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06.05.2014 | Vietnam Airlines | A330 | YMML | Triebwerksausfall und Startabbruch


TSC Yoda

Empfohlene Beiträge

Ein Flex Tkof ist grundsaetzlich ungefaehrlicher als ein Full Tkof weil die Motoren nicht am maximalen Limit laufen.
Dafür ist man länger auf der Piste und saugt mehr FOD ein. Ich denke kaum, dass man belegen kann dass da ein signifikanter Unterschied ist. Das maximale Limit erreichen die Triebwerke meist ohnehin erst im Steigflug.

 

Klar ist die Marge bei einem Startabbruch genauso klein wie bei einem Abflug mit Max TOW
Vorausgesetzt max TOW ist durch die Pistenlänge begrenzt. Ansonsten ist man flex u.U. sogar erst später in der Luft, als bei MTOW und voller Leistung. D.h. die Marge wird ganz bewusst bis aufs letzte ausgereizt.

 

dass heisst dass man eigentlich fast immer an der Limite ist bezueglich ASD und 2nd Segment.
Oder anders ausgedrückt: es ist riskanter.

 

Man kann es nicht 100% vergleichen, da ja dem Pilot im Zweifelsfall jederzeit volle Leistung zur Verfügung steht, aber ein wesentlicher Grund für die heute sehr, sehr viel bessere Unfallstatistik ist dass wir nicht mehr wie früher immer am absoluten Flugleistungslimit kratzen. Wir steigen heute viel steiler weg als früher, was viel mehr Spielraum gibt, wenn etwas schiefgeht. Wir brauchen heute in aller Regel nicht die letzten paar Meter Piste um in die Luft zu kommen. V1 hat heute bei sehr vielen Flugplätzen und Flugzeugen seine Bedeutung verloren, da es mit Vr zusammenfällt, oder man anders ausgedrückt bis zum Rotieren immer alle Optionen hat: Starten oder Abbrechen.

 

Dem Motor wird einfach eine falsche Temperatur vorgespielt
Einfach war das nur vor ein paar Jahrzehnten. Ein modernes FADEC Triebwerk weiss sehr genau, wie warm es wirklich ist. Es versteht aber, was der Pilot ihm sagen will wenn man eine falsche Temperatur gibt, und aktiviert dann tief im Inneren seine Flex/derated Logik. Einem FADEC Triebwerk wirklich eine falsche Temperatur vorzuspielen (physikalisch am Temperatursensor drehen...) würde ziemlich sicher einen kapitalen Motorschaden produzieren, da ja z.B. die aktive Steuerung der Gehäusetemperatur zur Justage der Blattspitzenspalte dann nicht richtig funktioniert.

Und es geht ja nicht nur darum, was man "einfach" macht, sondern was es bewirkt. Man könnte genauso "einfach" den Shubhebel weniger weit vorschieben. Der Effekt ist jedesmal der selbe, ich rolle länger, erhitze meine Reifen stärker, befinde mich länger auf der Piste oder in Bodennähe wo die Gefahr von Vogelschlag oder Fremdkörpern größer ist, fliege tiefer über alle Hindernisse im Abflugbereich und habe wenn etwas schief geht weniger Höhe und damit weniger Optionen und weniger Zeit das Problem zu lösen.

Klare Sache, ein Flex Takeoff mit leichtem Flugzeug ist sicherer als ein Full Power Takeoff mit MTOW. Aber bei gegebenen Umständen (Platz, Wetter, Gewicht) ist ein Start mit mehr Leistung immer sicherer, als einer mit dem absolut zulässigen Minimum. Das Triebwerk von seiner absoluten Spitzenlast zu erlösen ist sicher eine gute Sache und der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umwelt zuträglich (Neudeutsch eine Win-Win-Situation), aber mit der Leistung bis ans legale Limit runterzugehen, ist zwar ein kalkuliertes und kontrollietes Risiko, aber trotzdem ein Risiko.

In der Unfallstatistik der letzten Jahre finden sich einige Fälle, bei denen der flex/derated Takeoff eine entscheidende Ursache war. Wobei die Tatsache, dass man es verbocken kann nicht per-se bedeutet, dass man es lassen sollte. Aber man sollte es mit Bedacht und korrekt machen, und sich des erhöhten Risikos bewusst sein. Und es vielleicht nicht unbedingt bis ans Limit treiben.

 

Es ist im Prinzip die selbe Diskussion, wie ob man mit einem am Limit beladenen Viersitzer im Hochsommer unbedingt zur heissesten Zeit des Tages von einem Grasplatz in den Alpen starten muss. Es ist erlaubt, es ist machbar. Aber nicht unbedingt schlau.

 

Heutzutage wäre es ja dank aller erdenklichen elektronisch verfügbaren Informationen sogar möglich, über den Startlauf die Beschleunigung und die Position zu überwachen, und dem Piloten zu jeder Zeit als zwei (oder drei) Balken anzuzeigen, wieviel Bahn noch übrig wäre wenn er jetzt abbricht, und in wieviel Höhe er das Pistenende überfliegen wird, wenn er so weiterbeschleunigt, sowie in wieviel Höhe er das Pistenende überfliegen wird, wenn er jetzt ein Triebwerk verlieren würde. Statt dem V1-Bug am Speed-Tape hätte man dann das Verschwinden des Bremsweg-Reserve-Balkens und irgendwann das Auftauchen des "Höhe über dem Pistenende" Balkens. Aber eben akkurat anhand der tatsächlichen Situation errechnet, und nicht mit einer Vielzahl von Annahmen vorher abgeschätzt. Ein derartiges Feature hätte definitiv bereits Unfälle vermieden, und wäre vermutlich sinnvoller als "brake to vacate"

 

Gruß

Ralf

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Hi Ralf,

 

bei einer solch geballten Ladung "Wissen" brauchen wir Profis hier ja nicht mehr unseren Senf dazu zu geben :cool:

 

Lege mich wieder an die Sonne und überlasse Dir die weitere Diskussion.

 

Patrick

 

PS: oder haben wir Deine Fragen im Post 46 falsch verstanden?

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