird dann sehr wendig. Will man ein IFR Reiseflugzeug bauen, wird man eine große Reserve einbauen, das Flugzeug fliegt dann "wie auf Schienen".

Die Parameter mit denen man den Neutralpunkt beeinflussen kann, sind im wesentlichen Leitwerksgröße und Leitwerkshebelarm. Flugzeuge mit sehr großen Leitwerken oder langen Rumpfhecks haben weit hinten liegende Neutralpunkte. Ein grober Anhaltspunkt für typische Neutralpunktlagen ist so zwischen 50% und 75% Flügeltiefe für ungepfeilte Flügel.

 

 

Es gibt aber auch noch weitere Flugzeugneutralpunkte, und zwar insgesamt 4. Alle stehen mehr oder weniger im Zusammenhang mit dem Höhenruder in Bezug auf den Längsmomentenhaushalt über den Anstellwinkel.

Zwei dieser Neutralpunkte beschreiben das Verhalten des Flugzeugs im stabilen Geradeausflug, zwei davon das im beschleunigten Flug (Abfangbogen, vereinfacht betrachteter Kurvenflug),

Zwei davon betrachten die Stellung des Höhenruders über den Anstellwinkel (bzw. die Geschwindigkeit, die ja damit zusammenhängt), zwei die Knüppelkraft bzw. das Moment auf das Höhenruder.

Ensprechend unterscheidet man

- Festruder-Neutralpunkt

- Losruder-Neutralpunkt

- Festruder-Manöverpunkt

- Losruder-Manöverpunkt.

 

"Festruder" bedeutet praktisch ein in seiner Stellung fixiertes ("festes") Höhenruder, also wird nur die Stellung betrachtet. "Losruder" bedeutet das der Pilot das Höhenruder mit einer gewissen Steuerkraft halten muß, es wird also die Höhensteuerkraft betrachtet.

 

Um die Ruderneutralpunkte zu erklären will ich hier mal ein Diagramm benutzen, das in keinem Pilotenlehrbuch und kaum einem Flugmechaniklehrbuch vorkommt. (warum auch immer)

Fangen wir zunächst mit dem einfachen Hebelgesetz an, und denken uns ein im Schwerpunkt aufgehängtes Flugzeug (der Typ im Bild ist rein zufällig), an das im Flügelneutralpunkt der Auftrieb sowie ein (konstantes) Nickmoment angreift, und am Höhenleitwerk eine Kraft, die für Gleichgewicht sorgt. Das geringe Höhenleitwerksmoment vernachlässigen wir mal gegenüber dem sehr viel größeren Flügelmoment, und Flügel, Leitwerk und Schwerpunkt denken wir uns auf einer geraden Linie, und wir nehmen mal an, das der Leitwerkshebelarm sehr groß im Verhältnis zur Flügeltiefe ist.

 

Kraeftegleichgewicht.jpg

Nehmen wir nun mal an, der Drehpunkt des Hebels läge genau im Flügelneutralpunkt, dann würde die Flügelkraft kein Moment erzeugen, und die Höhenleitwerks muß konstant nach unten zeigen und das Flügelmoment ausgleichen, unabhängig vom Hauptflügelauftrieb. (das Fliegerle oben rechts kein Auftrieb, oben links mit Auftrieb, immer der gleiche Höhenleitwerksabtrieb)

Tragen wir nun die benötigte HLW-Kraft über dem Flügelauftrieb auf, so ergibt sich Gerade 1 (blau).

Nehmen wir nun mal an, der Drehpunkt läge vor dem Flügelneutralpunkt, in diesem Fall ergibt sich bei Null Auftrieb wiederum der gleiche HLW Abtrieb, der das Flügelmoment ausgleicht. Mit steigendem Auftrieb aber entsteht ein zunehmend kopflastiges Moment (das Fliegerle unten links), das durch eine zunehmend negative HLW-Kraft (blauer Pfeil) ausgeglichen werden muß. Es ergibt sich die Gerade 2 mit negativer Steigung (hellgrün).

Nehmen wir nun mal an, der Drehpunkt läge hinter dem Flügelneutralpunkt, in diesem Fall ergibt sich bei Null Auftrieb wiederum der gleiche HLW Abtrieb, der das Flügelmoment ausgleicht. Mit steigendem Auftrieb aber entsteht jetzt ein zunehmend schwanzlastiges Moment (das Fliegerle unten rechts), das dem kopflastigen Flügelmoment entgegenwirkt. Ab einem bestimmten Flügelauftrieb muß auch das HLW jetzt Auftrieb liefern. Es ergibt sich die Gerade 3 mit positiver Steigung (violett).

Ich nehme jetzt einfach nochmal zwei weitere immer weiter hinten liegende Drehpunktlagen an, die Geraden 4 und 5 bilden. Bis jetzt zeigt das Diagramm das simple Hebelgesetz.

Jetzt machen wir es einfach mal dimensionslos, indem wir beide Achsen durch den Staudruck dividieren, dazu noch die x-Achse durch die Flügelfläche und die y-Achse durch die HLW-Fläche. Es ergeben sich nun die selben Geraden, nur im CaHLW über CaFlügel Diagramm. Nun dividieren wir noch die x-Achse durch den Auftriebsanstieg des Hauptflügels, und die x-Achse durch den Auftriebsanstieg des HLW (wiederum jeweils Konstanten, im Wesentlichen nur abhängig von der Streckung des jeweiligen Flügels). Wir haben damit unsere simplen Geraden in Ca(alpha) Bedarfs-Kurven des Höhenleitwerksprofils umgewandelt (durch simples umskalieren der Achsen).

Arbeitsdiagramm1.jpg

Diese Geraden gelten natürlich nur in dem Bereich, in dem der Auftriebsbeiwert linear mit dem Anstellwinkel ansteigt, dies ist der normale Flugbereich. Bei noch größeren Anstellwinkeln fängt der überzogene Bereich an, den wir vermeiden wollen, und daher hier nicht näher betrachten. Wir beenden die Geraden daher bei diesem Anstellwinkel, im Beispiel bei 10°.

 

Nun tragen wir im selben Diagramm die tatsächlichen Ca(alpha) Kurven des HLW-Profils für verschiedene Höhenruderausschläge auf. Ich habe mal ein reales Profil genommen, allerdings ist die Gesamtauslegung völlig willkürlich und sicher noch nicht optimiert, daher bitte mit etwas Vorsicht betrachten. Aus den jeweiligen Schnittpunkten unserer Geraden mit den tatsächlichen Kurven des HLW Profils kann man nun bestimmten Anstellwinkeln bestimmte Höhenruderausschläge zuordnen.

 

Arbeitsdiagramm2.jpg

Man erkennt sofort: für die vorderste Schwerpunktlage (hellgrüne Kurve) sind sehr große Höhenruderausschläge notwendig, das Profil wird voll ausgenutzt, bestimmte Anstellwinkel können trotz voll gezogenem HR gar nicht mehr erflogen werden, das Flugzeug ist lammfromm und statisch überziehsicher, durch die langen Knüppelwege ist es sehr einfach zu fliegen, fühlt sich aber natürlich träge und langweilig an. Ausserdem wird das Höhenruder immer Leistungsmäßig "falsch" ausgeschlagen, also nach oben um hohen Auftrieb zu erzeugen, nach unten um Abtrieb zu machen. Dies treibt den Leitwerkswiderstand gewaltig in die Höhe. Nur bei Enten hilft es.

Für die dritte Schwerpunktlage (violett) ergeben sich nur noch sehr geringe Ruderausschläge, das gesamte Flugspektrum lässt sich mit sehr wenig Knüppelausschlag ausfliegen, für sportliche Manöver bleibt viel Reserve. So ein Flugzeug fliegt sich sehr leicht und sportlich "aus dem Handgelenk" und macht viel Spaß, wird aber in Böen schon anspruchsvoll und kann jederzeit mit Vollausschlägen überzogen werden. (erlaubt gerissene Flugfiguren)

Die vierte Kurve (fliederfarben) verläuft bei moderaten Anstellwinkeln genau parallel zu den Höhenruderkurven, jede Geschwindigkeit kann mit der selben Knüppelstellung (hier 5° gedrückt) geflogen werden, der gesamte Knüppelweg kann für Manöver ausgenutzt werden. So ein Flugzeug fliegt sich extrem giftig, ist allerdings auch extrem wendig. Gerissene und gestoßene Flugfiguren kann man mit zwei Fingern fliegen. Für Kunstflugprofis und Kampfpiloten sicher ganz reizvoll, aber für Otto Normalpiloten praktisch unfliegbar, und von der Bauvorschrift auch nicht zugelassen (jedenfalls nicht ohne Ausnahmen). Die dazugehörige Schwerpunktlage entspricht jetzt genau dem Festruder-Neutralpunkt.

Sobald das Höhenruderprofil den linearen Bereich verlässt (hier bei etwa 3° und einem Auftriebsbeiwert von ungefähr 0,7), wird das Flugzeug sogar dem Knüppelweg nach instabil. Zumeist wird bei der Definition der Neutralpunkte der Einfachheit halber ein lineares Verhalten des Höhenleitwerks angenommen, man will ja ohnehin noch eine gewisse marge vorhalten, also genügt die vereinfachte Betrachtung.

Bei Kurve 5 hingegen (rot) muß man im Langsamflug den Knüppel weiter vorne haben, als im Schnellflug, sowas ist mehr als anspruchsvoll, insbesondere im Langsamflugbereich. So ein Flugzeug sauber zu landen ist eine Kunst. In dem konkreten Fall wäre sogar der Langsamflugbereich gar nicht mehr auszufliegen, der zur Stabilisierung notwendige Höhenruderauftrieb ist gar nicht erzeugbar, selbst voll gedrückt könnte man das Flugzeug nicht an einem Überschlag nach hinten hindern. Von daher wäre dies ein Beispiel für ein Flugzeug, das bei zu weit hinten liegendem Schwerpunkt kriminell wird.

Wohlgemerkt: wir haben bisher das Flugzeug gar nicht verändert, nur die Schwerpunktlage! Man kann allein durch die Beladung (in Grenzen) wählen, ob man einen sportlichen Flieger haben möchte, oder einen lammfrommen. Bisweilen ändert sich das auch noch mit dem verbrauchten Sprit... Ein Flugzeug das man beim Start noch beherzt vom Boden ziehen musste, kann man bei der Landung mit leeren Tanks mit zwei Fingern abfangen.

Ansonsten lassen sich die Kurven bewusst durch Wahl von Leitwerkshebelarm, Leitwerksgröße, Höhenruderausschlägen und Höhenleitwerks-Einstellwinkel verschieben und strecken, so das sich das gewünschte Verhalten konstruieren, und die Bauvorschriftsforderungen erfüllen lassen.

Betrachten wir nun nochmal Kurve 4, hier ist der HR Ausschlag über einen gewissen Anstellwinkelbereich gleich. Stellt man sich nun ein HLW mit negativem und posivem Anstellwinkel vor, so kann man sich gut vorstellen wie sich das Höhenruder als "Windfahne" verhalten würde: Bei negativem Anstellwinkel würde es nach unten geweht, der Pilot müsste also eine Kraft in Richtung "ziehen" aufwenden, um da HR in seiner Position zu halten, umgekehrt müsste er bei hohen Anstellwinkeln eine Kraft in Richtung "drücken" aufbringen, das wäre entgegengesetzt der normalen Betätigungsrichtung! Bei genau im Festruder-Neutralpunkt liegendem Schwerpunkt wäre das Flugzeug also bereits bei Losruder instabil. Der Losruder-Neutralpunkt liegt also immer weiter vorne, als der Festruder-Neutralpunkt.

 

Bisher haben wir immer 1g angenommen, und bei hohem Anstellwinkel von "Langsamflug", bei kleinem Anstellwinkel von "Schnellflug" gesprochen. Wir können aber auch die Geschwindigkeit konstant annehmen, und bei kleinen Anstellwinkeln von "negativen g´s" und bei hohem Anstellwinkel von "hohen g´s" sprechen. Damit kommen wir dann bei prinzipiell gleicher Überlegung zu den Manöver-Neutralpunkten oder einfacher Manöverpunkten. Da zu jedem g im Gleichgewicht auch eine gekrümmte Flugbahn gehört (und die betreffende Fliehkraft), gehört zu jedem Anstellwinkel auch eine Nickgeschwindigkeit, die am HLW den Anstellwinkel noch vergrößert. Somit werden die Geraden für Manöver noch steiler, damit werden die Gerade bereits früher parallel zu den Profilkurven. Die Manöverpunkte liegen nochmal weiter vorne, als die Neutralpunkte, sie begrenzen den nutzbaren Schwerpunktbereich hinten weiter.

 

Nun kann ein Konstrukteur natürlich ein großzügiges HLW an einem langen Rumpfheck vorsehen, und außerdem noch den SP weit vorne vorschreiben, dann hat er ein lammfrommes Anfänger- und Sonntagnachmittagsflugzeug. Viele Kunden wollen es aber etwas heißer, sowohl von den Flugeigenschaften, als auch vor allem von der Leistung, sprich Geschwindigkeit her. All das zwingt dazu, den vollen Schwerpunktbereich bis zu den Neutralpunkten auszunutzen. In gewissen Grenzen geht das auch mit ein paar kniffen. So kann man mittels Bügelkante, Trimmruder oder gewölbtem Höhenruder ein kopflastiges aerodynamisches Grundmoment einbauen, das man dann mit einer Trimmfeder ausgleicht. So wird der zu flachen (oder negativen) Knüppelkraftkurve eine rein geschwindigkeitsabhängige Zusatzkraft hinzuaddiert, und schon erfüllt der Flieger die Bauvorschrift, bei trotzdem noch viel geringerem Widerstand als ein größeres Leitwerk verursacht hätte. Für den Losruder-Manöverpunkt kann man einfach ein Gewicht (bob weight) vorne am Knüppel anbauen, gegen dieses Gewicht muß man dann g-abhängig ziehen, schon erfüllt die Knüppelkraftkurve auch diese Forderung. All dieser "Pfusch" kuriert allerdings nur punktuell die Probleme, das Fluggefühl insgesamt leidet, der Pilot fühlt nicht mehr was das Flugzeug macht, sondern was er fühlen soll, in bestimmten Situationen ist das durchaus nicht so angenehm, und kann zu Fehlinterpretationen führen. Wenn man zum Überziehen zwei Hände braucht und den Knüppel im wahrsten Sinne des Wortes am Bauch hat, dann wird auch der letzte Depp erkennen, das er das Flugzeug gerade vergewaltigt. Wenn man es allerdings völlig locker aus dem Handgelenk überziehen kann, dann wird ein ungeübter Pilot dies in einer Stresssituation auch machen.

 

Neben all der theoretischen Aerodynamik spielen in der Realität auch noch Effekte mit in die Neutralpunktlage, die daher rühren, dass ein Flugzeug nie wirklich starr ist.

Mit zunehmender Geschwindigkeit produziert der konstante Profilmomentenbeiwert ein quadratisch anwachsendes Flügeltorsionsmoment, das die Schränkung des Flügels erhöht, und den Aussenflügel "automatisch" in Richtung Schnellflug verdreht. Gleichzeitig verbiegt das Moment die Rumpfröhre hinten nach unten (je dünner die ist, desto stärker), dabei erhöht sich der Höhenleitwerks-Einstellwinkel, sprich das Flugzeug trimmt die Höhenflosse selbst auf Schnellflug. Gleichzeitig wird das Verhältnis Anstellwinkeländerung zu Geschwindigkeisänderung immer kleiner, so kann es kommen, das im Schnellflug der Festruder-Neutralpunkt immer weiter nach vorne wandert, u.U. sogar weit vor den Schwerpunkt. In dem Fall wird die Kurve "Knüppelweg über Geschwindigkeit" dort negativ, d.h. bei 100 km/h steht der Knüppel weiter vorne als bei 80 km/h, aber bei 250 km/h steht der Knüppel weiter hinten, als bei 200 km/h. Solange allerdings die Knüppelkraft noch einen positiven Gradienten hat, fliegt sich das Flugzeug noch ganz vernünftig.

Beim Losruder-Manöverpunkt "rächt" es sich, dass man aus Gewichtsgründen heutzutage den Flügelholm dort in den Flügel legt, wo er am dicksten ist. Bei modernen Laminarprofilen ist dies so etwa bei 50%. Die Flügelkraft aber greift (wie definiert) weiter vorne an, bei 25%. Damit verdreht sich der Flügel aussen bei hohen g´s schwanzlastig, also so, dass er selbst noch mehr "zieht" und dabei auch noch eine negative Schränkung bekommt. Auch dieser Effekt kann wieder dazu führen, das bei bestimmten hohen Lastvielfachen die Kurve "Knüppelweg über g´s" negativ wird, bei 3g steht der Knüppel dann weiter vorne als bei 2g. Gerade wenn Flugzeuge darauf ausgelegt werden "ultraleicht" und nicht steif zu sein, trotzdem aber 250 km/h fliegen sollen und bei 2g gekurvt werden, dann können die Flugeigenschaften schonmal sehr gewöhnungsbedürftig sein. So Flugzeuge können im Langsamflug lammfromm und völlig anfängertauglich sein, bei sportlich geflogenen Steilkurven jedoch kann man mit zwei Fingern gerissene Rollen fliegen. Das fühlt sich dann im Höhenruder an, wie ein modernes Auto mit Bremsassistent, ab einer bestimmten Knüppelkraft zieht das Flugzeug plötzlich ganz von allein voll durch. Dazu kommt noch, dass gerade Seilsteuerungen oder solche mit an sehr weicher Struktur befestigten Umlenkhebeln sehr weich sein können, und damit abhängig von der Knüppelkraft extreme Verformungen auftreten können, die u.U. Vollausschläge der Ruder trotz Vollausschlag des Knüppels verhindern. Wenn Flugzeuge nicht sorgfältig flugerprobt wurden, kann es eine größere Anzahl tödlicher Unfälle brauchen, bis solche "Macken" identifiziert werden. Sichere Flugzeuge gibt es eben nicht zum Nulltarif.

 

Gruß

Ralf

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So umfangreiche Ausführungen zu dem Thema Neutralpunkt hatte ich bisher noch nicht gesehen. Ich habe es mir bisher zu einfach gemacht mit dem Neutralpunkt. Da werde ich eine Weile zu lesen haben.

 

Vielen Dank für die viele Arbeit, Ralf.

 

Da fliegt man mit einem Segelflugzeug und freut sich darüber, wie wunderbar harmonisch und sicher es sich steuern lässt, und denkt dabei kaum daran, mit wieviel Feintuning das erreicht wurde.

 

Gruß!

 

Hans

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Bei einigen Diskussionen in verschiedensten Threads sind in letzter Zeit doch allerhand Aussagen aufgetaucht, die nicht wirklich korrekt sind. Offensichtlich kursiert auch unter erfahrenen Piloten noch so mancher Mythos, und so mancher Zusammenhang ist offensichtlich ziemlich unbekannt. Der Theorieunterricht im Fach Technik und die Prüfungsfragen helfen auch nicht unbedingt beim Verständnis mancher Zusammenhänge. So lernt man so unsinnige Dinge, wie das die Flügelunterseite 1/3 des Auftriebs liefert (was bei jedem Profil nur bei einem einzigen Anstellwinkel der Fall, und für den Piloten völlig irrelevant ist) oder das die dicken Profile früher viel mehr Auftrieb geliefert haben (wobei erstens die Profildicke nicht kontinuierlich mit der Zeit dünner geworden ist, eine Ka8 hat z.B. ein viel dünneres Profil als ein Nimbus 2, und zweitens der Auftrieb viel mehr von der Wölbung als von der Dicke abhängt, und stark gewölbte Profile dünn sein müssen, um zu funktionieren).

Gerade so manche Aussagen bezüglich Überziehen und den richtigen Reaktionen sind dabei so gefährlich, wenn sie jemand so pauschal glaubt wie sie hier manchmal vertreten werden, das ich doch mal ein paar Details näher diskutieren möchte.

Jede konstruktive Kritik und sachdienliche Diskussion ist herzlich willkommen.

 

Betrachten wir vereinfacht mal das Flugzeug als reinen Massenpunkt in der Symmetrieebene, also als reines 2D Problem. Die Gesetze der Dynamik lehren uns dann:

 

Bewegungen in senkrecht zueinander stehenden Richtungen können völlig unabhängig voneinander betrachtet werden.

(Für mehr Details sei hier zum Beispiel auf die Herleitung der Wurfparabel verwiesen, Google und Wikipedia werden da sicherlich einiges zu bieten haben).

 

Ein Massepunkt bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit auf einer geraden Bahn, wenn alle Kräfte in einem stabilen Gleichgewicht sind.

 

An einem Flugzeug greifen 3 Kräfte an:

- die Luftkraft (als Summe aller auf die Flugzeugoberfläche wirkenden Drücke)

- die Gewichtskraft (Da Mutter Erde den Massenpunkt anzieht)

- Der Schub (produziert von einem geeigneten Triebwerk)

 

Als reine Definition zerlegen wir die Luftkraft in zwei senkrechte Komponenten, die Komponente entgegen der Flugbahn nennen wir Widerstand, die senkrecht zur Flugbahn nennen wir Auftrieb. Diese beiden stehen per Definition immer senkrecht aufeinander, haben also völlig unabhängige Effekte, hängen aber beide von der Luftkraft und in der Dimensionslosen Betrachtung noch vom Anstellwinkel ab, sind somit aerodynamisch leider nicht unabhängig sondern können nur gemeinsam gewählt werden.

 

Nun nehmen wir vereinfacht mal an, wir wollten horizontal mit konstanter Höhe fliegen, dann steht die Gewichtskraft senkrecht auf der Flugbahn. Nehmen wir jetzt noch an, Der Motor wäre so eingebaut, dass der Schub exakt parallel zur Flugbahn wirkt, dann können wir die ersten vier Forderungen für den Geradeausflug formulieren:

- Schub und Widerstand sind im Gleichgewicht

- dieses Gleichgewicht ist stabil

- Auftrieb und Gewicht sind im Gleichgewicht

- dieses Gleichgewicht ist stabil

 

Schub und Widerstand können bei einem Kolbenmotor getrieben Flugzeug problemlos durch eine geeignete Wahl von Propellerdrehzahl und Motordrehmoment ins Gleichgewicht gebracht werden.

Die erste Forderung ist leicht zu erfüllen.

Dieses Gleichgewicht ist stabil, wenn mit zunehmender Geschwindigkeit der Widerstand stärker wächst als der Schub. Nun ist Mutter Natur in dieser Hinsicht relativ gnädig, der Formwiderstand steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit, der induzierte Widerstand ist im schnellen Reiseflug von untergeordneter Bedeutung. Der Schub eines mit konstanter Leistung angetriebenen Constant-Speed Propellers ist im Stand am höchsten, und nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Somit reguliert sich (jedenfalls im Reiseflug) das Gleichgewicht automatisch ein, da mit zunehmender Geschwindigkeit der Widerstand zu- und der Schub abnimmt. Super.

Zwei Ausnahmen gibt es:

Bei Starrpropellern nimmt die Drehzahl des Motors, und damit die abgegebene Leistung über die Geschwindigkeit zu. Sehr stark motorisierte Flugzeuge mit Reisepropeller können daher in bestimmten Geschwindigkeitsbereichen instabil sein. Im Zweifelsfalle ist es also besser, in einen Constant-Speed Propeller zu investieren, als in einen stärkeren Motor, wenn man ein angenehm zu fliegendes Flugzeug haben möchte.

Im Langsamflug dominiert irgendwann der induzierte Widerstand, je geringer die Flügelstreckung um so schlimmer, und dieser nimmt mit abnehmender Geschwindigkeit weiter zu. Damit wird das Längskraft-Gleichgewicht im Langsamflug irgendwann instabil, wie gesagt bei Flugzeugen mit Starrpropeller schlimmer als bei solchen mit Constant-Speed Propeller. Diesen Bereich nennt man auch "hinter der Leistungskurve", je langsamer der Flieger wird, desto mehr verzögert er. Er muß dann aktiv gesteuert werden und regelt sein Gleichgewicht nicht mehr selbst. Für gewöhnlich vermeided man diesen Bereich, und fliegt schnell genug an, um "vor der Leistungskurve" zu sein, das reduziert die benötigte Aufmerksamkeit das Flugzeug zu fliegen deutlich, man kann sich auf andere wichtige Dinge im Landeanflug konzentrieren.

 

Auch Auftrieb und Gewicht lassen sich durch geeignete Wahl eines zur Geschwindigkeit und Flächenbelastung passenden Anstellwinkels ins Gleichgewicht bringen. Voraussetzung ist, das der Flieger schnell genug ist, diese Kraft erzeugen zu können, denn der Maximalauftrieb ist für jede Geschwindigkeit auf ein definitives Maximum begrenzt. Normalerweise ist man davon aber weit genug entfernt.

Die Formeln dazu hat jeder Pilot schonmal gelernt, Auftrieb = Flügelfläche * Auftriebsbeiwert * rho halbe * v², bzw. wenn er etwas tiefer gegraben hat auch noch Auftrieb = Flügelfläche * dCa/d alpha * (Anstellwinkel - Nullauftriebsrichtung) * x rho halbe * v². Man braucht also nur für jede Geschwindigkeit den richtigen Anstellwinkel einzusteuern. Wirklich? Machen wir sowas? Gucken wir auf den Fahrtmesser und den Anstellwinkelanzeiger und wählen mit dem Knüppel den Anstellwinkel entsprechend? Nein!

Der Grund dafür liegt in der Stabilität des Gleichgewichts, sozusagen des eigentlichen Geheimnisses warum ein Flugzeug überhaupt fliegen kann, und der ist den meisten Piloten nie erklärt worden!

Ein Gleichgewicht ist dann stabil, wenn es auf jede Störung mit einer Korrektur reagiert, sprich wenn der Auftrieb mal etwas kleiner werden sollte als das Gewicht, dann muß er von alleine wieder zunehmen. Was passiert nun bei einem Flugzeug ? (und auch bei einem Luftschiff, dazu komme ich gleich nochmal, da gibt es nämlich auch noch einen Mythos zu zerstören ;-)

Nehmen wir mal an wir fliegen so in voller Harmonie und im Gleichgewicht mit Gott und der Welt im Einklang durch die Landschaft. Dann kollidieren wir mit einer Mücke, erstmal dumm für die. Leider aber auch für uns, durch die Kollision sind wir 0,000004711 m/s langsamer geworden, unser Auftrieb ist nun 0,0002 N geringer, als unser Gewicht. Was passiert nun? Wir beschleunigen nach unten! Nur sehr, sehr langsam, aber doch konstant immer mehr, unser Sinken nimmt Sekunde für Sekunde weiter zu. Wir bewegen uns ab jetzt auf einer flachen Wurfparabel, die früher oder eher deutlich später mal im nahezu senkrechten Fall enden wird. Was nun? Nun, Mutter Natur greift uns Hilfreich unter die Flügel, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn durch unser Sinken hat sich unsere Flugbahn leicht nach unten geneigt, und das hat den Anstellwinkel ein ganz kleines bisschen erhöht. Tja, und das haben wir nun wieder gelernt, mehr Anstellwinkel heißt mehr Auftrieb, und schon herrscht wieder völlige Harmonie.

 

Das Geheimnis des stabilen Flugs ist also der Auftriebsanstieg bei Anstellwinkelerhöhung.

 

Solange das gegeben ist, fliegt unser Flugzeug von alleine. Wenn nicht, fällt es im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Stein vom Himmel, im schlimmsten Fall sogar progressiv, wenn noch mehr Anstellwinkel noch weniger Auftrieb bedeutet. DAS ist das Problem beim Überziehen, nicht das der Maximalauftrieb begrenzt ist, sondern das das Flugzeug senkrecht zur Flugbahn instabil wird! Andernfalls würden wir blos merken, das das Flugzeug partout nicht langsamer will, soviel wir auch ziehen. Da ist halt ein Limit, über (bzw. unter) das wir nicht kommen, langsamer als Mindestfahrt geht eben nicht statisch. Das wäre völlig ungefährlich. Manche Flugzeuge sind übrigens so! Auch die kann man natürlich noch dynamisch vergewaltigen.

 

Das Problem ist, das das Flugzeug dann instabil wird, abkippt, und zunächst erstmal mehr dem Gesetz der Schwerkraft, als denen der Aerodynamik gehorcht, so das der Pilot erstmal für ein paar Meter unvermeidlichen Höhenverlust nur Passagier ist, und nichts tun kann, bevor die Fahrt nicht wieder auf einen Wert angewachsen ist, der ein Gleichgewicht erlaubt. Wenn das dann noch unsymmetrisch passiert, dann kann es noch viel länger dauern, bis wieder ein Gleichgewicht (bzw. ein gewünschtes Gleichgewicht) hergestellt ist. (Denn auch Trudeln kann ein extrem stabiler Zustand sein, wenn auch per definition zeitlich begrenzt, da irgendwann die Flughöhe das Vorzeichen wechselt...)

Ich komme jetzt nochmal von Hölzchen auf Luftschiff: auch das braucht ein stabiles Gleichgewicht, und allein der statische Auftrieb durch das Traggas ist nur indifferent, der arme Luftschiffer wäre ständig am Rumkorrigieren. Deshalb fährt man ein Luftschiff immer ein paar Prozent "schwer" oder "leicht" und erzeugt mit dem Luftschiffkörper ein ganz bisschen aerodynamischen Auftrieb oder Abtrieb, denn auch so ein Luftschiff ist ja nichts anderes als ein Flügel, nur eben ein sehr, sehr wenig gestreckter. Und dann funktioniert das auch mit dem stabilen Gleichgewicht.

 

Solange übrigens in dem Moment in den der Auftriebsanstieg bei Anstellwinkelerhöhung nicht mehr gegeben ist, da der kritische Anstellwinkel überschritten wird, das Höhenleitwerk noch in einem Bereich arbeitet, in dem ein Auftriebsanstieg existiert, fällt das Flugzeug zwar aus dem Himmel, nickt gleichzeitig aber aufgrund des am Hauptflügel zusammenbrechenden, am Höhenleitwerk aber weiter zunehmenden Auftrieb kopflastig ab. Das macht es für den Piloten zwar spektakulärer (er sieht plötzlich viel Erde vor sich) andererseits verringert sich dadurch der Anstellwinkel rapide und die Fahrtzunahme spielt sich im Wesentlichen wieder in Längsrichtung ab (das Höhenleitwerk dreht das Flugzeug auf die Richtung der Wurfparabel), also befindet sich das Flugzeug schnell wieder in einem stabilen Zustand. Ein gewisser Höhenverlust ist dabei natürlich unvermeidlich.

 

Wenn man sich mal die typische Ca (alpha) Kurve eines Profils anguckt, dann erkennt man schön den Bereich einer schönen konstanten positiven Steigung bei kleinen Anstellwinkeln bis so etwa 10°. In diesem Bereich fliegt das Flugzeug stabil. Nun gibt es Profile, die brechen nach Ca max stark ein (die Flügeloberseite löst komplett ab), steigen dann aber wieder an, in dem Fall fast ausschließlich durch die Profilunterseite, die ja auch noch in der Lage ist Luft nach unten abzulenken, und zwar mit zunehmendem Anstellwinkel immer mehr, bis bei so etwa 45° nochmal ein Maximum erreicht wird. Dies kann ein lokales Maximum sein (geringer als das bei um die 10°), aber auch ein Absolutes, das endgültige Ca max wird dann erst bei 35-45° erreicht!

Flugzeuge mit so einem Profil sind in der Lage den Sackflug zu erreichen, jenseits des ersten Maximalauftriebs findet das Flugzeug ein zweites mal ein stabiles Gleichgewicht, mit extremem Widerstand und daher sehr hohen Sinkraten, und Flugbahnen die sogar mehr als 45° geneigt sein können. Dabei kann die Geschwindigkeit durchaus vergleichsweise hoch sein, da ja der Auftriebsbeiwert gar nicht so groß ist. Je nachdem ob bei diesen Anstellwinkeln das Höhenleitwerk noch funktioniert kann dieser Zustand allein aufgrund des Momentengleichgewichts instabil sein, er kann kontrollierbar sein, das Flugzeug kann aber auch durchaus mit dem Höhenruder nicht mehr kontrollierbar sein, wenn die Steigung der Kurve HLW Auftrieb über HR Winkel zu flach ist, bzw. der Maximalauftrieb des HLW nicht ausreicht, den Anstellwinkel wieder zu verringern.. In dem Fall ist der Sackflug nicht mehr zu beenden, im englischen spricht man dann vom Deep Stall.

 

Hier mal ein reales Beispiel:

360_Grad_Polare.jpg

 

Dies ist die um 360° Anstellwinkel gemessene Polare eines Laminarprofils, die blaue Kurve zeigt den Auftriebs- die Rote den Widerstandsbeiwert. Nicht sehr verwunderlich erreicht der Widerstand jeweils bei 90° und 270° etwa den theoretisch zu erwartenden Wert von 2, den eine flache Platte im Wind haben würde. Bei 0° und auch bei 180° ist der Widerstand sehr nahe an Null, dazwischen formt er unter Freunden eine Sinuskurve.

Der Auftrieb verhält sich nun wesentlich weniger vorhersehbar, Nullauftrieb ist bei etwa -2° der Maximalauftrieb bei etwa 10°, gemäß der Üblichen dCa/dAlpha Steigung eines dünnen Profils von etwa 0.1 beträgt also das Ca max etwa 1,2. Bei etwa -10° wird das Ca min von etwa -0,75 erreicht. Dazwischen befindet sich der normale Flugbereich (wenn man den Rückenflug als Normal ansieht ;-).

Ich habe jetzt mal gezielt all die Bereiche markiert, in denen das Flügelprofil ein positives dCa/dAlpha hat, in diesen Bereichen ist theoretisch ein stabiler Flug möglich, in den grün markierten Bereichen ein Normal- in den roten ein Rückenflug.

Im Bereich um die 180° würde das Flugzeug rückwärts fliegen, theoretisch ist dies möglich, allerdings kann das Flugzeug dort nur dann ein stabiles Momentengleichgewicht erreichen, wenn der Schwer- vor dem Neutralpunkt liegt, wobei vor jetzt in Flugrichtung gesehen natürlich für das Flugzeug nach normalem Verständnis hinter dem Neutralpunkt ist. Sprich wenn man das Flugzeug extrem schwanzlastig beladen würde, könnte man es im Prinzip mit dem Propeller in Reverse rückwärts als Ente starten. Praktisch ist sowas natürlich für konventionelle Flugzeuge völliger Blödsinn, trotzdem ist es nicht ganz irrelevant: Eine Ente deren Schwerpunkt immer zwischen den beiden Flügeln liegt und dessen Leitwerk immer Auftrieb liefert, kann eventuell tatsächlich auch rückwärts (für eine Ente also Hauptflügel voraus ;-) fliegen. Die SpeedCanard kann in der Tat in einem stabilen Rückwärts-Rückensackflug geflogen werden, der Testpilot wollte das dann aber doch kein zweites mal ausprobieren...

 

Der bei vielen Flugzeugen aber durchaus relevante Bereich zwischen etwa 22° und 40° Anstellwinkel verdient eine nähere Betrachtung. Bei diesem Profil erstreckt er sich über einen Ca Bereich von etwa 0,8 bis 1,15. Zum Vergleich, das absolute Ca max, das das Ende des normalen Flugbereichs und die Mindestfahrt bestimmt, liegt bei etwa 1,25.

Nehmen wir jetzt mal an, die Mindestfahrt läge bei 75 km/h (wohlgemerkt nicht die angezeigte, die ist bei einem mit 10° Angestellten Staurohr nämlich schon heftig verfälscht), dann betrüge der im Sackflug mögliche Geschwindigkeitsbereich zwischen 93 und 78 km/h, das Flugzeug wäre also im Sackflug auf alle Fälle schneller, als im kontrollierten Langsamflug beim Ansprechen der Überziehwarnung.

Betrachtet man jetzt mal den Widerstand, dann steigt Cw Profil im Sackflug von 0,4 bis 1 über den Anstellwinkel, der induzierte Widerstand und der von Rumpf und Leitwerk kommt noch dazu!. Damit ist völlig klar, das die Gleitzahl im Sackflug auf alle Fälle schlechter ist als 1:2 bis zu 1:1,145, also ist der Winkel der Flugbahn irgendwo zwischen 30° und 45°!

Das beachtlichste Detail ist, das bei 45° Flugbahnwinkel und 40° Anstellwinkel die Nase 5° unter den Horizont zeigt! Das ist vielen Piloten nicht ansatzweise bewusst.

Insbesondere besteht immer die Gefahr, das man die Kombination aus ansteigender Fahrt, unter den Horizont sinkender Nase und starkem Höhenverlust bereits für ein sanftes Abkippen und das selbstständige Recovern des überzogenen Flugzustands durch das Flugzeug missversteht.

 

Wer das ganze mal in der Realität (jedenfalls qualitativ) erleben möchte, dem sei ein Formationsflug mit dem Segelflugzeug in der Welle empfohlen. Mit der ASK-21 kann man das Phänomen sehr schön erfliegen. Fliegt man mit einem zweiten Flugzeug als Referenz in der ansonsten sehr ruhigen Luftmasse zusammen, so kann man bei gaaaaanz langsamem (quasistatischen) Überziehen das folgende beobachten:

Während die Nase ganz langsam immer höher kommt, fällt man gegenüber dem Referenzflugzeug zunächst mehr und mehr zurück, wird also immer langsamer. Doch irgendwann wird man feststellen, das sich bei immer weiter höher kommender Nase das Sinken zunimmt, und man gegenüber dem anderen Flugzeug Höhe verliert. Zieht man weiter durch, stellt man fest, das sich die Nase wieder etwas senkt, und man plötzlich wieder auf das andere Flugzeug aufholt, man ist dann bereits in den zweiten Bereich mit ansteigendem Auftrieb gerutscht, das Flugzeug fliegt stabil, ist aber wieder schneller als bei geringerem Anstellwinkel. Wenn man weiter durchzieht, kann man die Nase nicht mehr weiter anheben, dafür verschwindet das andere Flugzeug nun aber rapide nach oben hinten. Während der Anstellwinkel durchaus weiter gestiegen ist (und man deshalb auch noch mehr zieht als davor um das Momentengleichgewicht zu erhalten), neigt sich die Flugbahn nun immer mehr, so das sich die Längsneigung gegenüber dem Horizont gar nicht mehr erhöht, man fällt auf einer stabilen, stark geneigten Bahn mit einem Anstellwinkel von 35-40° bei einer Längsneigung von vielleicht 10° vom Himmel. Solange man das Flugzeug zulässig beladen hat, erreicht man in diesem Zustand irgendwann den Höhenruderanschlag. Durch nachlassen des Höhenruders kann man jederzeit die Nase senken und im Sinkflug wieder Fahrt aufholen.

 

Die gesamte Betrachtung bezog sich bisher auf den Hauptflügel, natürlich muß für einen stabilen Flugzustand auch das Momentengleichgewicht um die Querachse (Nickmomentengleichgewicht) mit berücksichtigt werden. Denn auch hier haben wir natürlich wieder zwei Bedingungen zu erfüllen:

- die Momente um den Schwerpunkt sind im Gleichgewicht

- dieses Gleichgewicht ist stabil

 

Am Flugzeug greifen im wesentlichen vier Momente an:

1.) Das aerodynamische Nickmoment des Hauptflügels (Profilmoment), das praktisch immer kopflastig ist.

2.) Das Moment des im Flügelneutralpunkt angreifenden Hauptflügelauftriebs.

Liegt der Schwerpunkt vor dem Flügelneutralpunkt, so ist dieses Moment kopflastig,

liegt der Schwerpunkt hinter dem Flügelneutralpunkt, so ist dieses Moment schwanzlastig,

3.) Das Moment des Höhenleitwerksauf-/abtriebs um den Schwerpunkt

4.) Ein eventuelles Moment durch eine nicht durch den Schwerpunkt verlaufende Schubachse des Triebwerks. Dieses Moment wird der Konstrukteur stets durch eine geeignete Kombination aus Motorposition und Motorsturz minimieren, und stets versuchen es leicht schwanzlastig zu machen. (Gas raus = Nase runter), was aber nicht immer gelingt, z.B. bei Wasserflugzeugen mit hoch angebrachtem Triebwerk.

 

Durch eine geeignete Wahl von Leitwerksgröße, -hebelarm und -einstellwinkel plus einem geeigneten Höhenruderausschlag kann Moment Nr. 3 in der Regel so gewählt werden, das es die anderen 3 Momente genau ausgleicht.

 

Stabil ist dieses Moment, wenn jede schwanzlastige Rotation ein kopflastiges Moment erzeugt. Diese Aussage ist identisch mit dCm/dAlpha < 1 oder mit "der Schwerpunkt liegt vor dem Flugzeugneutralpunkt". Für diese Aussage braucht man in der Regel nur Moment 2 und 3 zu betrachten, die anderen beiden ändern sich kaum mit dem Anstellwinkel.

 

Zurück zum Sackflug, auch dort müssen noch beide Momentenbedingungen erfüllt werden können, damit er stabil ist.

Oft "scheitert" das Flugzeug bereits an der ersten Bedingung, bei den sehr hohen Anstellwinkeln erzeugt das Höhenleitwerk trotz voll gezogenem Höhenruder und voll Schwanzlastiger Flossentrimmung (so vorhanden) immer noch viel zu viel Auftrieb, die Nase wird dann immer nach unten sinken, das Flugzeug über die Nase abkippen. Je weiter vorne der Schwerpunkt ist, desto "schlimmer", da das Höhenleitwerk dann ja Abtrieb erzeugen müsste, bei den hohen Anstellwinkeln aber nur Auftrieb liefern kann. (wie man ja an der Hauptflügelpolare sieht, ist der Auftriebsbeiwert bis 90° Anstellwinkel nie kleiner als Null, ein Höhenleitwerksprofil wird sich in der Regel auch so verhalten)

Selbst wenn das Leitwerk das Moment ausgleichen kann, muß dieses Gleichgewicht immer noch stabil sein, d.h. der Auftriebsanstieg des Höhenleitwerks über den (schon sehr hohen) Anstellwinkel muss ausreichend positiv sein. Bei einem überzogenen Höhenleitwerk ist dies nur bei ganz bestimmten Kombinationen aus Anstellwinkel und Höhenruderstellung noch der Fall. Ist das Gleichgewicht nicht stabil, wird das Flugzeug entweder dynamisch nach vorne abnicken, oder aufnicken bis der Hauptflügel den Bereich des stabilen Kräftegleichgewichts verlässt.

Spätestens bei 90° Anstellwinkel wenn praktisch nur noch Widerstand am Flugzeug angreift (allerdings in der "üblichen" Auftriebsrichtung), wird ein kopflastiges Moment erzeugt, solange der Schwerpunkt vor dem Neutralpunkt liegt. So oder so wird der Flieger also irgendwann nach vorne abkippen, die Frage ist allenfalls, wie spektakulär.

Ist dem Konstrukteur ein guter Wurf gelungen, dann wird das Höhenruder zwar in der Lage sein, das Flugzeug stabil im Sackflug zu halten, jedoch nicht das zweite (oder letzte) Maximum der Ca(alpha) Kurve zu erreichen. Mit so einem Flugzeug kann man dann die spektakulären in zwei Meter Höhe beendeten Landungen mit Aufsetzen im Sackflug und hoffentlich sehr stabilem Fahrwerk ("Land-o-matik") machen, hoffentlich aber nur einmal im Leben, bis man dann irgendwann mal gelernt hat, richtig zu landen. Andererseits sollte das Höhenruder es nicht erlauben, statisch bis jenseits des stabilen Bereichs zu kommen, was bei unvorsichter Betätigung zu unkontrollierten Fluglagen führen würde. Ganz idiotensicher wird man ein Flugzeug aber nie konstruieren können, dynamisch genug lässt sich jedes Flugzeug in jede Fluglage bringen.

 

Ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang ist natürlich der Propellerstrahl, ist der nämlich stark genug, und liegt das Höhenleitwerk darin, dann dominiert er nämlich die Strömungsverhältnisse. Damit kann dann auch bei extremen Anstellwinkeln das Höhenruder noch praktisch horizontal angeblasen werden. Nur so sind manche spektakulären Flugfiguren bei Kunstflugzeugen möglich, wie ein dynamischer senkrechter Steigflug mit 90° Anstellwinkel, wahlweise auch noch mit Rotation um die Hochachse durch das entsprechend angeblasene und betätigte Seitenruder...

 

Die Idee, zum Verhindern des Abkippens ausgerechnet viel Gas reinzuschieben und damit das Höhenleitwerk daran zu hindern, das Flugzeug in einen stabilen Flugzustand abkippen und den Anstellwinkel wieder in einen "gesunden" Bereich fallen zu lassen, ist daher nicht unbedingt eine gute. Allenfalls in sehr geringer Flughöhe kann man so noch was retten, wenn sinken zur Fahrtaufnahme und Reduktion des Anstellwinkels keine Option mehr ist.

 

Betrachten wir nochmal die vier Momente, die im Gleichgewicht sein müssen, dann stellen wir fest, das zwei davon wesentlich vom Anstellwinkel abhängen. Diesen kann man bei fester Flugzeuggeometrie, Flächenbelastung und Luftdichte auch durch die Geschwindigkeit ersetzen, da diese ja im normalen Flugbereich fest mit dem Anstellwinkel im Zusammenhang steht. Damit bleiben in der Gleichung im wesentlichen drei Variablen übrig (solange der Schub keinen wesentlichen Einfluss auf den Momentenhaushalt hat, was ja jeder Konstrukteur versucht zu erreichen):

Fahrt, Höhenleitwerks-Einstellwinkel (u.U. mit der Trimmung wählbar) und Höhenruderwinkel. Bei einem Pendelhöhenruder oder bei einer reinen Federtrimmung bleiben sogar nur genau zwei Parameter übrig: Fahrt und Höhenruderstellung.

Somit wird ganz klar: ausschließlich die Höhenruderstellung (und wo vorhanden aerodynamische Trimmeinrichtungen) haben einen Einfluss auf die Fahrt !!!

Schub hat keinen Einfluss auf die Fahrt, jedenfalls nicht wenn das Flugzeug im Gleichgewicht ist.

 

Was macht aber nun der Schub, wenn er nicht wie im Auto die Fahrt beeinflusst ?

 

Dazu gehen wir nochmal zum Kräftegleichgewicht in Strömungsrichtung ganz vom Anfang zurück:

Als Vereinfachung nehmen wir nun an, das Triebwerk würde Schub immer in Richtung der Flugbahn erzeugen, bzw. Schub und Widerstand wirken in genau entgegengesetzte Richtung. Diese Annahme ist zwar nicht 100% richtig, aber sicher nicht viel falscher als anzunehmen, Schub würde immer exakt in Richtung der Propellerachse wirken. Auch das ist nämlich falsch, wenn der Propeller nicht exakt gerade angeströmt wird. Der Propellerstrahl wird dann nämlich nicht parallel zur Propellerachse liegen, sondern irgendwo zwischen Anströmungsrichtung und Propellerachse.

Von daher ist es eine sehr gute Annahme, das sich Schub und Widerstand zu einer einzigen Längskraft auf parallelen Wirklinien zusammenfassen zu lassen.

Damit greifen am Flugzeug im Geradeausflug nur noch drei Kräfte an, Gewicht (fest), Auftrieb und Längskraft, wobei letztere per Definition immer senkrecht aufeinander stehen, die Längskraft parallel zur Flugbahn, und der Auftrieb senkrecht dazu.

Diese Kräfte müssen nun ins Gleichgewicht gebracht werden: (Mutter Natur übernimmt das für uns, indem sie die Flugbahn den Kräften anpasst).

 

Gleichgewicht.jpg

 

Ist die Längskraft null (heben sich Schub und Widerstand genau auf), dann sind zwangsweise Auftrieb und Gewicht im Gleichgewicht, der Auftrieb zeigt exakt nach oben (vom Erdmittelpunkt weg), und per Definition verläuft die Flugbahn genau horizontal. (links)

Ist die Längskraft nach vorne gerichtet, der Schub also größer als der Widerstand, dann ist die Vektorsumme aus Längskraft und Auftrieb mit dem Gewicht im Gleichgewicht, dies geht nur, wenn die Längskraft leicht nach oben und der Auftrieb nach hinten gekippt ist. Sprich: wenn der Schub größer ist als der Widerstand zeigt die Flugbahn zwangsweise nach oben. (mitte)

Umgekehrt ist bei einer nach hinten gerichteten Längskraft, also bei weniger Schub als Widerstand, die Flugbahn zwangsweise nach unten gerichtet. (rechts).

Das der Massepunkt wie ein Flugzeug aussieht ist reiner Zufall, und dessen Ausrichtung sagt übrigens nichts über den Anstellwinkel aus ;-) (natürlich müsste das Flugzeug entsprechend der Flugrichtung gedreht sein, aber ich bin Naturwissenschaftler, kein Grafiker)

Das entscheidende Detail ist, das ein Flugzeug auf erhöhten Schub nicht mit einer Geschwindigkeitszunahme reagiert, sondern mit einer Flugbahnneigungsänderung. Dem Flugzeug mit dem Motor zugeführte Energie wird in potentielle, nicht in kinetische Energie umgesetzt, und zwar so schnell, wie sich ein Kräftegleichgewicht einstellt. Es ist nicht der Fall, das zunächst die Fahrt zunimmt, daraufhin der Auftrieb steigt und sich daraufhin die Flugbahn nach oben krümmt, da er nun größer als das Gewicht ist!

 

Was man sich als Pilot jedenfalls immer ganz klar merken muß:

In einem stabilen Flugzustand (den wir ja alle anstreben, wenn wir nicht gerade Kunstflieger sind) in ruhender Luft

- Wählt man ausschließlich mit der Höhenruderstellung (und, wo vorhanden, eine aerodynamische Trimmeinrichtung) die Geschwindigkeit

- Wählt man ausschließlich mit dem Triebwerksschub (bzw. Bremsklappen) das Steigen oder Sinken.

 

Bremsklappen sind also genaugenommen Sinkklappen!

 

Steigen und Sinken wird nicht mit dem Höhenruder gesteuert

Die Fahrt wird nicht mit dem Gashebel gesteuert.

 

Der einzige Zusammenhang der in der Tat besteht, ist das die Fahrt natürlich den Widerstand, und damit die Längskraft beeinflusst. Vor der Leistungskurve bei konstantem Schub steigt man daher, wenn man die Fahrt verringert und sinkt, wenn man die Fahrt erhöht. Das sind aber immer sekundäre Effekte!

 

Gruß

Ralf

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Hallo Ralf,

 

ich habe Deine beiden Beiträge erst heute gesehen. Ich kann Dir nur wirklich herzlich danken, dass Du Dir eine solche Mühe gemacht hast, das alles einmal ohne all die Formelakrobatik darzustellen, die die Mehrheit ohnehin meist nicht nachvollziehen kann.

 

Zur Kritik: Keine, ganz im Gegenteil, volle Zustimmung!

 

Ich habe mir schon den Mund fusselig geredet, um z.B. befreundeten Piloten nahezubringen, dass beim Stall die Instabilität das wirkliche Problem ist, genauer: Dass in dem Bereich hinter dem kritischen Anstellwinkel das System nicht mehr gedämpft ist - hoffnungslos, es ist mir nicht gelungen. Sogar der Unterschied Pitch/Anstellwinkel ist oft vergessen - obwohl das in der Theorieausbildung gelehrt wird. Und so weiter - heute habe ich mehr oder weniger resigniert und beiteilige mich bei allfälligen "Aerodynamik-Diskussionen" kaum noch.

 

Deine beiden Beiträge gehören meiner Meinung nach zusammengebunden und als Broschüre oder an prominenter Stelle im Netz verteilt. Genau sowas gehört unbedingt in eine gute Theorieausbildung!

 

Nochmal: Danke!

 

Peter

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Hallo Ralf,

 

deine Mühe macht erst dann wirklich Sinn, wenn man sich mit deinem Text auch beschäftigt.

 

 

Du schreibst:

„Nehmen wir mal an wir fliegen so in voller Harmonie und im Gleichgewicht mit Gott und der Welt im Einklang durch die Landschaft. Dann kollidieren wir mit einer Mücke, erstmal dumm für die. Leider aber auch für uns, durch die Kollision sind wir 0,000004711 m/s langsamer geworden, unser Auftrieb ist nun 0,0002 N geringer, als unser Gewicht. Was passiert nun? Wir beschleunigen nach unten! Nur sehr, sehr langsam, aber doch konstant immer mehr, unser Sinken nimmt Sekunde für Sekunde weiter zu. Wir bewegen uns ab jetzt auf einer flachen Wurfparabel, die früher oder eher deutlich später mal im nahezu senkrechten Fall enden wird. Was nun? Nun, Mutter Natur greift uns Hilfreich unter die Flügel, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn durch unser Sinken hat sich unsere Flugbahn leicht nach unten geneigt, und das hat den Anstellwinkel ein ganz kleines bisschen erhöht. Tja, und das haben wir nun wieder gelernt, mehr Anstellwinkel heißt mehr Auftrieb, und schon herrscht wieder völlige Harmonie.“

 

 

Ich sehe das im Moment etwas anders:

 

Ein zeitlich kurzer Kraftstoß wirkt bremsend auf das Flugzeug ein, welches sich zuvor im stationären, perfekt ausgetrimmten Horizontalflug befand.

Die Stellung des Höhenruders während des Kraftstoßes und auch danach soll als unverändert angenommen werden. Dann ist der Anstellwinkel nach dem Kraftstoß zu gering, um durch den Auftrieb die Schwerkraft ganz auszugleichen. Die Flugzeugnase neigt sich nach unten und das Flugzeug kommt, wie ein Segelflugzeug auch auf eine abschüssige Flugbahn. Dadurch kommt zur Vortriebskraft des Motors noch eine Komponente der Schwerkraft, abhängig vom Bahnneigungswinkel, hinzu. Die Folge ist eine Beschleunigung zu einer höheren Geschwindigkeit, was wiederum den Auftrieb erhöht. Die Ursache für das Plus an Auftrieb ist also eine höhere Geschwindigkeit und nicht eine Erhöhung des Anstellwinkels.

 

Ich schließe einen Denkfehler meinerseits wirklich nicht aus. Aber, welcher ist es?

 

Gruß!

 

Hans

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Hans, Du sagst: "... das Flugzeug nimmt die Nase herunter..."

 

Warum sollte es? Gab es ein Drehmoment? In Ralfs Konstruktion meiner Meinung nach nicht, die Flugzeuglage bleibt ja unverändert. Dann aber steigt natürlich der AoA automatisch, wenn der Bahnneigungswinkel nach unten geht, Folge: Mehr Auftrieb.

 

Edit: Ralf beschreibt hier die Ausregelung einer Störung. Der Regelkreis ist negativ rückgekoppelt, prinzipiell also stabil (ohne die Dämpfung zu berücksichtigen). Bei einem AoA größer als der kritische AoA (kleiner aber als etwa 40 Grad) ist die Rückkoppelung dann positiv, die Störung verstärkt sich. Das ist die (nach meiner Meinung größte) Gefahr im Stall, weil die gefühlsmäßigen(!) Gegenreaktionen die Sache noch schlimmer machen.

 

Viele Grüsse

Peter

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Hallo Peter,

 

Ich bin schon der Ansicht, dass die Flugzeugnase durch ein Drehmoment gesenkt wird.

 

Nach meinem Verständnis liegt der Drehpunkt des Hebels dort wo das Flugzeug durch den nach oben gerichteten Auftrieb unterstützt wird, also im Bereich der Tragfläche. Wenn bei einem ausbalancierten Horizontalflug aus welchem Grund auch immer die Geschwindigkeit plötzlich etwas geringer ist, dann ist auch der Auftrieb etwas vermindert, und natürlich auch der Abtrieb am Höhenruder. Weil das am vorlichen Schwerpunkt wirkende Gewicht konstant ist, kann das Höhenruder dieses Moment nicht mehr voll ausgleichen, die Nase senkt sich, das Flugzeug beschleunigt mit der Folge dass der Auftrieb, und auch der Abtrieb an dem Höhenruder wieder höher werden.

 

Viele Grüße und danke für das Eingehen auf meine Argumente.

 

Hans

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  • 4 Wochen später...
Ich bin schon der Ansicht, dass die Flugzeugnase durch ein Drehmoment gesenkt wird.

Das ist insofern korrekt, als es aus der Stabilität des Momentengleichgewichts folgt. Wenn jede Anstellwinkelerhöhung ein kopflastiges Moment produziert, das diese Anstellwinkelerhöhung wieder zurückstellt, dann produziert jede Geschwindigkeitsreduzierung eine Anstellwinkelerhöhung und damit ein kopflastiges Moment. Nach der Kollision mit der Mücke nimt also das Flugzeug in der Tat die Nase runter, aber erst nach einer gewissen Zeit und auch nur sehr, sehr wenig.

 

Bei der Betrachtung bisher ist das Flugzeug als Massepunkt vereinfacht angenommen. Will man nun den Längsmomentenhaushalt auch dynamisch betrachten, dann kommt das Nickträgkeitsmoment des Flugzeugs ins Spiel. Man wird dabei aber schnell feststellen, das zwischen dem Verhältnis von Kraft- (=Auftriebs-) änderung mit dem Anstellwinkel zu Flugzeugmasse mindestens eine Größenordnung größer ist als das Verhältnis von Nickmomentenänderung mit dem Anstellwinkel zu Nickträgheitsmoment.

In der Praxis kann man das sehr schön bei böigem Wetter sehen, eine Böe die einen binnen Sekundenbruchteilen in den Sitz presst, und dann wieder in den Gurten hängen (bzw. gegen die Haube stoßen...) lässt, hat auf das Horizontbild praktisch keinen Einfluß. Bei Segelflugzeugen mit ihren langen Rümpfen noch viel weniger, als bei einem Ultraleichtflugzeug.

 

Über den Momentenhaushalt des realen Flugzeugs (mit Nickträgheit), über alpha-Schwingung und Phygoide schreibe ich ein anderes Mal noch etwas.

 

Gruß

Ralf

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Ein Mückenschlag z.B. geht sicher im Rauschen (winzige Ungleichmäßigkeiten in der Strömung) unter.

Deshalb schlage ich vor, für die weitere Überlegungen eine Sprungfunktion von realistischer Größe anzunehmen, so dass die Sprungantwort, also die Auswirkungen auf die Bewegung des Flugzeugs ggf. auch zu messen wären:

 

Die Geschwindigkeit der Luftströmung wird Zeitpunkt t = 0 schlagartig um 10% geringer und bleibt dann auf den verminderten Wert konstant.

 

 

Gruß!

 

Hans

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Die Geschwindigkeit der Luftströmung wird Zeitpunkt t = 0 schlagartig um 10% geringer und bleibt dann auf den verminderten Wert konstant.
Das wäre eine ziemlich unrealistische Annahme. In der Natur gibt es kaum Sprungfunktionen.

Ausserdem kann man bei infinitisimal kleinen Änderungen eine Menge vereinfachender Annahmen machen und allerlei Effekte, insbesondere die dynamischen, vernachlässigen.

 

Die Bauvorschrift für kleine Flugzeuge enthält übrigens Sprungfunktionen, dort wird eine sogenannte "Rechteckböe" nachgewiesen, während für große Flugzeuge eine realistischere (aber auch schwerer zu berechnende) Sinusböe über einen bestimmten "Wellenlängenbereich" angenommen wird.

 

Gruß

Ralf

 

P.S.

nach kurzem Nachdenken ist mir doch noch eine in der Natur vorkommende Sprungfunktion eingefallen: Ein Schlepppilot kann den Widerstand seines Flugzeugs schlagartig um 30% reduzieren, wenn er den gelben Griff zieht. Damit macht er sich aber keine Freunde :D

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