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Pneus/Luftdruck


kruser

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Hallo lb. Freunde,

 

Mein "Problem" habe ich nicht gefunden, selbst bei Google nicht. Ich wage daher ein neues Thema kurz zu öffnen.

 

Luftdruck der Pneus von Flugzeugen wird in psi gemessen. Bei Dickschiffen liegt dieser um die 220psi = ca. 15bar, ein hoher Druck, gefüllt wird Stickstoff. Gase haben die Eigenschaft bei Temperatur- differenzen sich erheblich aus zu dehnen. Beim Auto z.B. habe ich hier in der Ebene Ticino rund 2,6barDruck (700kg pro Pneu) Auf dem Gotthard oben lt. Anzeige 3.0bar oder mehr, je nach Temperatur. Der Unterchied ist also erheblich.

 

Lugano, 27Grad, 220psi, danach auf 35000 fuss, die Pneus müssten ja platzen. Aber es ist ja sehr kalt da oben, -40/-50Grad, der gefüllte Nitrogen/Stickstoff "verkleinert" sich daher vermutlich erhelblich.

 

Fragen: Aber was spielt sich da wirklich genau ab?

              Und: Mal gelernt, dass Gummi bei sehr tiefen Temps spröde wird.

              Da lagern die Pneus also 9 Std. oder länger bei -50Grad und sind danach

              sofort wieder weich und geschmeidig?  grübelgrübel..  ;)

 

 

Tanti auguri aus dem Ticino

Kruser/Jens 

 

 

 

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Hallo Jens

Zum Thema Luftdruck kann ich was beitragen:

 

Auf Meereshöhe haben wir Pi mal Daumen gerechnet 1 Bar. Dieser nimmt dann mit zunehmender Höhe ab. Auf 35000ft sind wir bei ca. 0.25 Bar. Du siehst: der Unterschied von 0.75 Bar lässt deinen Reifen noch lange nicht platzen.

 

Gruess is Tessin

Ueli

Bearbeitet von zebra
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...

Fragen: Aber was spielt sich da wirklich genau ab?

              Und: Mal gelernt, dass Gummi bei sehr tiefen Temps spröde wird.

              Da lagern die Pneus also 9 Std. oder länger bei -50Grad und sind danach

              sofort wieder weich und geschmeidig?  grübelgrübel..   ;)

...

Ist nur eine Preisfrage... ;)

Für den entsprechenden Geldbetrag bekommt man eine Gummimischung, welche auch noch bei sehr tiefen Temperaturen weich genug bleiben.

Ähnlich wie bei den Winterreifen beim Auto geht das aber nur zu Lasten des Verschleiß.

Das Rollen verschleißt den Reifen mehr als jede Landung.

 

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Beim Auto wäre die Druckänderung von 2.6 + 0.75bar recht hoch, beim Airliner ist das dann 14 + 0.75bar und das sind nur etwas mehr als 5%.

Die Druckänderung durch die Temperatur von warmen Bremsen ist übrigens deutlich stärker (z.B. A320: 210psi kalt, kann dann auch 250 psi warm ergeben).

 

 

Gruss Thomas

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Die meisten meinen, dass Reifen aus Gummi sind, aber das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Der Aufbau bestimmt die Eigenschaften und dadurch die Widerstandsfähigkeit und Stärke eines Reifens. Bei Autos bestehen die Reifen aus einer Karkasse (so nennt man diesen "Unterbau") aus Textil (früher Baumwolle, heutzutage Mischgewebe, bei teureren Reifen auch Glas/Kohlefasern), bei Flugzeugen aus Stahlgewebe.

 

Diese Karkasse hält den Reifen im grossen und ganzen zusammen. Der "Gummi" (er ist eine Mischung aus vielen verschiedenen Materialien, von denen ein Teil Kautschuk, das Naturgummi, ist) ist nur dazu da, um die Karkasse zu schützen, die entsprechenden Rolleigenschaften zu geben und um sich abzunutzen.

 

Deshalb darf man auch mit abgefahrenem Gummi herumfahren, man kann Reifen neu gummieren, aber wenn die Karkasse mal angefahren, verletzt oder zerstört ist, ist der Reifen im Eimer.

 

Dani

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Vögelzwitscherer

Die (Differenz-)Druckdifferenz zwischen Boden und Flughöhe kann man vernachlässigen.

Im Weltall hersscht Vakuum, auf Meereshöhe ca. 1 Bar (1013 Millibar, genaugenommen).

Wenn der Reifen auf Meereshöhe 15 Bar (Differenz)Druck hat, hätte er im Weltall 16 Bar.

Auf normaler Flughöhe hat man einen Außendruck irgendwo dazwische, da platzt nix...

Und der von Dir richtig vermutete Druckabfall durch Kälte könnte eh einen geringeren Druck erzeugen.

 

Die Druckerhöhung durch Wärme von den Bremsen ist nach der Landung um einiges höher (> 10%)!

 

Wesentlich interessanter sind hier die Unterschiede in der Außentemperatur an den Flughäfen,

10°C kälter kann ganz leicht den Druck unters Limit bringen,

dies finde ich speziell für die interessant, die den Reifendruck in beheizten Hallen prüfen B)

Meine derzeitigen Handbücher empfehlen, den Reifendruck für den kälteren Flughafen

(ggf. zu berechnen und) einzustellen, um am wärmeren Flughafen mit Überdruck zu operieren.

Die genauen Formeln könnte ich nachreichen, falls gewünscht.

 

Thema spröde:

man sagt, im Fahrwerkschacht sei es nie ganz so kalt, wie draußen,

(Hydraulik- und Zapfluftleitungen, hab es noch nie ausprobiert)

aber die Räder werden vor der Landung eh in den "warmen" Wind gehängt,

da würde auch der Gummi warm werden.

 

Dein Auto:

Irgendwas stimmt bei dem nicht, würde nimmer damit fahren :P

Die Reifendrucksensoren messen nämlich nur den Druck im Reifen,

nicht den Differenzdruck zur Außenluft.

Spaß beiseite, durch fahren und sonnenbestrahlten Asphalt heizt sich der Reifen auf,

da schaffe ich im Sommer auch im Flachland 0,5 Bar Druckerhöhung.

Ohne Sonne nur durch das Rollen 0,2 Bar, bei nasser Straße bleibt der Druck gleich.

 

Der Robert

Bearbeitet von consti
Verschoben von Consti, da Doppelpost von OP
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...Bei Autos bestehen die Reifen aus einer Karkasse (so nennt man diesen "Unterbau") aus Textil (früher Baumwolle, heutzutage Mischgewebe, bei teureren Reifen auch Glas/Kohlefasern), bei Flugzeugen aus Stahlgewebe.

...

Nein, bei den modernen Reifen sind die Lagen der Karkasse nicht aus Stahl.

Eventuell hast du das Metall ja mal an einem recht abgenutzten Michelin Reifen gesehen. Dort sind die Verstärkungslagen (reinforcing layers) aus Metall und diese werden kurz bevor der Reifen wegen Abnutzung gewechselt werden muss sichtbar. Das hat aber nichts mit den Stofflagen der Karkasse zu tun.

 

Grundsätzliches zu Flugzeugreifen lässt sich auch bei Google mit dem Suchbegriff "aircraft Tire care" finden.

Da finden sich sehr gute Beschreibungen von namhaften Herstellern.

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Rechnen wir das ganze doch einfach kurz überschlagsmässig nach, es ist ja herzlich einfach. (Alle folgenden Werte sind auf ganze Zahlen gerundet.)

Aus der Gasgleichung folgt, bei gleichbleibendem Volumen, die Beziehung: p/T=const., wobei die Temperatur natürlich in absoluter Temperatur, also in Kelvin, angegeben wird.

Daraus folgt für die Tessin-Gotthard-Pneudruck-Frage:
p1 = 2.6 bar
p2 = 3 bar
T1 = 27°C = 300K
und daraus für die Temperatur der Luft im Pneu auf dem Gotthard: T2 = 346K = 73°C. (Darum sollte man den Luftdruck vor der Abfahrt prüfen und nicht erst beim ersten Tankhalt.)


Umgekehrt ergibt sich für den Reifendruck im Flugzeugpneu auf Reiseflughöhe, falls die Temperatur der Reifen auf die Aussentemperatur absinken:
T1 = 27°C = 300K
T2 = –50°C = 233K (reine Annahme, wer will, kann es gerne mit anderen Zahlen probieren)
p1 = 15 bar
und daraus für den Reifendruck im Reisflug: p2 = 11.5 bar. Der Differenzdruck zur Umgebung nimmt also sogar ab. (Der Umgebungsdruck beträgt am Boden rund 1 bar, auf Reiseflughöhe rund 1/4 bar.) Aber auch wenn die Reifen auf Bodentemperatur gehalten würden, würde der Differenzdruck nur um rund 3/4 bar ansteigen. Da platzt nix.


Zur Versprödung des Gummis: Ich bin kein Gummifetischistspezialist, aber ich vermute mal wild, dass die Reifenhersteller eine geeignete Gummimischung wählen, die mit diesen Verhältnissen klar kommt.

Bearbeitet von fm70
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Ja hallo ;)

 

Herzlichen Dank für all die Mitteilungen. Also dass nix platzt wusste ich auch aus meiner Vielfliegerei früher, ansonst

wäre ich :D nicht (mehr) hier.. Sehr überrascht über den minimen Druckunterchied zwischen Meereshöhe (etwas über 1 bar)

und Weltraum. Dachte immer es herrsche irrer Überdruck..

 

 

Gracie

Jens

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Der riesige Unterschied zwischen Flugzeug und Auto ist, dass das Auto bestenfalls um 50kg leichter (um die 4%) am Ziel ankommt als es abgefahren ist, und die Zuladung bestenfalls so um die 40% des Leergewichts beträgt, ein Flugzeug aber durchaus um 50% leichter am Ziel ankommt, und die Zuladung in der Regel größer ist als das Leergewicht.

Von daher variiert die Last auf dem Reifen schon allein beim Rollen zwischen Taxi-in und Taxi-out schnell um 100%, dazu kommt noch die Last beim Landestoß. Dagegen sind die 10% Änderung des Luftrucks der von innen der Last entgegendrückt gering. 

 

Dazu kommt noch ein völlig anderer Reifenaufbau mit völlig anderen Anforderungen. Autos haben Gürtelreifen (heutzutage praktisch nur noch als Niederquerschnittsreifen), Flugzeuge in der Regel Radialreifen (mit ungefähr Reifenbreite = Abstand Felge-Boden). Von daher wirkt der Luftdruck im Reifen ganz anders auf den Boden. Bei einem Flugzeugreifen kann man unter Freunden sagen, die Aufstandsfläche ist eine fast runde Ellipse, ihre Größe (Fläche) ist ziemlich nahe an Last/Reifenluftdruck. Das Gummi sitzt da nur als vernachlässigbare, dünne Membrane dazwischen. Bei Autoreifen ist die Aufstandsfläche näherungsweise ein Rechteck, es wird eine Menge Last vom Stahlgürtel umgeleitet und die Fläche ist in der Regel kleiner, als Last/Reifenluftdruck. Oder anders gesagt, wenn du mit einem Flugzeug auf einen Drucksensor rollst, kannst du dort in etwa den Reifenluftdruck messen, bei einem Auto würdest du deutlich mehr messen. Autoreifen sind auf geringen Rollwiderstand, gute Wasserverdrängung und gute Seitenführung optimiert, Flugzeugreifen auf Gewicht und Energieaufnahme (Landestoß).

 

Dieser NACA Bericht (Mechanical properties of pneumatic tires with special reference to modern aircraft tires) ist lesenswert, wobei der Begriff "modern Aircraft Tires" aufgrund des Berichtsdatums (1958) "with a grain of Salt" zu nehmen ist... Aber die Naturgesetze sollen gerüchteweise immer noch gültig sein ;)

Der Aspekt "Steifigkeit des Reifens im Vergleich zum Effekt des Luftdrucks" wird auch detailliert angesprochen, grob gesagt macht das Gummi nur einen Bruchteil der Steifigkeit aus, da ändert sich nicht viel wenn es sich bei Kälte verhärtet.

Im Prinzip hebt sich sogar der Effekt auf, beim Start hast du weiches Gummi und warmen Stickstoff mit viel Druck, bei der Landung hast du hartes Gummi und kalten Stickstoff mit wenig Druck.

Der Unterschied zwischen 60°C in Dubai auf dem Teer und -60°C in FL350 ist übrigens relativ gering im Vergeich zur Bremsen/Felgentemperatur nach längerem Taxi. Da reden wir schnell von 200°C im normalen Betrieb.

 

Gruß

Ralf

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Der grösste Unterschied in der Belastung ist nicht der variable, sondern der absolute Druck auf einen Flugzeugreifen. Während bei einem Auto (1.5 t schwer geteilt durch 4) 200-400 kg pro Reifen ausgehalten werden muss, und dies primär statisch, ist es bei einem Flugzeug mit 40 bis 400 t Gewicht (geteilt durch 4 bis 16) sind das 10Tonnen und mehr pro Reifen, und dies bei enormen Belastungen bei der Landung (Druck und Beschleunigung des Reifens). Wenn eine Karkasse diese Belastung aushält, dann hält sie locker auch den Druckunterschied in der Höhe aus.

 

Dani

Bearbeitet von Danix
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Wenn eine Karkasse diese Belastung aushält, dann hält sie locker auch den Druckunterschied in der Höhe aus.

Wie schon gesagt, die Karkasse ist lediglich die "Membran" die die Druckluft an Ort und Stelle hält. Im Gegensatz zum Auto trrägt sie kaum dazu bei, das Gewicht des Flugzeugs zu tragen. Bremskräfte und Seitenlasten gehen natürlich über die Karkasse.

Was trägt, ist der Bereich des Reifens in dem von oben Luft und von unten der Boden auf eine relativ dünne Gummihaut drückt ("der Fußabdruck"). In dem Bereich wird sie praktisch gar nicht belastet.

Durch die Deformation des Reifens unter Last steigt der Innendruck übrigens noch leicht an, in einer ähnlichen Größenordung wie der Atmosphärendruckunterschied zwischen Boden und Reiseflug.

 

Gruß

Ralf

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Wobei man noch anmerken muss das die Reifen beim Rollen und Starten mit hohem Gewicht am stärksten belastet sind. Die Landung ist für Flugzeugreifen eher weniger "schlimm" aus oben schon genannten Gründen (Gewicht).

 

 

gruss Thomas

Bearbeitet von Combustion
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nein, das glaube ich nicht. Natürlich ist der statische Druck beim maximalen Gewicht (also beim Start) am höchsten. Aber der dynamische Druck bei der Landung ist mit Bestimmtheit am höchsten. Nicht zuletzt deshalb gibt es die meisten Reifenversagen bei der Landung. Es gibt zwar auch Reifenschäden beim Start. Da ist die höchste Belastung aber wiederum nicht einzig wegen dem hohen Gewicht, sondern in Verbindung mit der hohen Startrollgeschwindigkeit und den sich ergebenden Temperaturen. 

 

Die höchste Belastung tritt wahrscheinlich beim Startabbruch auf, da ist es eine Kombination von hohem Gewicht und Bremsung.

 

Man kann diese Überlegung ganz einfach verizifizeren mit dem Kraftgesetz F=ma (oder wie ging es noch genau?) Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung. Beim Start hast du relativ wenig Beschleunigung, ein bisschen Vorwärts und g als Erdanziehung. Bei der Landung hast du je nach Sanftheit das eineinhalbfache bis doppelte an Aufprallbeschleunigung auf den Reifen. Du hast dann a anstatt 10 m/s2 15 oder 20. Zusätzlich wird der Reifen innerhalb von Sekundenbruchteilen auf bis zu 300 km/h beschleunigt. Da geht ziemlich was ab.

 

Dani

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Ja, ich dachte auch das es so sei, aber Lehren tut man in der Maintenance was anderes (irgendein Instructor vor Jahren mal in einem A330/A340 Kurs @SRT).

 

 

gruss Thomas

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Ja, ich dachte auch das es so sei, aber Lehren tut man in der Maintenance was anderes (irgendein Instructor vor Jahren mal in einem A330/A340 Kurs @SRT).

 

 

gruss Thomas

 

Ich denke hier werden Dinge verwechselt.

Die Abnutzung eines Flugzeugreifens ist am höchsten während der Phase blockoff bis takeoff. Und wird zusätzlich noch von saisonalen Bedingungen beeinflusst.

Die Belastung eines Flugzeugreifens ist natürlich beim Touchdown am höchsten bedingt durch Beschleunigung und den Landestoss. Das trägt aber nur minimal zur Abnutzung bei.

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Ja, hier wird einiges durcheinandergeworfen...

 

Eing 2g Landung ist schon eine ziemlich harte, das würde bedeuten maximal doppelte Last auf dem Reifen (ein Bisschen trägt ja der Flügel noch...), aber eben doppelte Landemasse, und die ist u.U. weniger als die halbe Losrollmasse (Ramp weight). Von daher sehen die Reifen von Langstreckenflugzeugen ihre höchste Normallast definitiv am Boden beim Pushback. Bei Kurzstreckenflugzeugen kann auch mal eine Landung die höchsten Normalkräfte erzeugen, gerade wenn man mit einem Bein zuerst landet (die kleineren Flieger sind ja in der Regel böenempfindlicher).

Die höchsten Seitenkräfte treten in der Regel bei Seitenwindlandungen auf, allerdings sind auch die Kräfte beim Rollen von engen Radien mit mehrachsigen Fahrwerken nicht zu verachten, auch da kann also schnell mal die höchste Seitenlast beim Pushback auftreten. Wieder eher bei Langstreckenflugzeugen, Kurzstreckenflugzeue haben meist nur eine Achse pro Fahrwerk, und ein anderes Start- zu Landemassenverhältnis.

Die höchsten Längskräfte treten beim Landen (Beschleunigen des Reifens) auf, die beim Notbremsen sind ähnlich hoch, hängt ein bisschen von den Rahmenbedingungen ab. Die höchsten Fliehkräfte aufgrund der höchsten Drehzahl treten beim Startlauf auf, dort erreichen die Reifen auch oft ihre Höchsttemperatur (warme Bremsen vom Taxi, hohe Walkarbeit, hohe Umgebungstemperatur).

 

Dann muss man mal die Nutzungsdauer betrachten. Was kaum einer glaubt, so manches Flugzeug schafft es in seinem Leben eine Million Kilometer zu rollen. Flughäfen sind groß, da kommen schnell 10 km pro Flug und mehr zusammen, und Kurzstreckenflugzeuge bringen es durchaus auf 80.000 bis 100.000 Flüge. Etwa die Hälfte davon passiert mit Maximalmasse, eher mehr, da man beim Start ja in der Regel bis zum Pistenende rollt, bei der Landung aber meistens früher abrollt. Im Vergleich dazu ist die Reifen-Beschleunigungsstrecke beim Landen lächerlich kurz, da reden wir von 10-30 Metern pro Flug.

 

 

Die höchste Belastung tritt wahrscheinlich beim Startabbruch auf, da ist es eine Kombination von hohem Gewicht und Bremsung.

Das ist korrekt, aber vergleichsweise selten. Die meisten Reifen dürften es in ihrem Leben nicht erleben.

 

 

Nicht zuletzt deshalb gibt es die meisten Reifenversagen bei der Landung.

Wenn man mal die vermurksten Landungen rausnimmt, bei denen Reifen mutwillig zerstört werden (wie wenn Autofahrer über Borsteinkanten räubern) oder Systemfehler (Antiskid), dann dürften sich die Reifenversagen ganz gut gleichmäßig über Start und Landung verteilen. Wenn man keine Reifendruckanzeige hat, merkt man es u.U. aber erst bei der Landung.

 

Wie immer im Leben gibt es natürlich auch Entwicklungen. Vor 30 Jahren (als Stahlbremsscheiben noch der Standard waren...) hat man viel mehr die Schubumkehr benutzt, als die Bremsen. Heute öffnet man meist nur noch die Reverser (für den Fall der Fälle...) verzögert aber mit den Bremsen. Das geht natürlich deutlich mehr auf die Reifen. Auch die Flex-Takeoffs verlängern die Startrollstrecke, und erhöhen den Reifenverschleiss signifikant. Die Verbesserungen bei den Gummimischungen, den verwendeten Verstärkungsfasern und dem Reifenaufbau werden dadurch wieder aufgefressen. Auch der Trend zu immer mehr Bahnen mit gefrästen Querrillen (für besseren Wasserabfluss und Grip bei Regen) ist ein echter Reifenmörder.

 

Nicht nur in der Formel 1 sind Reifen eine Wissenschaft...

 

Gruß

Ralf

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Danke Ralf, wie immer, für diese hervorragende Übersicht. Aus der Praxis kann ich sicher beurteilen, dass die punktuelle Belastung eines Reifens bei der Landung bestimmt am grössten ist, denn da wird oft nur ein Fussabdruck des Reifens belastet, was dann eben häufig zu diesen hässlichen lokalen Schäden am Reifen führen. Beim Start mag die Belastung vielleicht ähnlich hoch sein, aber verteilt auf den ganzen Reifen.Ich hatte noch nie einen Schaden beim Start, aber schon viele bei der Landung.

 

Dani

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Mal kurz etwas zur Nutzungsdauer eines Flugzeugreifens, und ja das ist eine Wissenschaft. 

Die Nutzungsdauer kann vom Operator nur durch anpassen des vorgeschriebenen Reifendrucks gesteuert werden, je nach Operationsmodell wird dies auch immer wieder angepasst.

 

Ich habe gerade aktuelle Daten von einem grossen A320 Operator auf dem Schirm welcher überwiegend auf Kurzstrecke unterwegs ist mit mittleren Payload.

 

Dort hat man eine durchschnittliche Nutzungsdauer von ca. 340 Flügen bei den Bugfahrwerksreifen bevor er gewechselt wird. (Saisonale Ausschlage sind +/- 20% mit der höchsten Nutzungsdauer im Januar und die niedrigste Nutzungsdauer im Juli).

Bei den Hauptfahrwerksreifen bewegen wir uns bei einer höheren Nutzungsdauer von etwa 580 Flügen. (Saisonal Ausschlage verhalten sich simultan zu den Bugfahrwerksreifen)

Bei den Hauptfahrwerksreifen hat das Anpassen des Reifendrucks zu einer Erhöhung der Nutzungsdauer von 20 Flügen geführt. Hierbei hat man den vorgeschlagenen Reifendruck des Herstellers gesenkt (weniger als 1bar) um eine gleichmässigere Abnutzung der Lauffläche zu erreichen.

 

Ein Phänomen was zu beobachten ist bezeichnet wir als "Clutch Foot" Syndrom. Hier zeigt sich ein höherer Verschleiss der Hauptfahrwerksreifen auf der linken Seite da dort härter gebremst wird. Hierbei ist aber der Bremsenverschleiss der Haupttreiber, aber es zeichnet sich auch beim Reifenverschleiss ab.

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Man kann diese Überlegung ganz einfach verizifizeren mit dem Kraftgesetz F=ma (oder wie ging es noch genau?)

 

Nein, so einfach ist das nicht. Du darfst nicht einfach Kraft und Druck wild durcheinanderwürfeln. Ich versuch's mal etwas aufzudröseln:

 

Zuerst die Definition: Druck ist Kraft durch Fläche. Konkret heisst das: Wenn ein Flugzeug auf dem Vorfeld steht, dann werden die Pneus durch das Flugzeuggewicht soweit zusammengedrückt, bis die Auflagefläche mal dem Pneudruck dem Gewicht des Flugzeugs entspricht. Wenn Du nun das Flugzeug auf das sagen wir mal vierfache Gewicht belädst, dann werden einfach die die Pneus stärker zusammengedrückt, bis die Auflagefläche viermal so gross ist wie beim leeren Flugzeug. Das erstaunliche dabei: Der Pneudruck ändert sich dabei NICHT! (Ganz genau betrachtet erhöht er sich durch die Volumenverkleinerung schon ein klein wenig, aber das ist vernachlässigbar.) Das heisst also: Egal, wie schwer das Flugzeug beladen wird, der Pneudruck bleibt immer gleich, lediglich der Pneu wird mehr oder weniger zusammengedrückt. Erstaunlich, nicht? Das gilt Selbstverständlich auch für den Landestoss.

 

Die Belastung des Pneus erfolgt vor allem durch die Walkbewegung beim Rollen. Und die ist bei vollbeladenem Flugzeug (= zusammengedrückter Pneu) und hoher Geschwindigkeit am grössten, also beim Startlauf.

 

Natürlich ist die Sache viel komplizierter, aber da sehen wohl nur noch die Reifenhersteller voll durch. Zum Beispiel tritt beim Bremsen zusätzlich noch eine Tangentialkraft auf. Die Temperatur hat einen grossen Einfluss auf die Materialfestigkeit. Auch die Zentrifugalkraft auf die Lauffläche ist bei diesen hohen Rollgeschwindigkeiten nicht zu unterschätzen. Und es gibt sicher noch viele zusätzliche Faktoren.

 

Das alles gilt natürlich nur, wenn der Pneudruck konstant gehalten wird. Beim Auto vermeidet man üblicherweise das stärkere Zusammendrücken der Pneus dadurch, dass man bei hoher Zuladung stärker pumpt. Dann sieht die Sache wieder anders aus.

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Fritz, Gas ist ein kompressibles Medium und der Druck erhöht sich natürlich dauernd, u.a. wenn der Reifen heiss wird. Dass die Auflagefläche linear mit der Beladung ansteigt glaube ich auch nicht, denn dann müssten die Reifen ziemlich am Boden sein, wenn mein Flugzeug beladen wird. Es verdreifacht sich nämlich fast im Lauf der Beladung, z.B. von ca. 160 t auf 380 t...

 

Sebastian, natürlich ist es eine komplizierte Sache, denn da spielen chaotische Kräfte hinein, die man nicht kontrollieren und nicht beherrschen kann. Sagst du, dass ihr die Reifen routinemässig nach einer bestimmten Anzahl Zyklen herunternimmt? Es braucht nämlich auch eine visuelle Inspektion, und die entscheidet meist über den Verbleib am Flugzeug. Anders ausgedrückt: Wenn die Flugzeuge fein gelandet werden und die Pisten in gutem Zustand sind, werden die Reifen weniger häufig gewechselt. Zusätzlich spielen auch noch die Einstellung und der Zustand der Bremsen mit ein, denn die können einen Reifen auch zerstören (z.B. wenn sie mehr Wärme produzieren oder weniger fein dosierbar sind).

 

Die beste Erklärung liefert zweifellos Ralf. Aber ich beharre drauf, dass bei der Landung die höchsten Kräfte auftreten. Man kann ja mal schauen wie sich der Gummi in Luft auflöst dabei. Oder wieviel Gummi in der Aufsetzzone liegen bleibt...

 

Dani

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 Dass die Auflagefläche linear mit der Beladung ansteigt glaube ich auch nicht

 

Das schöne an Naturgesetzen ist, dass sie auch dann gelten, wenn  man nicht an sie glaubt.

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Aber ich beharre drauf, dass bei der Landung die höchsten Kräfte auftreten. Man kann ja mal schauen wie sich der Gummi in Luft auflöst dabei. Oder wieviel Gummi in der Aufsetzzone liegen bleibt...

Das ist zweifelsohne richtig. Hierfür sind aber nicht Landestoss, Luftdruck oder Gewicht des Flugzeugs verantwortlich, sondern die Bechleunigung der Rotation des Reifens auf Landegeschwindigkeit. Es ist keine Radiale Stossbelastung, sondern eine tangentiale Beschleunigung zusammen mit Reibung.

 

Florian

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Das schöne an Naturgesetzen ist, dass sie auch dann gelten, wenn  man nicht an sie glaubt.

Dani hat schon Recht - genau genommen beide!

 

Natürlich steigt die Auflagefläche linear mit der Beladung, wenn man die Steifigkeit des Reifens und die Druckänderung durch das Eindrücken vollständig vernachlässigt. Also bei einem relativ großen Reifen mit relativ hohem Luftdruck

 

Genauso natürlich kann man bei einer Veränderung des auf relativ kleinen Reifen stehenden Flugzeuges von 160t auf 380t weder die Steifigkeit des Reifens, noch die Druckänderung vernachlässigen. Deswegen steigt in der Parxis die Auflagefläche natürlich nicht linear mit der Beladung.

 

Theorie und Praxis halt...

 

FLorian

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Aber ich beharre drauf, dass bei der Landung die höchsten Kräfte auftreten. Man kann ja mal schauen wie sich der Gummi in Luft auflöst dabei. Oder wieviel Gummi in der Aufsetzzone liegen bleibt...

Es ist nicht eine Frage der Kraft, sondern der Kraftübertragung die bestimmt, wieviel Gummi liegen bleibt.

Direkter Druckkontakt ist signifikant effektiver als Gleitreibung. Was man allein daran sieht, dass bei dem einen weder Wärme entsteht, noch Material auseinandergerissen wird, bei dem anderen aber sehr wohl, und zwar heftig.

 

 

Dass die Auflagefläche linear mit der Beladung ansteigt glaube ich auch nicht

Die Auflagefläche schon (Naturgesetz und so...), aber natürlich nicht der Federweg. Da ist zum einen ein quadratischer Zusammenhang zwischen Kontaktumfang und Kontaktfläche, zum anderen ein elliptischer zwischen Einfederung und Kontaktumfang. Ganz grob kann man das Verhältnis von Federweg zu Auflagefläche mal mit hoch 3 für gelativ geringe Federwege abschätzen.

 

 

Es ist keine Radiale Stossbelastung, sondern eine tangentiale Beschleunigung zusammen mit Reibung.

Wobei die Tangentialkraft maximal der radialen Stoßkraft mal dem Reibungskoeffizienten (Haftreibung 0.7-0.8, trockene Gleitreibung 0.5, nass 0.3) ist. Je härter die Landung, desto kürzer und dunkler der schwarze Streifen auf der Bahn....

 

 

wenn man die Steifigkeit des Reifens und die Druckänderung durch das Eindrücken vollständig vernachlässigt. Also bei einem relativ großen Reifen mit relativ hohem Luftdruck

Oder bei sehr kleinen Federwegen (relativ zum Reifendurchmesser), bei denen "das Gummi wenig gebogen und der Reifen wenig zusammengedrückt wird", wobei auch das auf "relativ großen Reifen mit relativ hohem Luftdruck" herausläuft.

Man darf auch nicht vergessen, das der gesamte Reifen (also insbesondere der Bereich der nicht mit dem Boden in Kontakt ist) sich bei Druckerhöhung auch weiter ausdehnt, und damit die effektive Druckerhöhung weiter reduziert.

Und dann müsste man eigentlich noch zwischen isentroper Druckerhöhung und quasistatischer Druckerhöhung unterscheiden... Beim Landestoß wird sehr spontan komprimiert, beim Betanken und Beladen eher gemütlich. Das eine mal kann sich die Luft beim komprimieren schlagartig erhitzen, das andere Mal gibt sie die Wärme komplett ab (oder nimmt gar noch welche vom schwarzen Gummi im Sonnenschein auf...). Aber wir reden hier von Größenordnungen, die mit denen nicht vergleichbar sind, die bei der Streuung der Landequalität durch den Piloten sowieso auftritt.

Eine der wesentlichen Fähigkeiten eines Ingenieurs ist, zu wissen was man alles vernachlässigen kann (und mit einem Sicherheitsfaktor erschlagen muss). Sonst würden wir heute noch nicht fliegen.

 

 

Theorie und Praxis halt...

Guckt euch die gemessenen Kurven im NACA Report an, wer nicht an die Theorie glaubt, glaubt ja vielleicht an gemessene Praxis... ;)

 

Gruß

Ralf

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